Der Zusammenhang von Tierquälerei und interpersonaler Gewalt
Abstract:
75 Prozent der misshandelten Haustierbesitzerinnen gaben an, dass auch ihr Tier von ihrem Partner bedroht oder vorsätzlich verletzt wurde. Häusliche Gewalt bildet dabei nur eine der vielen Dimensionen des Zusammenhanges von Tierquälerei und interpersoneller Gewalt ab. Letzterer wurde auch binnen internationaler Studien sowie kriminologischer Praxis mehrfach nachgewiesen und Handlungsempfehlungen zur Prävention und Reaktion abgeleitet. Obwohl die Themen Tierquälerei und (häusliche) Gewalt zunehmend an Bedeutung innerhalb des medialen und gesellschaftlichen Diskurses gewinnen, bleibt die mediale Darstellung des Zusammenhangs dieser beiden Phänomene unzureichend. Eine stärkere Berichterstattung könnte sowohl rechtliche als auch pädagogisch-psychologische Grundlagen für die Prävention und Nachverfolgung von Gewalttaten an Mensch und Tier leisten.
Sachverhalt & Richtigkeit:
Die Geschichte zeigt: berüchtigte Mörder:innen, wie Frank Gust beginnen ihre „Karriere“ oftmals mit wiederholter Gewalt gegen Tiere. Im Jahre 1983 richtete eine amerikanische Studie den Blick auf die Haustiere in Familien, die wegen Kindesmisshandlung bereits bei den zuständigen Behörden aktenkundig waren. Die Studie zeigte, dass in 88 Prozent der Familien, in denen Kinder misshandelt wurden, auch Haustiere von Gewalt und Vernachlässigung betroffen waren (Elizabeth DeViney et al., 1983). Mittlerweile lassen sich eine ganze Reihe weiterer internationaler Studien und Untersuchungen aufführen, die sich mit der Koinzidenz von Tierquälerei und Gewaltdelikten am Menschen befassen und auch die vom FBI etablierte Macdonald Triad definiert Tierquälerei als eines der drei wichtigsten Warnsignale zur Prognose von gewalttätigem Verhalten.
Ins Auge fällt dabei, dass vorausgehend oder parallel zur Gewalt gegen Menschen, oftmals Tierquälerei sowie Tiertötung vollzogen wird. Beides kann man vielfach als Vorübung für eine Laufbahn in der Gewaltkriminalität betrachten. Psychologische Störungen und Aggressivität, Spaß, Substanzabhängigkeit: in Studien wurden viele Hintergründe für die Gewalt an Mensch und Tier ermittelt. Bei Männern sei es häufig Ausdruck eines psychologischen Kontrollbedürfnisses über die Tiere. Diese werden auf verbale und physische Weise bedroht und geschädigt.
Von großer
Relevanz ist in diesem Zusammenhang auch das Thema häusliche Gewalt, da der
physische und psychische Schaden bei den Betroffenen gravierend ist. So findet in Haushalten, welche von häuslicher
Gewalt betroffen sind, häufig auch Gewalt an Tieren statt. Studien zufolge
hauptsächlich an Hunden und Katzen, da die Wahrscheinlichkeit des Aufbaus einer
emotionalen Bindung höher ist. Sie werden als Stressoren wahrgenommen und auf
verbale und physische Weise bedroht und geschädigt.
Weiterhin beschäftigen sich, auch im Sinne der Prävention, viele Studien mit
den Hintergründen von Gewalt an Tieren durch Kinder. So sind relevante Auslöser
dabei das eigene Erleben von Tiermisshandlung im (familiären) Umfeld,
(sexuelle) Misshandlung oder Verhaltensstörungen. So sind Kinder, die häufig
Gewalt an Tieren ausüben, zwei- bis dreimal so wahrscheinlich von Misshandlung
in ihrem Umfeld betroffen. Dies kann also sowohl für Fachleute als auch für
Laien als Indiz fungieren, um möglichem Missbrauch auf die Spur zu kommen.
Insgesamt kann also die Gewalt an Tieren, im Kindes- als auch im Erwachsenenalter auf gravierende Persönlichkeitsstörungen hinweisen und ein Warnsignal für mögliche Gewaltdelikte an Menschen sein.
Dieser Problematik wird im deutschsprachigen Raum bis dato deutlich weniger Beachtung geschenkt als in anderen Ländern der westlichen Welt. Wiederholte Tierquälerei gilt, zum Beispiel in den USA, bereits als wichtiges Warnzeichen („red flag“) für Gewalt gegen Menschen. In Deutschland fehlen dieses Bewusstsein und eine Umsetzung im strafrechtlichen Alltag bislang. Kriminologische Datenanalysesysteme zur Aufklärung von Gewaltdelikten beinhalten immer noch keine Fragenkomplexe zum Indikator der Tierquälerei. Präventionsmaßnahmen sowie ein entsprechendes Profiling sind eher die Ausnahme. Im Rahmen ihrer Arbeit treffen Beamt:innen jedoch immer wieder auf verwahrloste und vernachlässigte Tiere. „Grundsätzlich ist hier das Veterinäramt zuständig, und im Notfall kümmert sich die Feuerwehr um den Transport in ein Tierheim. Nur selten wird weiter auf die Tatsache eingegangen, geschweige denn diese weiter untersucht“, berichtet Polizeioberkommissar N. Vukadinovic. Expert:innen und Fachleute fordern nach U.S. amerikanischem Vorbild auch in Deutschland ein Tierschutzstraftatenregister, welches in die strafrechtliche und kriminologische Arbeit eingebettet werden soll. Weiterhin ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Tierärzt:innen, Polizei sowie Veterinär- und Jugendamt bei einem Verdacht auf interpersonelle Gewaltbereitschaft im Hinblick auf den Tierschutz und zur Gewaltprävention wünschenswert.
