Er ist nicht nur Blogger, sondern auch ein kluger Stratege: Sascha Lobo, der Mann mit dem pinken Irokesen. Neben Büchern und seinem Blog ist er auch Strategieberater. Sein Blog heißt wie er: saschalobo.com. Denn bloggen habe immer auch etwas mit Selbstdarstellung zu tun. Im Interview spricht er über seine Themenauswahl, Schwierigkeiten bei der Recherche und sein Steckenpferd: die digitale Welt.
Warum bloggst du?
Es gibt eine analoge und eine digitale Öffentlichkeit. In der analogen Öffentlichkeit äußern wir uns anderen Menschen gegenüber mit der Stimme. In der digitalen Welt ist das Medium, bei dem ich selbst Ton, Takt und Thema bestimmen kann, das Blog. Deshalb blogge ich.
Gibt es für deine Blog-Karriere ein Schlüsselerlebnis?
Nein, ich bin da eher reingepurzelt. Meine Wurzeln liegen in Online-Foren. Dann habe ich jedoch gemerkt, dass ein Blog eine ganz andere Qualität haben kann. So bin ich zum Bloggen gekommen. Mein erstes Blog war ein Gruppenblog, die Riesenmaschine, das wir im Jahr 2005 gegründet haben. Die ersten Blogs bei uns entstanden schon 2000, 2001. Das heißt, ich bin später zum Bloggen gekommen, als man vielleicht glaubt.
Wie wählst du deine Themen aus, über die du bloggst?
Ausschließlich nach Interesse. Ich habe verschiedene Punkte in der Digitalwelt, die mich interessieren, außerdem gibt es ein paar Randgebiete, die eher mich betreffen, über die ich schreibe. Mein Blog heißt ja auch so wie ich, es geht also natürlich auch immer um Selbstdarstellung. Aber Themen, über die ich schreibe, wähle ich ausschließlich danach aus, was mich interessiert.
Gibt es deiner Meinung nach von den Medien vernachlässigte Themen?
Das muss man differenziert sehen. In Deutschland ist die Medienlandschaft verhältnismäßig kleinteilig, gleichzeitig ist das Medienangebot sehr breit. Das bedeutet: Es gibt weniger Themen, die vernachlässigt sind. Es gibt zwar Teilbereiche, die vernachlässigt sind, die Pro-Rüttgers-Berichterstattung der NRW-Zeitungen und ihren Online-Auftritten während der nordrhein-westfälischen Wahl ist so ein Beispiel. Daran lässt sich auch schön sehen, dass ein Bedürfnis bei den Leuten nach einer alternativen Informationsquelle bestand. Deshalb wichen sie auf andere Medien aus. Und so hat zum Beispiel das Blog wir-in-nrw.de diese bestehende Lücke gefüllt. Es gibt auch Themen, die nur als Blog funktionieren, weil diese sich in ein Thema verbeißen können. Dazu gehört das Bildblog, das ein sehr zielgerichtetes medienkritisches Angebot ist, das Fehler der Bild-Zeitung aufspießt hat, und inzwischen über alle Medien berichtet.
Recherchieren Journalisten genügend?
Nein – aber nur, weil ich nicht glaube, dass man überhaupt ausreichend recherchieren kann. Man sollte das nicht verallgemeinern, natürlich arbeiten nicht alle Journalisten gleich. Ich glaube, dass in der Medienlandschaft unter anderem aus finanziellen Gründen auch an der Recherche gespart wurde. Gerade in Zeiten des Agenturjournalismus zeigt sich, dass häufig Schnelligkeit über Genauigkeit siegt. Manchmal reicht es schon, dass etwas richtig scheint, damit es verbreitet wird. Insofern kann man nicht generell sagen, dass Journalisten ausreichend recherchieren, dafür gibt es zuviele Ausfälle. Im Einzelfall tun sie das natürlich doch.
Sind die eingesetzten Recherche-Mittel ausreichend?
Auch das lässt sich kaum verallgemeinern. Es gibt investigative Reporter, die über Jahre an einem Thema dran bleiben und ganz behutsam Kontakte aufbauen. Es lässt sich aber auch beobachten, dass manche Journalisten nicht einmal die einfachsten Mittel nutzen. Dass einfach Tatsachen behauptet werden, die sich über eine simple Google-Recherche als falsch heraus stellen würden. Wenn man sieht, dass nicht einmal dieses Mittel genutzt wird, kommen natürlich Zweifel, ob der Mitteleinsatz zur Recherche ausreicht. Obwohl das meiner Meinung nach relativ häufig vorkommt, ist aber eine Pauschalisierung nicht sinnvoll.
Ist Twitter ein Recherchemittel?
Ja, natürlich. Für Journalisten ist es unabdingbar, auch auf Twitter recherchieren zu können. Man muss es nur richtig einsetzen. Und um einschätzen zu können, ob an einem Tweet was dran ist oder nicht, braucht man ein gewisses Maß an Kompetenz. Wenn ein Jouranlist irgendeinen einen Tweet für bare Münze nimmt, ohne die Information gegenzurecherchieren und einzuordnen, ist das ungefähr so, als würde man im Fernesehen zehn Sekunden sehen, wie ein Vulkan explodiert, ohne die geringste Ahnung zu haben, ob es sich dabei um den Ausschnitt aus einem Film, einer Dokumentation oder einer Nachrichtensendung handelt. Die bloßen zehn Sekunden im Fernsehen sagen mir gar nichts, genauso wie der Tweet. Ich muss den Kontext herstellen.
Wie ist gute Recherche finanzierbar?
Ich weiß es nicht, und genau dort sehe ich eine große Schwachstelle. Ich weiß noch nicht einmal so genau, wie man Journalismus im Internet tragfähig refinanzieren könnte und leider wissen das alle anderen auch nicht. Bisher werden die Online-Plattformen zum großen Teil durch Printwerbung finanziert. Das heißt: Bis auf wenige Ausnahmen ist es bei den mittleren und größeren Medien so, dass das Printprodukt das Geld reinholt, damit die Online-Ausgabe überhaupt funktionieren kann. Bisher sehe ich am ehesten noch die Möglichkeit, dass viele kleinere Maßnahmen – zum Beispiel ein bisschen Werbung, ein bisschen Paid Content und so fort – zu einem Paket geschnürt am Ende dazu führen könnten, Journalismus und somit auch gute Recherche zu finanzieren.
Auf welche Probleme bist du selbst bei der Recherche gestoßen?
Dadurch, dass ich immer eine sehr subjektive Sicht in meinen Artikeln einnehme und dass ich deshalb eine Formulierung im Zweifel auch so wählen kann, dass sie wasserdicht ist, auch wenn die Quelle es vielleicht nicht ist, habe ich bei der Recherche keine dramatischen Probleme. Denn meine Artikel müssen nicht den Ansprüchen einer Nachrichtenredaktion genügen. Recherche wird allgemein jedoch dadurch erschwert, dass die Informationen, die ich als Journalist brauche, noch nicht überall digital auf angemessene Weise abgerufen werden können. Ein Beispiel ist das Bundesamt für Statistik. Das hat zwar erfreulich viele Informationen online, wenn man sie aber verknüpfen will, um neue Zusammenhänge herauszufinden, ist das nicht mehr so einfach.
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