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Arbeitsbedingungen von Strafvollzugsbeamten

Justizvollzugsbeamte haben seit Jahren mit Stellenkürzungen und Einsparungen zu kämpfen. Während über Gefängnisausbrüche oder Gewalttaten häufig in den Medien berichtet wird, sind die Arbeitsbedingungen in den Strafanstalten fast nie Thema. Die Probleme des Strafvollzugs sind nicht nur für die rund 38.000 Beamten relevant. Es geht auch darum, ob die Gefangenen während der Haft vor Gewalt geschützt werden können. Und nicht zuletzt hängt auch der Erfolg bei ihrer Resozialisierung von den Arbeitsbedingungen ab: Überlastete und überforderte Justizvollzugsbeamte können ihre schwierigen Aufgaben nicht optimal erfüllen.

Sachverhalt und Richtigkeit:

Parallel zur fortschreitenden Überbelegung deutscher Gefängnisse werden die Arbeitsbedingungen für Justizvollzugsbeamte immer schlechter. Nach Angaben der Gewerkschaft kommt es bei den Bediensteten immer häufiger zu psychischen Krankheiten, sodass viele Beamte in die Frührente gehen müssen. In den Bundesländern liegt der Anteil an Frühpensionierungen bei Justizvollzugsbeamten zwischen 46 und 56 Prozent. Den höchsten Wert verzeichnet Nordrhein-Westfalen mit 56 Prozent.

Der der gewerkschaftliche Bund der Strafbediensteten (BSBD) bezeichnet die Arbeitsbedingungen in Deutschland als derart schlecht, dass der Beruf nicht einwandfrei ausgeübt werden könne. Die hohe Auslastung der Gefängnisse führe dazu, dass ein Beamter gleichzeitig die Verantwortung für bis zu 50 Insassen trage. Zudem erschwerten die zahlreichen Nationalitäten den Umgang mit den Insassen; es komme zu vielen Verständigungsproblemen.

Die Probleme Überbelegung und fehlendes Personal bestehen zum Teil schon jahrelang. In Baden-Württemberg etwa wurden seit 1996 die Wochenarbeitszeiten für JVA-Beamte immer wieder erhöht, um die Zahl der Überstunden im Justizvollzug zu senken. 2005 wurden zudem pauschal Schichtverlängerungen in den Dienstplänen erlaubt. Trotz dieser Arbeitszeitverlängerungen stiegen die Überstunden weiter an.

Relevanz:

Ein zentrales Ziel des Strafvollzugs in Deutschland ist die Resozialisierung. Dies setzt jedoch angemessene Arbeitsbedingungen für die Justizvollzugsbeamten voraus. Gleichzeitig werden die Bedingungen in Gefängnissen schwieriger – ohne dass die Personalausstattung verbessert wird. Ein sinnvoller Strafvollzug zielt nicht nur auf die Häftlinge. Gelungene Resozialisation liegt im Interesse der ganzen Bevölkerung.

Vernachlässigung:

In den Medienberichten über den Justizvollzug kommen die Bediensteten meist nur in Nebensätzen vor. Sie werden kritisiert, wenn Gefangene entkommen oder wenn es zu brutaler Gewalt unter den Gefangenen kommt. Fast ausschließlich in solchen Kontexten werden dann auch vereinzelt die Arbeitsbedingungen in den Anstalten erwähnt. Das ergibt sich aus unserer Recherche in Pressedatenbanken und wird durch unsere Gespräche mit Justizvollzugsbeamten bestätigt.

Quellen:

Justizvollzugsanstalt Hamm, Führung am 23.01.2014 sowie Gespräch am 17.04.2014;
Justizvollzugsanstalt Bochum, Gespräch am 26.05.2014;
Justizministerium NRW Gespräch am 11.06.2014;
Rechnungshof Baden-Württemberg, http://www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/de/veroeffentlichungen/denkschriften/122316/122361.html, zuletzt abgerufen 22.06.2014;
Stefan Schulz, „Neues Gefängnis kostet 17 Millionen Euro pro Jahr“, http://www.welt.de/regionales/berlin/article1376339/Neues-Gefaengnis-kostet-17-Millionen-Euro-pro-Jahr.html, zuletzt abgerufen 22.06.2014;
Informationen des Bundeslands Saarland, http://www.saarland.de/2358.htm, zuletzt abgerufen 22.06.2014;
Informationen des Bundeslands Sachsen, http://www.justiz.sachsen.de/content/603.htm

Zitate:

 

 

„Hier in Bochum gibt es ja selbst eine Justizvollzugsanstalt. Über diese wird jedoch nur berichtet, wenn etwas Spektakuläres passiert. Meist handelt es sich dabei um Ausbrüche oder Drogengeschäfte innerhalb der JVA. Eine positive Berichterstattung findet eigentlich nicht statt. Bisher stand das Thema bzw. die Berichterstattung über die Angestellten oder positive Aspekte nicht zu Debatte.“ (Daniel Cendrowski, freier Mitarbeiter der RuhrNachrichten in Bochum)

 

„Der Beruf des Justizvollzugsbeamten ist als gefährlich einzustufen. Es kommen immer wieder neue Belastungen hinzu. Früher wurden die Beamten von erkrankten Insassen mit Blut bespuckt, heute bilden sich zudem regelrechte Gangs unter den Insassen. Das ist vor allem bei den ausländischen Insassen auffällig. Dort gibt es meist eine richtige Rangfolge. Um sich darüber einen Überblick verschaffen zu können, müsste man jedoch einen intensiven Sprachkurs besuchen, um die Leute zu verstehen. So weiß man nie genau, was die Insassen planen. Ausbruchversuche und der Handel mit Drogen gehören da wahrscheinlich noch zu den harmlosen Gesprächsthemen der Mitglieder untereinander. Oft wird auch geplant, andere Insassen anzugreifen, wenn diese in den Augen der Gang gegen die Regeln verstoßen haben. Diese Insassen müssen wir Beamten dann zusätzlich schützen.“ (Peter Sczyka, JVA Hamm)