Die Jury der Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. präsentiert jährlich zehn Nachrichten oder Themen, die in der medialen Berichterstattung zu kurz gekommen sind. Es handelt sich um Sachverhalte, die für die deutsche Öffentlichkeit relevant sind, über die aber bislang in Presse, Funk, Fernsehen und Internet kaum Debatten geführt werden. Hier können Sie einen eigenen Themen-Vorschlag einreichen.
Top-Thema 01: Die Verdunklung der Meere in Küstennähe
Die marinen Ökosysteme werden immer fragiler und stehen unter einem enormen Nutzungsdruck. In den vergangenen Jahren verdunkelten sich in mehreren küstennahen Regionen weltweit die Ozeane, was die Nahrungssuche aller Lebewesen erschwert und damit die Nahrungskette bedroht. Die Verdunklung küstennaher Meeresbereiche (engl.: Coastal Darkening/Coastal Ocean Darkening) stellt eine Reduzierung der Lichtverfügbarkeit in der Wassersäule dar. Das noch weitgehend unerforschte Phänomen hat in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Treiber. Menschliche Nutzung trägt direkt und indirekt zur Verdunkelung bei, durch Fischfang und Schifffahrt, durch Eintrag von Dünger aus der Landwirtschaft und Einleitung von Abwässern sowie Ausbaggerungen, aber auch durch den Klimawandel (Rußablagerungen nach Waldbränden). Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in der Nähe von Küsten – die zu den produktivsten und biologisch reichsten Gebieten der Erde zählen – und ist somit von dem komplexen Phänomen betroffen. Trotzdem ist die Verdunkelung der Meere in Küstennähe medial fast völlig vernachlässigt.
Top-Thema 02: Ship Abandonment – Aufgabe von Schiffen und ihrer Besatzung
Mit 113 aufgegebenen Hochsee- oder Küstenmotorschiffen und zusammen 1.555 Seefahrern an Bord markiert das Jahr 2022 den Höhepunkt der Praxis der „abandoned ships“. In diesem hochprofitablen Markt erzielen die Schiffseigner und Reedereien eine weitere Kostenoptimierung zulasten von Gewässern, Umwelt und ihrer Schiffsbesatzungen, indem sie das Eigentum an unprofitabel gewordenen Schiffen aufgeben. Mit einem Gesamtanteil von ca. 90-98 Prozent am interkontinentalen und mit ca. 62 Prozent am innereuropäischen Warenverkehr gehört der See- und Überseehandel zu den weltgrößten Handelsinfrastrukturen für Waren, Güter und Rohstoffe. Ein Mangel an Transparenz und verbindlichen internationalen Regularien ermöglicht die Praxis des von der International Maritime Organization definierten „ship abandonment“.
Top-Thema 03: Mangelhafte Psychotherapieangebote für Menschen mit geistigen Behinderungen
Menschen mit geistigen Behinderungen sind eine der vulnerabelsten Gruppen in unserer Gesellschaft und bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit, da sie ein erhöhtes Risiko haben, eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Oft gibt es nur wenige Angebote für die psychische Versorgung von Menschen mit geistigen Behinderungen. Die Herausforderungen bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Menschen mit geistigen Behinderungen sind auch aufgrund ihrer kommunikativen Einschränkungen und anderer Faktoren größer. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben diese Situation noch weiter verschärft, da bestehende Kontakte in dieser Zeit eingeschränkt wurden.
Top-Thema 04: Boliviens Wirtschaftswachstum auf Kosten des Klimas und der Bevölkerung
Die bolivianische Regierung unter Führung von Luis Arce (Bewegung für den Sozialismus) gestattet ausländischen Unternehmen schädliche Bohrungen im Nationalpark Madidi. Dieser zählt zu den artenreichsten Nationalparks der Welt. Obwohl es den Menschen, den Tieren und dem Klima schadet, werden die profitablen Bohrungen nicht verhindert, sondern sogar unterstützt. Auch im Süden des Landes wird am Berg Cerro Rico unter nahezu unmöglichen Bedingungen gearbeitet. Hier wird besonders nach Lithium gebohrt, welches für Batterien von „grünen“ E-Autos und E-Scootern benötigt wird.
Top-Thema 05: Das neue, legale Gras
Seit einigen Jahren besteht schon ein potenziell gefährlicher Hype auf sämtlichen sozialen Netzwerken, der vor allem unter der jüngeren Bevölkerung Einzug gehalten hat: der legale Konsum von HHC. Hexahydrocannabinol (HHC) wird durch eine molekulare Veränderung vom illegalen Cannabis synthetisiert, schwimmt jedoch durch seine molekulare Abweichung unter dem Radar des Betäubungsmittelgesetzes. Somit ist sein Besitz – trotz einer ähnlichen Wirkung wie bei Cannabis – bislang noch nicht strafbar. Medial wird im Hinblick auf die rund 4,5 Millionen Cannabis-Konsument:innen nicht genug über den Stoff selbst, aber vor allem über die möglichen Gefahren des Konsums berichtet. So muss auf Risiken wie leichtere Abhängigkeit, Panikattacken und auch Psychosen aufmerksam gemacht werden, damit junge Menschen die Wirkung der frei erhältlichen Substanz nicht unterschätzen.