Relevanz:
Der richtige Umgang und der Einsatz des Wissens über die Korrelation zwischen verübter Gewalt gegen Tiere und nachfolgender bzw. paralleler Gewalt gegen Menschen, könnte auch in Deutschland Tier- und Menschenschutz miteinander verbinden. Es braucht eine klare Vorgehensweise für den strafrechtlichen und polizeilichen Einsatz, um die Arbeit der Beamt:innen zu vereinfachen. Auch muss sich die Gesetzeslage stärker zur (Haus)tierquälerei positionieren. Dies würde größere Konsequenzen für Tierquäler:innen bedeuten und so möglicherweise zu einer Prävention von Gewalttaten führen.
Gerade in Zeiten von sozialer Isolation, Ausgangssperren und Kontaktverboten im Zuge der Covid-19-Pandemie hat sich die Problematik häuslicher Gewalt nicht nur gegen Menschen, sondern auch gegen Tiere, deutlich verschärft. Es wird Zeit, dass die steigenden Zahlen im Bereich der häuslichen Gewalt mit der vermehrten Gewalt gegen (Haus-)Tiere in Verbindung gebracht werden.
Die Prävention und Verfolgung von (häuslicher) Gewalt kann durch eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Thema und sektorenübergreifende Kooperationen von Einrichtungen für (häusliche) Gewalt und jene für Tiere erreicht werden.
Das Thema ist vor allem durch die Kinderbetroffenheit ein zukunftsrelevanter Aspekt in Forschung und Policy, weshalb er auch im medialen Bereich stärker vertreten sein muss. Dabei sollte nicht nur das mögliche Warnsignal für prognostizierte Gewalttaten in den Vordergrund gerückt werden, sondern auch mögliche Gewalttaten an den Tierquäler:innen selber.
Vernachlässigung:
Bei der Recherche fällt auf, dass sich die Berichterstattung des Themas auf regionale Zeitungen und den Fachbereich des Tierschutzes beschränkt. Von aktuellen Vorfällen der Tierquälerei sowie Tiertötung wird lediglich in regionalen Tageszeitungen berichtet. Tierschutzorganisationen, wie beispielsweise PETA e.V., aber auch andere tierschutzrechtliche Fachzeitschriften weisen auf eine Korrelation zwischen Gewalt gegen Tiere und Gewalt gegen Menschen hin. In überregionalen Medien fehlt jedoch die Thematisierung dieser Relation.
Auf internationaler Ebene, vor allem in den USA, lassen sich eine ganze Reihe an Studien und Untersuchungen zu dem genannten Sachverhalt aufführen. In Deutschland findet sich nur eine kleine Anzahl ausgezeichneter Studien und Fachzeitschriften, die das Thema „Gewalt gegen Tiere – Gewalt gegen Menschen“ aufgreift, beispielsweise Dr. Volker Mariak. Eine größere mediale Aufmerksamkeit und die Berichterstattung in überregionalen Medien sorge seiner Meinung nach möglicherweise dazu, dass auch umfassende nationale Studien und Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Gewalt an Tieren und Menschen vollzogen werden. Valide empirische Daten könnten dafür sorgen, dass die Tragweite der Problematik in den Fokus gerückt wird. Nur so könne auf gesellschaftlicher, politischer, tierschutzrechtlicher und strafrechtlicher Ebene gehandelt werden. Datenanalysesysteme zur Aufklärung von Gewaltdelikten beinhalten immer noch keine Fragenkomplexe zum Indikator der Tierquälerei. Präventionsmaßnahmen sowie ein entsprechendes Profiling sind eher die Ausnahme. Im Rahmen ihrer Arbeit treffen Beamt:innen jedoch immer wieder auf verwahrloste und vernachlässigte Tiere. „Grundsätzlich ist hier das Veterinäramt zuständig, und im Notfall kümmert sich die Feuerwehr um den Transport in ein Tierheim. Nur selten wird weiter auf die Tatsache eingegangen, geschweige denn diese weiter untersucht“, berichtet Polizeioberkommissar N. Vukadinovic. Experten und Fachleute fordern nach U.S. amerikanischem Vorbild auch in Deutschland ein Tierschutzstraftatenregister, welches in die strafrechtliche und kriminologische Arbeit eingebettet werden soll. Weiterhin ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Tierärzt:innen, Polizei sowie Veterinär- und Jugendamt bei einem Verdacht auf interpersonelle Gewaltbereitschaft im Hinblick auf den Tierschutz und zur Gewaltprävention wünschenswert.