Top Ten der Vernachlässigten Nachrichten 2015

Die Jury der Initiative Nachrichtenaufklärung e. V. präsentiert jährlich zehn Nachrichten oder Themen, die in der medialen Berichterstattung zu kurz gekommen sind. Es handelt sich um Themen, die für die deutsche Öffentlichkeit relevant sind, über die aber bislang in Presse, Funk, Fernsehen und Internet kaum Debatten geführt werden. Hier können Sie einen eigenen Themen-Vorschlag einreichen.

Die Top Ten des Jahres 2015 wurden am 26. Februar im Deutschlandfunk in Köln vorgestellt. Die Präsentation können Sie auch als Multimedia-Reportage auf den Internet-Seiten des Deutschlandfunks ansehen.

Top 1: Verkaufte Links: Wie Medien ihre Glaubwürdigkeit untergraben

Mehrere hundert Euro für einen Link auf der Internetseite einer Zeitung: Solche Linkverkäufe hat es nach Recherchen der INA bei zahlreichen Verlagen gegeben. Es handelt sich dabei um bezahlte Werbung, die im redaktionellen Teil versteckt wird – also um eine moderne Form von Schleichwerbung. Der Werbeeffekt für den Kunden geht dabei über den einfachen Link weit hinaus. Denn wenn Medien mit einer großen Reichweite auf eine bestimmte Internetseite verweisen, steigt diese Internetseite im Ranking der Suchmaschinen: Sie wird in den Trefferlisten weiter oben angezeigt. Die Leser werden bei diesem Geschäft getäuscht. Die Linkverkäufe sind in Fachkreisen bekannt, werden aber in der Presse aus naheliegenden Gründen nicht thematisiert. Mehr …

Top 2: Undurchsichtige Finanzen bei politischen Stiftungen

Die parteinahen Stiftungen in Deutschland bekommen für ihre politische Bildungsarbeit jährlich umfangreiche staatliche Zuwendungen: insgesamt fast eine halbe Milliarde Euro. Die konkreten Ein- und Ausgaben der Stiftungen sind allerdings für die Öffentlichkeit nur unzureichend transparent, ihre Rechenschaftspflichten sind nicht einheitlich geregelt. Da es um öffentliche Mittel handelt, ist das Thema für alle Steuerzahler relevant. Es steht zudem der Verdacht im Raum, dass es sich teilweise um illegale Parteienfinanzierung handeln könnte. Über Ungereimtheiten wird in den Medien vereinzelt berichtet. Die generell undurchsichtige Finanzstruktur und die Frage der Rechenschaftspflicht der politischen Stiftungen werden aber von den Medien bisher nicht beleuchtet. Journalistinnen und Journalisten bieten sich hier vielfältige Recherchefelder im In- und Ausland. Mehr …

Top 3: Prekäre Verhältnisse in Ausbildungsberufen

Regelmäßig einmal im Jahr ist die berufliche Ausbildung ein Thema in den Medien: Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahrs, wenn es in bestimmten Berufen an Bewerbern mangelt. Jugendliche und junge Erwachsene haben aber gute Gründe, bestimmte Ausbildungen nicht anzustreben: Ein Friseurlehrling in den neuen Bundesländern bekommt zum Beispiel einen durchschnittlichen Monatslohn von 269 Euro, bei angehenden Schuhmachern und Floristen ist es nur wenig mehr. Prekär sind nicht nur die Löhne, sondern in manchen Branchen auch die Arbeitsbedingungen. Unbezahlte Überstunden für Azubis sind in einigen Branchen die Regel. Die Initiative Nachrichtenaufklärung legt ein Ranking der am schlechtesten bezahlten Berufe vor und erzählt die Geschichten einer angehenden Tanzlehrerin und eines Koch-Azubis. Mehr …

Top 4: Fragwürdiger Umgang mit Patientendaten

Ein Krankenhaus gibt Informationen über ihre Patienten ohne Erlaubnis an die örtliche Kirchengemeinde weiter – so geschehen im rheinischen Troisdorf. Ein Beispiel für einen fahrlässigen Umgang mit Patientendaten. Informationen über Krankheiten gehören zur Intimsphäre des Menschen. Dennoch wird mit solchen Daten oft nicht angemessen umgegangen. Für Krankenkassen können ärztliche Informationen bares Geld wert sein. Patienten beschweren sich beispielsweise bei Datenschützern, weil sie sich von ihren Versicherern mit unzulässig detaillierten Fragebögen ausgehorcht fühlen. Dabei wird auch die Unwissenheit von Patienten ausgenutzt. Medien sollten stärker darüber aufklären, wie der Datenschutz für Krankenhäuser und Krankenkassen geregelt ist. Mehr …