Top-Thema 06: HIV-Krise in Russland
Während die HIV-Infektionszahlen weltweit zurückgehen oder zumindest stabil bleiben, lässt sich vor allem in Osteuropa ein gegenteiliger Trend erkennen. Auf Platz eins der Neuinfektionsraten mit dem HI-Virus liegt Russland. Selbst nach den offiziellen, der Weltgesundheitsorganisation WHO gemeldeten Zahlen gab es in Russland 2021 mehr neue HIV-Diagnosen (58.340) als in den übrigen 52 Staaten der WHO-Region Europa mit einer vielfach größeren Bevölkerung zusammen (48.168). Wie bei der Corona-Pandemie wird über das tatsächliche Ausmaß der HIV-Epidemie in den russischen Medien kaum berichtet. Mehr als 2 Millionen Menschen und damit ca. 1,5% der Gesamtbevölkerung sind HIV-positiv (zum Vergleich Deutschland 0,1%); rund 40% der Infektionen erfolgen durch heterosexuelle Kontakte, sodass sich das Virus auch jenseits der Risikogruppen (Drogenabhängige, homosexuelle Männer) schnell verbreitet. Anstatt dieses Problem mit Behandlungs- und Aufklärungsmaßnahmen zu bekämpfen, setzt die russische Regierung auf Tradition und Moral. Sex und Drogenkonsum, die Hauptgründe für die Verbreitung des Virus, gelten als unmoralisch und werden tabuisiert. Aus Angst vor Stigmatisierung vermeiden Infizierte Tests und Behandlung. Das Ausmaß dieser sich verschärfenden Krise ist in Deutschland kaum bekannt, obwohl in Deutschland ca. 1 Million Menschen leben, die in Russland geboren sind und es weiter signifikante Migration von dort gibt.
Top-Thema 07: Sexualisierte Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo
Sexualisierte Gewalt wird in allen Kriegen und Konflikten systematisch als Waffe eingesetzt. In der Demokratischen Republik Kongo finden seit 25 Jahren Massenvergewaltigungen an Frauen statt. Diese bis heute andauernden Menschenrechtsverletzungen werden meist von bewaffneten Milizen verübt, die versuchen, die Rohstoffe des Landes zu erbeuten. Bei Opferzahlen in Millionenhöhe scheitern die medizinische Versorgung und die Strafverfolgung massiv.
Top-Thema 08: Suizid im Justizvollzug
Menschen, die in deutschen Justizvollzugsanstalten inhaftiert sind, haben ein vielfach erhöhtes Suizidrisiko im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Deutschlands. Seit 2006 gibt es die Bundesarbeitsgemeinschaft „Suizidprävention im Justizvollzug“, dennoch ist die Suizidrate noch immer hoch und gilt als höchste singuläre Todesursache in deutschen Gefängnissen. Die Gründe sind vielschichtig, die genauen Zahlen schwanken und der Prozentsatz ist bundesweit nicht einheitlich. Fachleute kritisieren, dass es für Inhaftierte häufig schwieriger ist, an therapeutische Angebote heranzukommen. Die Fürsorgepflicht für inhaftierte Menschen trägt der Staat.
Top-Thema 09: Eingeschränkte Meinungs- und Kunstfreiheit in Spanien
In Spanien wird das Recht auf freie Meinungsäußerung und freien künstlerischen Ausdruck durch die geltende Gesetzgebung eingeschränkt, insbesondere durch Artikel 578 des spanischen Gesetzbuches. Internationale Aufmerksamkeit erlangte das repressive Vorgehen Spaniens durch die Verhaftung des Rappers Pablo Hasél, dem vorgeworfen wird, „staatliche Institutionen beleidigt“ und „Terrorismus verherrlicht“ zu haben. Neben dem europäischen Gerichtshof ermahnen auch die Menschenrechtskommissarin des europäischen Parlaments und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die spanische Regierung, die Gesetze zu ändern und die Meinungs- und Kunstfreiheit weiter zu gewährleisten.
Top-Thema 10: Der Zusammenhang von Tierquälerei und interpersonaler Gewalt
75 Prozent der misshandelten Haustierbesitzerinnen gaben an, dass auch ihr Tier von ihrem Partner bedroht oder vorsätzlich verletzt wurde. Häusliche Gewalt bildet dabei nur eine der vielen Dimensionen des Zusammenhanges von Tierquälerei und interpersoneller Gewalt ab. Letzterer wurde auch binnen internationaler Studien sowie kriminologischer Praxis mehrfach nachgewiesen und Handlungsempfehlungen zur Prävention und Reaktion abgeleitet. Obwohl die Themen Tierquälerei und (häusliche) Gewalt zunehmend an Bedeutung innerhalb des medialen und gesellschaftlichen Diskurses gewinnen, bleibt die mediale Darstellung des Zusammenhangs dieser beiden Phänomene unzureichend. Eine stärkere Berichterstattung könnte sowohl rechtliche als auch pädagogisch-psychologische Grundlagen für die Prävention und Nachverfolgung von Gewalttaten an Mensch und Tier leisten.
Liebe Leute, ihr macht euch unglaubwürdig, wenn ihr derart fehlerhaft recherchiertes Material veröffentlicht: Am Cerro Rico wird, nachdem das Silber dort während der letzten 500 Jahren zuerst durch die Spanier komplett ausgebeutet wurde, heute nur noch nach Erzen geschürft und nicht nach Lithium. Das sucht man in Bolivien weiter südwestlich im Salar de Uyuni. Völlig andere Gegend, völlig andere Umstände dort und auch eine völlig andere Art des Abbaus. Die Not der Bergleute in Potosi hat damit nicht das Geringste zu tun. Auch nicht die Zerstörung der Natur am Cerro Rico, die bereits während Kolonialzeit begann. Die Folgen des Lithiumabbaus im Salar de Uyuni schlagen dagegen ein ganz neues Kapitel auf. Gravierende handwerklichen Fehler wie dieser schädigen die Glaubwürdigkeit unseres Fachs. Also bitte korrigieren.
In den Bergwerken am Cerro Rico in Bolivien war ich bereits selbst, allerdings nicht auf der Suche nach Lithium, sondern nach Silber, Zink und so Sachen:
https://andreas-moser.blog/2016/07/17/cerro-rico/