Thema Richterwahl: Schon wieder vergessen?

(Bundesarchiv/ Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0)

Im politischen Berlin ist nahezu geräuschlos ein neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht ausgesucht worden. Der Kandidat ist aber kein politischer Nobody, sondern ein gestandener Berufspolitiker der CDU, nämlich der Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth. Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. hat im vergangenen Jahr die völlige Intransparenz bei der Richterwahl der hohen Bundesrichter zum Topthema der vergessenen Nachrichten gewählt. Positive Folgen hatte dies offenbar nicht: Auch die neue Wahl von MdB Harbarth wirft kritische Fragen auf.

Die Lehre der Gewaltenteilung, die in der Bundesrepublik Deutschland Verfassungsrang hat, sieht die klare Trennung von Legislative und Judikative vor, also von Parlamentarier/innen, die Gesetze machen, und von Richter/innen, die über und mit diesen Gesetzen urteilen. Diese Trennung kann in Gefahr geraten, wenn Spitzenpolitiker/innen und gewählte Abgeordnete ihre Karriereplanung dadurch bereichern, dass sie bei einer Richterwahl die Lager wechseln. Auch die Wochenzeitung Die Zeit findet, „das Stille und Hinterzimmerhafte der Auswahl der Verfassungsrichter hat in der Bundesrepublik eine lange Tradition“.

In anderen, auch europäischen, Ländern wird von deutscher Seite aus die Praxis der Besetzung hoher Richterämter kritisiert. Die Besetzung des U.S. Supreme Court durch den sehr konservativen Brett Kavanaugh hat international für Aufsehen gesorgt. In Polen und in Ungarn werden von den dortigen rechtspopulistischen Regierungen die Gerichte politisch auf Linie gebracht. Unter diesem Blickwinkel fragt auch „Die Zeit“:

„Wird man nicht in Polen und Ungarn, wo gerade die obersten Gerichte von den dort regierenden Parteien gleichgeschaltet werden, in Zukunft auf jede Vorhaltung aus Deutschland ganz lässig reagieren: Wo ist das Problem? Macht ihr doch auch so!“

Schon in der Vergangenheit wurde politisches Spitzenpersonal ans Bundesverfassungsgericht berufen. Jutta Limbach war zuvor SPD-Justizsenatorin in Berlin. Roman Herzog war Innenminister in Baden-Württemberg. Peter Müller war sogar Ministerpräsident, im Saarland nämlich. Die Berufung des letzteren wurde vom Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim als „weiterer Schritt in den Parteienstaat“ kritisiert.

Bei einem Berufungsverfahren, das transparenter und öffentlicher ausfallen würde, hätten es womöglich die Parteistrategen etwas schwerer, Kandidaten vor allem nach Parteibuch-Gesichtspunkten an das oberste Gericht zu bringen.

 

10 Kommentare zu Thema Richterwahl: Schon wieder vergessen?

  1. wenn aber die Unabhängigkeit dazu genutzt werden kann sich jeder Kontrolle zu entziehen? Ist der Instanzenweg noch Kontrolle?

  2. selbst beim Führerschein und bei der Jagdprüfung wird Wert auf die Feststellung einer entsprechenden Eignung gelegt.

    • Hier doch auch. Die haben alle erfolgreich, das heißt mit bestandenen Staatsexamina, Jura studiert. Das nennt sich „Befähigung zum Richteramt“. Das hilft aber nur wenig.
      Das Problem ist die Reproduktion der Eliten an den obersten Gerichten, siehe die Forschungen von Prof. em. Michael Hartmann. Das System „Gericht“ geht davon aus, dass der Richter versteht, was das Problem ist, wenn ihm nur die objektiven Fakten vorliegen und das das allen Beteiligten möglich ist. Beide Annahmen sind aufgrund der Bindung des Denkens und der objektiven Möglichkeiten an die soziale Herkunft meistens falsch.
      Eine Ausnahme ist etwa Dietmar Hopp, der, nachdem er selbst betroffen war, mit seinem Vermügen eine justizkritiche Stiftung gründete.

  3. Sorry, aber für mich ist nicht erkennbar, ob die Mitglieder dieses Gerichtes dem Weisungsrecht des Justizministers unterliegen. Wenn ja, ist es doch völlig egal, ob transparent oder nicht. Es gibt eine Aufforderung der EU an Berlin, dieses Weisungsrecht aufzuheben. Wenn das geschehen würde, dann allerdings muß Transparenz sein.

    • Vielen Dank für Ihren Kommentar. Gerichte sind in Deutschland unabhängig und nicht weisungsgebunden. Alles andere wäre auch komisch. Vielleicht meinen Sie das, von der EU kritisierte, Weisungsrecht bezüglich den Staatsanwaltschaften. Die sind in unserem Beitrag aber nicht gemeint.

  4. „In Polen und in Ungarn werden von den dortigen rechtspopulistischen Regierungen die Gerichte politisch auf Linie gebracht.“ Falsch. Wenn Sie schon über andere Länder schreiben, dann bitte die Wahrheit. Informieren Sie sich richtig um nicht in die Falle der Meinugsmacher- Mainstreammedien zu tappen, die eine falsche Propaganda über Polen schüren, nur weil die konservative, demokratisch gewählte Regierung denen und deren Auftragebern/Drahtziehern nicht in den Kram passt. Falls Sie mehr wissen wollen, fragen Sie.

  5. Wie soll ein Berufungsverfahren, das transparenter und öffentlicher ist, aussehen? Die allgemeine Öffentlichkeit ist überfordert wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein Kandidatur die juristischen Fähigkeiten hat als Bundesverfassungsrichter tätig zu sein. Sie kann bestenfalls ermitteln, ob der Kandidat die politische Einstellung vorweist, die sie gerne hätte. Nur die „juristische Fachöffentlichkeit“ könnte über die potentiellen Richter entscheiden.

    • Lieber Herr Möller, es gibt ja einen Unterschied zwischen Entscheidungskompetenz und Transparenz. Transparenz ist ein Erfordernis in der Demokratie unabhängig von den Entscheidungswegen. Momentan ist das Verfahren weder transparent, noch entscheidet die „juristische Fachöffentlichkeit“. Mit freundlichen Grüße,
      Ihre INA

    • Siehe die USA. Dort haben Trump und seine GOP ruchlos ihre Kandidaten durchgedrückt, aber transparent war es.

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