2021: Top 5

Sozialunternehmen während der Coronapandemie

Abstract:

Trotz der immer größer werdenden Bedeutung der Sozialunternehmen für die Gesellschaft in Deutschland werden diese während der Coronapandemie nicht ausreichend finanziell vom Staat unterstützt und werden von der Politik vernachlässigt. Unter der Corona-Pandemie haben sich die Rahmenbedingungen für Sozialunternehmen deutlich verschärft. Zu nennen ist unter anderem die fehlende Berücksichtigung dieser Organisationen und Unternehmen bei staatlichen Hilfen. Sie fielen bei den Förderprogrammen schlichtweg durch das Raster. Auch wenn vonseiten der Politik gute Schritte in die richtige Richtung gemacht wurden, ist nicht ersichtlich, warum das große Potenzial dieser wichtigen Unternehmen nicht ausreichend gewürdigt wird. Deutsche Medien sind auf die gravierenden Probleme der Sozialunternehmen während der Pandemie praktisch gar nicht eingegangen.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Bereits seit vielen Jahren gibt es eine neue Form von Unternehmen und Organisationen, die unter dem Sammelbegriff Social Entrepreneurships (dt. Sozialunternehmen) zusammengefasst werden.

Anders als profit-orientierte Wirtschaftsunternehmen verfolgen diese soziale Ziele oder gesellschaftliche Herausforderungen. Genau dabei liegt aber auch die Schwierigkeit dieser größtenteils gemeinnützigen- bzw. gemeinwohlorientierten Organisationen und Unternehmen: Sie können schwer Rücklagen bilden, da diese immer für ihre soziale Ziele investiert werden. In Krisenzeiten, wie es derzeit die Corona-Pandemie ist, werden Social Businesses (wie sie auch genannt werden) seitens der Politik immer noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Als Beispiel ist hier der erste Lockdown im letzten Jahr zu nennen. In dieser Phase wurden die Sozialunternehmen bei den Förderprogrammen nicht berücksichtigt. Der Grund dafür war, dass Sozialunternehmen aufgrund ihrer fehlenden Rücklagen nicht zu Hilfskrediten berechtigt waren. Sie hätten dafür mindestens 20.000 € an Gewinn in den letzten fünf Jahren vorweisen müssen, was sie natürlich nicht konnten, da sie ihre Einnahmen in ihre soziale Ziele oder ihre Mitarbeiter*innen investieren.

Als eine mögliche Lösung haben viele dieser Sozialunternehmen ihre Tätigkeiten ins Internet verlagert (ca. 42%) oder private Förderer um Unterstützung gebeten (ca. 40%). Diese und andere Aspekten kamen bei einer im Mai 2020 veröffentlichen gemeinsamen Studie der EBS Universität für Wirtschaft und Recht aus Wiesbaden und dem Lobbynetzwerk für Sozialunternehmen in Deutschland, SEND e. V. (Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland) heraus.

Immerhin: Eine alternative Form der Unterstützung für die Sozialunternehmen seitens der Politik wurde durch die Bundesregierung und der Innovationsplattform project together gefunden. Bei dem im 20. bis 22. März 2020 statt gefundenen Hackathon #WIRVSVIRUS wurde der Frage nach gegangen, welche Probleme durch Corona entstanden sind und wie diese gelöst werden können. Die Teilnehmer, die aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft kamen, bestanden u.a. aus Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Verwaltungen oder der Wohlfahrt (z.B. Caritas und AWO). Bei dem rein digitalen Event trafen sie sich in verschiedenen virtuellen Räumen und erarbeiteten Lösungen. Hierbei entstanden dann auch verschiedene Social Start-Ups.

Ein Beispiel ist quarano, ein Dienst, der Gesundheitsämtern sofortige Entlastung durch Unterstützung bei Administration und Dokumentation verspricht. Durch das Thema Digitalisierung an Schulen hat aber auch Serlo von der Coronapandemie bisher profitiert. Außerdem werden auch noch die Angebote von Membrs durch die Pandemie in Anspruch genommen. Membrs setzt sich für die Förderung des lokalen Handels ein. Die beiden letztgenannten Start-ups gab es bereits vor dem #WIRVSVIRUS Hackathon, wurden aber dort extra gefördert. Schlussendlich sind insgesamt 1500 Lösungen entstanden, wovon 130 extra gefördert wurden.

