Dokumentation über Kik trotz elf Unterlassungsbegehren

Discounter und Skandalthemen – immer wieder, aber doch viel zu selten gibt es investigative Berichterstattung über skurrile Arbeitsbedingungen und dubiose Geschäfte der Billigketten, die den deutschen Verbrauchern das Leben beziehungsweise die Lebensmittel und Kleidungsartikel billiger machen. Heute zeigen ARD und NDR einen Bericht über eine Fabrikarbeiterin in Bangladesch, die als Näherin bei einer Zuliefererfirma von Kik beschäftigt ist. Von den etwa 25 Euro im Monat kann sie gerade so leben, aber nicht ihrem schwerkranken Neffen helfen. Elf Unterlassungsbegehren hatte es von Kik gegen die Ausstrahlung der Dokumentationen gegeben, doch das Hamburger Landgericht gab nun grünes Licht für die Ausstrahlung.Tabuthemen sollte es in Deutschland eigentlich keine geben. Damit brüsten sich zumindest deutsche Journalisten, wenn über die Pressefreiheit diskutiert wird. Doch es gibt Tabuthemen, bei denen sich Journalisten scheinbar ins eigene Fleisch schneiden: Denn wer von Anzeigenkunden lebt, darf sie zumindest nicht grundlegend verärgern.

Anzeigen sind Existenzfragen

Auch wenn kein Chefredakteur es zugeben würde, aber manchmal ist es aus existenziellen Gründen einfach besser, mal die Klappe zu halten. Bei immer weniger Anzeigenkunden ist es mittlerweile schon eine Existenzfrage, wenn Großkunden abspringen. Und auf die ganzseitigen, regelmäßigen Annoncen von Aldi, Lidl und Co. kann kaum eine Zeitung verzichten. Nicht viel anders zeigt es sich bei anderen Medien, aber öfter als in den Printmedien gibt es hier und da im Radio schon mal ein Feature oder im Fernsehen einen Hintergrundbericht.

Dabei gebe es doch einiges zu berichten über die Discounter, die zu Dumpingpreisen nicht nur ihre Ware verkaufen, sondern gleich auch ihre Mitarbeiter beschäftigen. Und wenn dann doch mal ein mutiger, meist aber auch ehemaliger Angestellter ausplaudert, staunt man nicht schlecht über das, was berichtet wird: die alltägliche Praxis, Mitarbeiter vollkommen auszuspionieren wie zu besten DDR-Zeiten, ein raues Arbeitsklima und Überwachung der Schnelligkeit an der Kasse. Oder das Verbot des privaten Umgangs untereinander: Bei Liebschaften fliegt mindestens einer der beiden Beteiligten, immerhin mit hoher Abfindung. Lesen wird man nicht viel darüber, es sei denn, es hat mal wieder ein Urteil gegen die Arbeitspolitik der Discounter gibt. Dann stellen sich alle solidarisch hinter Arbeitnehmer wie Emmely.

Die Kik-Story

Mit einer Dokumentation wollen heute ARD und NDR unter dem Titel „Die Kik-Story – die miesen Methoden des Textildiscounters“ und „Die Kik-Story 2“ über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Fabrikarbeiterin Alea in Bangladesch zeigen. Wie man bereits gestern verschiedenen Medien, wie dem Hamburger Abendblatt oder dem Tagesspiegel, entnehmen konnte, wird dort die Lebensgeschichte der 20jährigen Näherin, die für gerade mal 25 Euro im Monat Jeanshosen für Kik bearbeitet, geschildert. Den Anfang nahm die Dokumentation mit dem ersten Teil der Kik-Story bereits im April, als sie bei „Panorama – die Reporter“ ausgestrahlt wurde. Nachdem Kik die Verbreitung der Dokumentation stoppen wollte, reiste Reporter Christoph Lütgert erneut nach Bangladesch, um sich eidesstattliche Versicherungen von den Näherinnen zu holen und bekam bei seiner zweiten Reise einen noch tieferen Einblick in das Geschehen vor Ort, wie der NDR berichtet. Acht von elf Unterlassungsbegehren scheiterten nun vor dem Hamburger Landgericht. So soll der Zuschauer heute zu sehen bekommen, wie 300 Fabrikarbeiterinnen in vergitterten Räumen eng beieinander von 8 Uhr morgens bis 3 Uhr nachts arbeiten, ohne dass sie dabei auch nur ein Wort miteinander sprechen dürfen.

Weiße Weste: Fehlanzeige

Doch Kik ist bei weitem nicht das einzige Unternehmen mit Imageproblemen aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen. Trotz großen Sortiments fehlt den meisten Discountern leider immer wieder die weiße Weste. Immer mal wieder kommt ans Licht, wie die Billigketten ihre Preise ermöglichen, immer mal wieder steht eine andere Kette am Pranger. Immer wieder versprechen die Unternehmen bessere Arbeitsbedingungen für die eigenen Beschäftigten und die Arbeiter der Zuliefererfirmen im Ausland. Doch immer mal wieder findet sich jemand, der über die Firmenpraxis ausplaudert.

Neue Öffentlichkeitsstrategien von Aldi?

Doch auch wenn viele Medien dem Druck von Lidl, Aldi und Co. aufgrund von existenziellen Gründen oft nicht Stand halten, die Discounter schaffen es noch oft genug in die negativen Schlagzeilen. Nach dem Tod von Aldi-Gründer Theo Albrecht ist nun bekannt geworden, dass Aldi seine Öffentlichkeitsarbeit überdenkt. Von Biografien und offenerer Geschäftspolitik ist die Rede, gleich mehrere Medienberater arbeiten scheinbar derzeit an einem neuen Konzept. Als führender Discounter wäre dies eine gute Vorreiterrolle, solange denn dann auch die eigenen Fehler öffentlich eingeräumt werden und offen darüber diskutiert wird, welche Mindestlöhne in Bangladesch und anderen Zuliefererländern noch menschlich sind.

Ausstrahlungsinformation des NDR:

Die neuen Beweise präsentiert das NDR Fernsehen am Mittwoch, 4. August, um 22:30 Uhr in einer neuen Folge von „Panorama – die Reporter“. Zuvor läuft am selben Abend die umfassende „KiK-Story“ im Ersten in der Reihe „ARD-exclusiv“ um 21:45 Uhr.

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