2024: Top-Thema 05

Noma: Eine kaum bekannte Tropenkrankheit tötet jährlich zehntausende Kinder

Abstract:

Die Tropenkrankheit Noma ist vor allem in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern weit verbreitet. Besonders gefährdet von dieser bakteriellen Infektion sind Kinder unter sieben Jahren und schwangere Frauen. Ohne Behandlung verläuft die Krankheit meist tödlich; Überlebende sind häufig vor allem im Gesicht enorm entstellt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jedes Jahr 80.000 bis 90.000 Kinder an dieser Krankheit sterben. Die Krankheit gehört bisher nicht zur Liste der „vernachlässigten Tropenkrankheiten“ (Neglected Tropical Diseades, NTD) der WHO – sie ist also selbst unter den vernachlässigten Tropenkrankheiten noch vernachlässigt und in Deutschland praktisch unbekannt.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Ebola und Malaria sind bekannte Beispiele für Tropenkrankheiten, von denen jede/r gehört hat und über die auch häufig berichtet wird. Die bakterielle Infektion Noma wird indessen vernachlässigt. Sie tritt vor allem häufig in Afrika auf: „Der Noma-Gürtel zieht sich einmal quer über Afrika“, ordnet Mathis Winkler von der Hilfsorganisation Noma e.V. ein. Die bakterielle Infektion betrifft vor allem Kinder und Menschen, die in äußerst armen Verhältnissen leben. Die Krankheit ist zwar nicht ansteckend, aber infektiös. Eine Infektion führt innerhalb kürzester Zeit zu erheblichen Folgen, wie z. B. Entstellungen des Gesichts und kann sogar tödlich enden. Betroffene müssen daher schnellstmöglich eine Behandlung mit Antibiotika erhalten. Diese bleibt ihnen aber häufig verwehrt – „Die Leute, die davon betroffen sind, können es sich nicht leisten, Selbsthilfe zu holen“, identifiziert Winkler. Da viele Betroffene in großer Armut leben, verfügen sie häufig nicht über die finanziellen Mittel, medizinische Hilfe zu organisieren.

Gefährdet sind insbesondere Kinder bis sieben Jahre, deren Immunsystem bereits geschwächt ist, und die unter Mangelernährung leiden. Problematisch ist, dass Noma zunächst mit Zahnfleischentzündungen beginnt, die nicht direkt dieser Krankheit zugeordnet werden. In den folgenden Tagen nach den Ersterscheinungen verschlimmern sich die Symptome erheblich: An den betroffenen Stellen entstehen Schwellungen und Geschwüre und das betroffene Gewebe wird vom Erreger zerfressen. Ohne eine rechtzeitige Behandlung kann der Erreger sich weiter im Körper ausbreiten und an anderen Stellen, wie etwa den Lippen, weiteres Gewebe stark beschädigen. Ohne unverzügliche ärztliche Hilfe können infizierte Kinder sterben oder tragen schwere Folgen davon, Mathis Winkler berichtet im Gespräch von hochgradigen Entstellungen. Im Falle des Überlebens, führt das nicht nur zu physischen, sondern auch weiteren, psychischen Belastungen. Zum einem werden Kinder aufgrund ihres Aussehens oft von ihrem sozialen Umfeld ausgeschlossen. Oftmals wissen Familien aber auch nicht die ersten Anzeichen der Krankheit einzuordnen. Aus Scham verstecken einige von ihnen deswegen ihre Kinder – denen so wiederum der medizinische Zugang verwehrt bleibt. Vereinzelt kommt hinzu, dass Familien nicht die notwendige Hilfe in Anspruch nehmen und sogenannte Medizinmänner stattdessen um Rat bitten. Diese würden die Krankheit als Strafe von Gottheiten ansehen, schildert Winkler.

Relevanz:

Menschen sind weltweit von Viren, Bakterien und Infektionskrankheiten betroffen – Menschen, die in großer Armut leben, sind dabei aber weitaus gefährdeter. Aufgrund der aktuellen notdürftigen medizinischen Versorgungslage und fehlenden Informationen vorort, bedarf es gezielter Aufklärungsarbeit in den Gemeinden und Dörfern. Die Vorbeugung und Maßnahmen gegen solche Krankheiten sind nach wie vor unzureichend – auch über die Grenzen des „Noma-Gürtels” hinaus.

Vernachlässigung:

Diese kaum erforschte, lebensbedrohliche Krankheit steht stellvertretend für eine von vielen Krankheiten, die medial kaum aufgegriffen werden, weil die Gesundheit von Menschen im Globalen Süden strukturell vernachlässigt wird. Die fehlende mediale Thematisierung spiegelt die unzureichende Forschung wider. Vor allem in den Leitmedien ist das Thema vernachlässigt. Die meisten Artikel stammen mit wenigen Ausnahmen eher von Spartenmedien und NGOs. Holger Vieth von Ärzte ohne Grenzen e.V. schildert: „Die wenig bekannte, aber lebensbedrohliche Krankheit Noma ist der Anerkennung als vernachlässigte Tropenkrankheit (NTD) einen Schritt näher” – selbst unter den vernachlässigten Tropenkrankheiten wird Noma also zu einem gewissen Grad vernachlässigt. In Deutschland ist sie praktisch unbekannt.