2015: Top 5

Weißes Papier, schmutziges Geschäft

Deutschland gehört weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Papier. Verschiedene Umwelt- und Herkunftssiegel sollen über die Art der Herstellung Auskunft geben. Unter welchen Bedingungen das Papier tatsächlich hergestellt wurde, ist aber weitgehend unbekannt und kann nur schwer zurückverfolgt werden. Die Holzhandelsverordnung der Europäischen Union wird immer wieder umgangen, so dass es Verbrauchern nicht möglich ist, Papier aus legalen Quellen sicher zu erkennen.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Für die Herstellung eines handelsüblichen Pakets Kopierpapier (2,3kg) werden in der Herstellung 7,5 Kilo Holz, 130 Liter Wasser und 27 Kilowattstunden Energie verwendet. Damit ist der Papierverbrauch in westlichen Ländern eine Ursache großer Waldrodungen in anderen Teilen der Welt. In Chile, Thailand und Indonesien werden Regenwaldgebiete – zum Teil illegal – abgeholzt, um dort Plantagen für die Papierherstellung anzubauen.  Vor allem schnell wachsende, teils nicht heimische Bäume wie Eukalyptus werden angepflanzt, um den Nachschub an Holz und Fasern sicherzustellen. In Chile wurde beispielsweise ein Drittel des natürlichen Waldes in Papierplantagen umgewandelt. In Indonesien beträgt die Fläche von Papierplantagen weit über eine Million Hektar. Dadurch verlieren nicht nur heimische Tiere ihren Lebensraum, auch Menschen werden zur Umsiedlung gezwungen. Die Böden der Plantagen werden durch Düngemittel belastet.

Ein beträchtlicher Teil des Holzeinschlags findet nach Angaben des WWF illegal statt. Das heißt, bei Ernte, Transport, Einkauf oder Verkauf des Holzes wird gegen nationale oder internationale Gesetze verstoßen. Das gilt nicht nur für die Papierproduktion: Indonesisches Tropenholz stammt in drei von vier Fällen aus illegaler Quelle, im brasilianischen Amazonasgebiet liegt der Anteil sogar bei 80 Prozent. Der Anteil des illegalen Holzeinschlags an der globalen Holzproduktion wird vom WWF auf 20 bis 40 Prozent geschätzt.

Um dem illegalen Abholzen Einhalt zu gebieten, hat sich die EU im März 2013 auf eine Holzhandelsverordnung (EUTR) geeinigt, die den Import von illegal gerodetem Holz verhindern soll. Im Kern verbietet die Verordnung, Holz aus illegalem Einschlag nach Europa einzuführen. Die Importeure werden in die Pflicht genommen, denn sie müssen detaillierte Informationen wie eine Holzbeschreibung, das Herkunftsland, die Abschlagsmenge und die Kontaktdaten des Lieferanten aufbewahren. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass die Herkunft des Holzes zurückverfolgt werden kann. Das importierende Unternehmen ist dafür verantwortlich, sich um eine so genannte Risikobewertung der Hölzer zu kümmern. Außerdem muss es sich bei der zuständigen Behörde als Importeur registrieren lassen, in Deutschland ist das die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Die Verordnung scheint den Import zwar sehr detailliert zu regeln, doch der WWF hat Zweifel an der Durchsetzung. So gebe es immer noch Firmen, die ihrer Registrierungspflicht bei der BLE auch nach zwei Jahren nicht nachgekommen seien und dennoch nicht sanktioniert würden. Eine Überwachung der Importe dieser Firmen sei deshalb nicht gewährleistet, weil sie der BLE schlicht nicht bekannt seien.

Eine Umgehung der Verordnung belegte der WWF durch eine Studie. Er kaufte Briefpapier, Notizblöcke, Fotoalben und Adressbücher, insgesamt 144 Papierproben, und ließ diese auf Tropenfasern untersuchen. In 18 Prozent der Produkte konnte ein Labor dennoch sogenannte MTH-Fasern nachweisen, deren Ursprung mit höchster Wahrscheinlichkeit in tropischen Regenwäldern zu finden sei. Umweltschutzverbände kritisieren auch Gütesiegel, die eine legale Rodung garantieren sollen, als letztlich nicht verlässlich.

Relevanz:

Papier gilt als umweltfreundliche Alternative zu Plastik. Auch die Papierherstellung verursacht aber große Umweltschäden. Im Durchschnitt verbraucht jeder Deutsche 750 Kilo Holz im Jahr. Der Anbau dieses Holzes hat in vielen Ländern schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Menschen.

Vernachlässigung:

Umweltorganisationen wie Greenpeace und Pro Regenwald berichten in eigenen Publikationen über illegale Holzrodungen und Importe für die Herstellung von Papier. Eine Prüfung der Vorwürfe oder eine öffentliche Debatte in anderen Medien findet aber kaum statt.

Quellen:

Informationen der Organisationen Waldpolitik Pro-Regenwald

Informationen des WWF (World Wide Fund for Nature)

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: EU-Holzhandelsverordnung, http://www.ble.de/DE/02_Kontrolle/06_HandelMitHolz/EU_Holzhandelsverordnung/EU-Holzhandelsverordnung_node.html

 

Zitate:

 

„Trotz angelegter Plantagen wird weiterhin illegal Holz gerodet, z.B. von APP (Asia Pulp and Paper). Papier wird durch Dämpfen, Wässern und Zufügen von Chemikalien hergestellt, um die Zellulose herauszulösen. Darauf folgt eine weitere chemische Behandlung, um den Brei zu Papier weiterzuverarbeiten. Recyclingpapier kann die Situation in Raubbau-Ländern massiv verbessern.“ (Martin Glöckle, Pro Regenwald)

 

„Die Europäische Holzhandelsverordnung wird nur von Finnland und Großbritannien eingehalten. In Deutschland scheitert dies vor allem an systematischen Kontrollen und wirkungsvollen Sanktionen. Die Verordnung sieht vor, dass Unternehmen nachweisen müssen, dass ihre Produkte nicht aus illegalen Quellen stammen. Nach dieser Verordnung ist der „Erstinverkehrsbringer“ zur Rechenschaft zu ziehen, wenn das Holz aus illegalem Anbau stammt.“ (Pressestelle des WWF)