2024: Top-Thema 04

Was für ein Reinfall: Schlaglöcher in Deutschland und Großbritannien

Abstract:

In Deutschland stellen Schlaglöcher eine Herausforderung für alle Verkehrsteilnehmer dar und bergen erhebliche Risiken für die Verkehrssicherheit, insbesondere in NRW. Und ihre Zahl soll sogar noch deutlich zunehmen. Doch ganz genau kann das in Deutschland niemand, denn die Zahl der Schlaglöcher wird gar nicht zentral erfasst. So wurden z. B. in Bayern im vergangenen Jahr 85 tödliche Radunfälle verzeichnet, 35 davon alleinbeteiligt, bei dreien war der Straßenzustand schuld am Unfall. Großbritannien liefert durch detaillierte Daten und Schätzungen von Verkehrsdienstleistern wie RAC und AA eine präzise Einsicht in das Ausmaß der Schlaglochproblematik. Das ermöglicht gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Straßenqualität und Verkehrssicherheit. Infrastrukturprobleme in Deutschland werden medial vor allem durch marode Großprojekte wie Autobahnbrücken dargestellt. viele Probleme liegen aber buchstäblich tiefer: im Schlagloch.

Sachverhalt & Richtigkeit:

In Großbritannien sorgen Schlaglöcher für eine zunehmende Herausforderung im Straßenverkehr. Der Verkehrsdienstleister RAC schätzt, dass es mindestens eine Million Schlaglöcher auf öffentlichen Straßen in England und Wales gibt. Allein der Autoverband AA verzeichnete im Oktober 2023 über 52000 Einsätze aufgrund schlaglochbedingter Fahrzeugschäden. Dabei stieg die Anzahl der schlaglochbedingten Schadensfälle in England im Jahr 2023 um 40%. Ebenfalls erhöhten sich die durchschnittlichen Kosten pro Vorfall um 29%, was auf technologisch fortschrittliche Fahrzeuge und gestiegene Reparaturkosten zurückzuführen ist. Nun plant die britische Regierung in den kommenden elf Jahren 8,3 Milliarden Pfund für die Sanierung der Straßeninfrastruktur zu investieren.

Diese Zahlen ermöglichen es, nicht nur das Ausmaß des Problems zu verstehen, sondern auch gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Straßenqualität zu entwickeln. Im Gegensatz dazu scheint in Deutschland eine vergleichbare Datenerhebung zu Schlaglöchern nicht in gleicher Tiefe oder Genauigkeit vorhanden zu sein. Die Dokumentation der Anzahl von Schlaglöchern in Deutschland liegt in der Zuständigkeit sowohl der Kommunen als auch des Bundes, wobei die genaue Verantwortung je nach Art der Straße variiert. Die begrenzte Transparenz bei der Veröffentlichung von Straßenzustandsdaten in Deutschland erschwert eine präzise Einschätzung der genauen Anzahl und Verteilung von Schlaglöchern auf öffentlichen Straßen. Ohne umfassende und leicht zugängliche Informationen für die Öffentlichkeit bleibt das Ausmaß dieses Problems weitgehend unklar.

In der Stadt Bochum wurden beispielsweise im Dezember 2021 und Januar 2022 zusammen fast 8000 Asphaltschäden verzeichnet, während es ein Jahr später 8600 sind. Obwohl die Stadt darauf hinweist, dass für vollständige Zahlen bis zum endgültigen Ende der Frostperiode gewartet werden muss, skizzieren die vorliegenden Zahlen eine signifikante Zunahme der Straßenschäden. Betrachtet man diese Entwicklung, sollte berücksichtigt werden, dass die Zunahme der Straßenschäden nicht automatisch auf alle Städte in Deutschland übertragbar ist.

Der ADAC, der größte Verkehrsclub in Deutschland, warnt allerdings vor einer zunehmenden Anzahl von Schlaglöchern in Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren. Auch jetzt sei es schon auf vielen Straßen in NRW-Städten nicht mehr möglich, Schlaglöchern auszuweichen, und viele Städte kämen selbst auf wichtigen Verkehrsachsen gar nicht mehr hinterher, alle Schlaglöcher zu beseitigen.

Es existieren verschiedene Initiativen, die Bürger dazu ermutigen, Schlaglöcher deutschlandweit über Apps oder Hotlines zu melden. Beispielsweise ermöglicht die „Läuft’s?!“-App des ADAC die Dokumentation von Straßenschäden, die dann an die entsprechenden Städte weitergeleitet werden. Allerdings erstreckt sich die Datenerfassung und -verarbeitung nicht flächendeckend über ganz Deutschland. Hinzu kommt, dass der ADAC angibt, nicht weiter zu überprüfen, ob und wann die gemeldeten Schäden von den Städten bearbeitet werden. Diese Umstände werfen Fragen zur Effektivität solcher Bürgerinitiativen sowie zur Transparenz der resultierenden Daten auf. Vor allem im Hinblick auf die Feststellung des ADAC, dass bei finanziellen Schwierigkeiten in den Kommunen die Straßeninstandhaltung oft als erstes gekürzt wird.

Relevanz:

Die Existenz von Schlaglöchern auf deutschen Straßen birgt nicht nur Unannehmlichkeiten für Autofahrer, sondern stellt auch erhebliche Risiken für die Verkehrssicherheit dar, indem sie zu Unfällen und Fahrzeugschäden führen kann. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen wird eine drastische Zunahme von Schlaglöchern prognostiziert, was zwangsläufig die Gefahr von schlaglochbedingten Unfällen erhöhen wird. Ohne genaue Kenntnisse über das Ausmaß der Schlaglochproblematik besteht die Gefahr, dass die tatsächlichen Risiken und Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit unterschätzt werden.

Es ist von entscheidender Bedeutung, eine verstärkte Berichterstattung mit präzisen Zahlen und Daten über die Schlaglochproblematik zu fördern. Dies dient dazu, das Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu schärfen und die Transparenz bezüglich der Ernsthaftigkeit dieser Herausforderung zu erhöhen. Eine solche Initiative ist nicht nur wichtig, um die Straßenqualität zu verbessern und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, sondern auch, um die wirtschaftlichen Belastungen durch Fahrzeugreparaturen zu minimieren.

Vernachlässigung:

Während der Recherche sind wir auf zahlreiche Artikel gestoßen, die über die Präsenz von Schlaglöchern in verschiedenen deutschen Städten berichten. Trotz dieser Berichterstattung fällt jedoch auf, dass es erheblich schwieriger ist, auf valide Zahlen und Daten zurückzugreifen, die das tatsächliche Ausmaß dieser Schlaglochproblematik in Deutschland dokumentieren. Im Gegensatz zu Großbritannien gibt es in Deutschland auch aufgrund fehlender Differenzierung in den Daten des ADAC keine klaren Angaben darüber, wie häufig Pannenhelfer speziell wegen Schlaglöchern ausrücken mussten. Die unzureichende Datentransparenz in Deutschland spricht noch zusätzlich für die Wichtigkeit einer verstärkten Berichterstattung, um die Bevölkerung umfassend über den Zustand der Straßen zu informieren und damit das Bewusstsein für deren Ausmaß und potenzielle Risiken zu schärfen. Bei Berichterstattung über Straßenbau und Straßenverkehr geht es vor allem um Großprojekte wie Autobahnen und die dazugehörigen Brücken. Das Schlagloch hat Schlagseite in der medialen Berichterstattung: Es beschreibt genau das, was es medial ist, nämlich eine Lücke.