2024: Top-Thema 06

Titandioxid: In Lebensmitteln verboten – in Medikamenten erlaubt?

Abstract:

Das weiße Farbpigment Titandioxid wurde im Sommer 2022 von der Europäischen Kommission als Lebensmittelzusatzstoff verboten, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Stoff genetisches Zellmaterial verändert. Der Stoff stellt also ein Gesundheitsrisiko dar. Dennoch ist er weiterhin in Medikamenten erlaubt und enthalten. Obwohl zahlreiche Bürger:innen von der Problematik betroffen sind, wurde bislang kaum darüber berichtet. Aufgrund der hohen gesellschaftlichen Relevanz und weil es die Gesundheit eines jeden betreffen kann, sollte das Thema medial berücksichtigt werden.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Titandioxid ist eine chemische Substanz, die zwei entscheidende physikalische Eigenschaften aufweist: Es ist farbig und lichtundurchlässig. Als weißer Farbstoff wird Titandioxid beispielsweise in Farben verwendet. Bevor es verboten wurde, war es auch Bestandteil weißer Lebensmittel, zum Beispiel von Mozzarella. Wegen der Funktion der Lichtundurchlässigkeit ist der Stoff auch in Sonnencremes und Medikamenten enthalten Titandioxid wird oft auch als Filmüberzug oder Kapselhülle verwendet, um den Wirkstoff eines Medikaments vor Licht zu schützen. Denn Licht und UV-Strahlen sind energiereich und können die Haltbarkeit von Wirkstoffen reduzieren. Im Vergleich zu anderen Substanzen, die dafür verwendet werden könnten, ist Titandioxid kostengünstig und leicht zu verarbeiten.

In einer Pressemitteilung vom 14. Januar 2022 hat die Europäischen Kommission verkündet, dass Titandioxid in Lebensmitteln verboten wird, da von dem Stoff eine mögliche Schädigung des Erbguts ausgeht. Die EU-Mitgliedsstaatenentschieden einstimmig. Seit Sommer 2022 ist Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff verboten. In einer Pressemitteilung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 05. August 2022 informiert das Bundesamt genauer über eine Übergangsfristregelung: Lebensmittel, die Titandioxid enthalten, durften demnach noch bis zum 07. August 2022 verkauft werden und danach noch bis zu ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum beziehungsweise dem Verbrauchsdatum im Verkauf bleiben. Ab dem 08. August 2022 dürfen keine neuen Lebensmittel mit dem Lebensmittelzusatzstoff Titandioxid mehr auf den Markt kommen.

Dieses Verbot gilt allerdings nur für Lebensmittel. In Zahnpasta, Sonnencreme und Medikamenten bleibt der Zusatzstoff erlaubt. Dies widerspricht allerdings der Risikobewertung von Titandioxid, denn auch Medikamente werden direkt von den Verbraucher:innn eingenommen.

Titandioxid stellt ein Gesundheitsrisiko dar, weil es das Erbgut schädigen kann. Viele Forschenden sind sich einig, dass diese Gefahr nicht außer Acht gelassen werden sollte. So erklärt der Vorsitzende des EFSA- Sachverständigengremiums für Lebensmittelzusatzstoffe und Aromastoffe, Professor Maged Younes, dass Titandioxid „nicht mehr als sicher angesehen werden kann. Ein entscheidender Faktor für diese Schlussfolgerung ist, dass wir Genotoxizitätsbedenken nach dem Verzehr von Titandioxidpartikeln nicht ausschließen konnten. Nach oraler Aufnahme ist die Resorption von Titandioxidpartikeln zwar gering, sie können sich jedoch im Körper ansammeln“ (Maged Younes, zitiert nach Gelbe Liste).