Top 5: Weißes Papier, schmutziges Geschäft

Deutschland gehört weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Papier. Verschiedene Umwelt- und Herkunftssiegel sollen über die Art der Herstellung Auskunft geben. Unter welchen Bedingungen das Papier tatsächlich hergestellt wurde, ist aber weitgehend unbekannt und kann nur schwer zurückverfolgt werden. Die Holzhandelsverordnung der Europäischen Union wird immer wieder umgangen, so dass es Verbrauchern nicht möglich ist, Papier aus legalen Quellen sicher zu erkennen. Mehr …

Top 6: Überwachung in Skigebieten

Skitouristen in den Alpenländern werden heute ohne ihr Wissen an Liftstationen fotografiert. Die Bilder werden von den privaten Betreibern gespeichert und verarbeitet, zum Beispiel um zu kontrollieren, dass Skipässe nicht weitergegeben werden. Nutzer werden darüber aber nicht immer informiert. Ähnliche Einlasskontrollsysteme vom gleichen Hersteller gibt es auch in Sportstadien und in Parkhäusern. Aus der Kombination der Daten könnten Bewegungsprofile erstellt werden. Ein Beispiel dafür, wie heute weite Lebensbereiche von der Datensammelwut privater Firmen betroffen sind, und darum ein hoch relevantes Thema. Mehr …

Top 7: Arbeitsbedingungen von Strafvollzugsbeamten

Justizvollzugsbeamte haben seit Jahren mit Stellenkürzungen und Einsparungen zu kämpfen. Während über Gefängnisausbrüche oder Gewalttaten häufig in den Medien berichtet wird, sind die Arbeitsbedingungen in den Strafanstalten fast nie Thema. Die Probleme des Strafvollzugs sind nicht nur für die rund 38.000 Beamten relevant. Es geht auch darum, ob die Gefangenen während der Haft vor Gewalt geschützt werden können. Und nicht zuletzt hängt auch der Erfolg bei ihrer Resozialisierung von den Arbeitsbedingungen ab: Überlastete und überforderte Justizvollzugsbeamte können ihre schwierigen Aufgaben nicht optimal erfüllen. Mehr …

Top 8: Facebook erforscht Künstliche Intelligenz

Das Unternehmen Facebook arbeitet kontinuierlich daran, die Daten seiner Nutzer immer umfassender zu analysieren. Eine neue Qualität erreicht diese Analyse, wenn Techniken der Künstlichen Intelligenz eingesetzt werden. Facebook betreibt dazu ein eigenes Forschungsprogramm. Es geht um Technologien wie „Deep Learning“. Dabei sollen Computer in ähnlicher Weise lernen wie ein menschliches Gehirn. Nötig dazu sind große Datenmengen: Auch ein Baby muss sehr viel beobachten, um zu lernen. Verfahren der Künstlichen Intelligenz simulieren das – und scheinen deshalb für Unternehmen sehr attraktiv, die über besonders große Datenmengen verfügen. Über den (fehlenden) Datenschutz bei Facebook & Co. wird viel in den Medien berichtet – nicht aber über die technischen Entwicklungen, die dieses Problem noch verschärfen könnten. Mehr …

Top 9: Millionengrab Polizei-Software

PIAV ist die Abkürzung für „Polizeilicher Informations- und Analyseverband“. Es handelt sich um ein Projekt mit dem Ziel, alle Fall- und Täterdaten der Polizei in einem einheitlichen System zusammenzufassen. Bis heute ist jedoch kein funktionstüchtiges Programm für alle Bundesländer in Betrieb. Dabei wurden schon seit dem Jahr 2002 Millionen an Steuergeldern in Vorläuferprojekte investiert. Im Jahr 2012 gab die Bundesregierung die weiteren Kosten für PIAV mit 62 Millionen Euro an. Damals ging man allerdings davon aus, das Projekt im Jahr 2014 abzuschließen. Dieser Zeitplan wurde offenbar nicht eingehalten, ein neuer Termin ist nicht bekannt. Insgesamt dringt nur sehr wenig über das Vorhaben an die Öffentlichkeit – dabei hat das Thema große Relevanz und Aktualität. Mehr …

Top 10: Moderne Rasterfahndung per Handy

Wenn die Polizei wissen will, wer sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort aufgehalten hat, kann sie eine Funkzellenabfrage beantragen. Sie bekommt dann von Handybetreibern die Daten aller Mobiltelefone, die sich in einem bestimmten Bereich befanden. Kritiker sprechen von einer modernen Form der Rasterfahndung, weil eine große Zahl völlig unbeteiligter Menschen von den Ermittlungen betroffen sind. Die Praxis der Funkzellenabfrage wird von den Medien vereinzelt thematisiert, vor allem im Zusammenhang mit Demonstrationen. Weniger bekannt ist, wie häufig diese Ermittlungsform mittlerweile eingesetzt wird und wie viele Daten dadurch erhoben werden. Mehr …