Ganz anders sieht es da schon bei dem Sozialunternehmer Dr. Andreas Heinecke aus. Er hat mit Studierenden der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, ein Konzept für sein Social Business „Dialog im Dunkeln“ entwickelt. Durch seine Honorarprofessur an der Universität und dadurch, dass sein Unternehmen keine Corona-Hilfen im ersten Lockdown bekam, hat er die Chance des Hackaton genutzt, um dieses studentische Start-Up mit auf den Weg zu bringen.

Bei der Recherche wurde aber immer wieder deutlich, dass für viele Sozialunternehmen ihre Hybridität sehr vorteilhaft ist. Hybridität bedeutet, dass sie aufgebaut sind wie „normale“ Unternehmen, aber mit einem gemeinnützigen Zweck. Außerdem haben viele ihre Netzwerke genutzt und haben gemeinnützige Organisationen wie die „Tafeln“ ersetzt, die in normalen Zeiten Bedürftige mit Lebensmitteln versorgen. Als Beispiel ist hier die Kuruna Sozialgenossenschaft zu nennen. Sie haben im ersten Lockdown die Lücke der „Tafeln“ gefüllt, indem sie mit Supermärkten zusammengearbeitet und Pakete an Obdachlose verteilt haben.

 

Es wurde aber auch deutlich, dass viele Sozialunternehmen während der Coronakrise in große wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber für die Sozialunternehmen vielleicht noch: Am 26.05.2020 ist zum ersten Mal ein Antrag durch den Bundestag gekommen, der „soziale Innovation stärker fördern und Potenziale effizienter nutzen“ soll. Im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahrens wurde auch beschlossen, eine einheitliche Definition für den Begriff der Sozialunternehmen zu schaffen, die es bisher in Deutschland noch nicht gegeben hat.

Relevanz:

Das Sozialunternehmen quarano ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtige diese für die staatliche Behörden, wie Gesundheitsämtern, und dementsprechend auch für die ganze Gesellschaft in Zeiten einer Pandemie sind. Aber auch durch Berücksichtigung der Sozialunternehmen im Koalitionsvertrag von 2018 ist die Wichtigkeit dieser besonderen Unternehmen noch einmal deutlich geworden.

Darüber hinaus ist durch die Corona-Pandemie offensichtlich geworden, wie wichtig es ist, dass es Unternehmen gibt, die nicht nur wirtschaftliche, sondern hauptsächlich, soziale Probleme lösen wollen.

Vernachlässigung:

In der Berichterstattung der „großen Medien“, wie bspw. der FAZ, Deutschlandfunk Kultur oder der ARD-Sendung „Report Mainz“ wurden bzw. werden bisher nur auf einzelne Aspekte in puncto Sozialunternehmen eingegangen. Wie die einzelnen Maßnahmen oder Lösungen, die die Sozialunternehmen betreffen, aussehen und ob diese bei ihnen auch ankommen, wird nur sehr wenig thematisiert.

 Quellen:

  • Arian Ajiri, Werkstudent Community Management des SEND e. V.
  • Katja Friedrichs, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Bereich Social Business und Social Entrepreneurship der EBS Universität

 Kommentar:

„Man kann sagen, dass viele Sozialunternehmen in der Corona-Pandemie getriggert worden, weil viele der Bedürftigen besonders in der Notlage waren.“
(Katja Friedrichs, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Bereich Social Business und Social Entrepreneurship der EBS Universität)

 

„Man sieht, dass das Interesse an dem Thema bei Institutionen allgemein gestiegen ist und dass versucht wird, es ernst zu nehmen.“
(Arian Ajiri, Werkstudent Community Management des SEND e. V.)