Genotoxizität bedeutet, dass ein Stoff die Zell-DNA schädigen und so humane Zellen verändern kann. Das stellt einen erheblichen Eingriff in unser Erbgut dar und führt im schlimmsten Fall dazu, dass sich gesunde Zellen in Krebszellen verwandeln. Obwohl Titandioxid nur in geringen Mengen in Medikamenten enthalten ist, erhöht deren Einnahme das Risiko von Erbgutschädigungen. Weil der Stoff in vielen verschiedenen Medikamenten enthalten ist, auf die manche Patient:innen angewiesen sind, kann es schwer sein, Titandioxid zu meiden. Eine Umstellung auf andere Stoffe mag eine logistische Herausforderung sein, aber keineswegs unmöglich. So hat zum Beispiel die Firma Köhler Pharma Titandioxid in den von ihnen hergestellten Allergoval-Kapseln gegen Eisenoxide ausgetauscht, welche unbedenklich sind und keine Auswirkungen auf die Qualität und Wirkung des Arzneimittels haben.

Relevanz:

Da Titandioxid in Lebensmitteln als risikobehafteter Stoff verboten wurde, verwundert es, dass es in Medikamenten weiterhin erlaubt ist. Die Substanz ist in vielen Arzneimitteln enthalten, die teilweise regelmäßig eingenommen werden müssen. Eingesetzt wird Titandioxid unter anderem in Präparaten zur Behandlung von Patient:innen mit chronischen Krankheiten wie HIV oder Osteoporose, aber auch in Antidepressiva oder Antibiotika kann der Stoff enthalten sein. Damit sind chronisch erkrankte Personen dem potenziellen Risiko einer Erbgutschädigung ebenso ausgesetzt, wie akut erkrankte. Außerdem gibt es bei Medikamenten meist nicht die Wahl, auf das Produkt zu verzichten, wie es bei Lebensmitteln der Fall wäre – in denen der Stoff bereits verboten ist. Zudem wird Titandioxid als potenziell krebserregend eingestuft, weil es die Darmflora stören kann. Ein Teil des Titandioxids wir außerdem als Nanopartikel verwendet, die sich im Körper anreichern und zu verschiedenen gesundheitlichen Folgeschäden führen können. Aufgrund der fehlenden Aufklärung ist anzunehmen, dass weder das potenzielle Risiko als solches noch die Wahrscheinlichkeit einer schädigenden Wirkung bekannt sind. Das heißt, dass keine informationsbasierte und selbstbestimmte Entscheidung darüber getroffen werden kann, ob man als Patient:in das mit der Behandlung einhergehende Risiko eingehen möchte. Die (mediale) Aufklärung über das Thema scheint deshalb besonders relevant.

Vernachlässigung:

Über das Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln und seine gesundheitsschädliche Wirkung wurde in den Medien berichtet. Auch die Pressemitteilung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit informieren Bürger:innen über die Toxizität von Titandioxid und dessen Verbot in Lebensmitteln. Dass Titandioxid in Medikamenten weiterhin erlaubt und enthalten ist, wurde von den Medien aber nur unzureichend thematisiert. Lediglich einige lokale Verbraucherzentralen wiesen darauf hin, allerdings bleibt fraglich, inwiefern dadurch die breite Bevölkerung erreicht wurde. Medien wie die Pharmazeutische Zeitung, PTAheute oder die DAZ.online (Deutsche Apotheker Zeitung) informieren in erster Linie Personen vom Fach wie beispielsweise Apotheker:innen und Ärzt:innen. Die breite Öffentlichkeit aber bleibt außen vor. Auch Seiten wie medwatch.de. verzeichnen nur eine geringe Reichweite, Der NDR berichtete als einzig reichweitenstarkes Medium über die Problematik, allerdings handelt es sich lediglich um einen kurzen Beitrag, der sich mit dem allgemeinen Verbot befasst und nur am Rande auf den Einsatz in Medikamenten eingeht, Titandioxid in Medikamenten nur im letzten Absatz. Bürger:innen werden sehr wahrscheinlich nur durch aktive Recherche an Informationen über das Thema gelangen.