2021: Top 2

NATO-Manöver „Defender 2020“ in Europa

Abstract:

Die NATO-Großübung zur Verlegung von Truppen, „Defender-2020 Europe“, sollte Ende Januar 2020 beginnen und Ende Mai 2020 enden. 18 Länder aus der NATO sollten daran teilnehmen, der deutschen Bundesrepublik wäre hierbei die Aufgabe des „Host-Nation-Support“ zugefallen. Das Ziel sollte die Verstärkung der NATO-Truppen in Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland und Georgien in kürzester Zeit sowie die Stärkung der Bündnistreue sein. Dafür sollte nicht nur Personal in Form von ca. 37.000 Soldaten, sondern auch viele tausend Tonnen an Material über die See und später durch Europa nach Osten bis an die Grenze Russlands verlegt werden. Diese Übung sollte nicht nur die größte ihrer Art seit 25 Jahren sein, sie wurde auch als regelmäßiges Manöver geplant, welches in einem zwei Jahres Rhythmus wiederkehren soll. Hierbei wird „Defender“ abwechselnd in Europa und im Pazifik geübt. Wegen der Corona-Pandemie wurde nicht nur dieses Manöver abgebrochen, sondern es blieb auch trotz seiner immensen Ausmaße der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Es wurde als das größte Militärmanöver der NATO seit 25 Jahren gepriesen. Die USA sollten alleine schon ca. 20.000 Soldaten und Soldatinnen für dieses Manöver stellen. Bei 20.000 spricht man von Divisionsgröße. Alle 18 beteiligten Länder sollten zusammen 37.000 Soldaten und Soldatinnen stellen. Neben dem Personal sollte auch das entsprechende Material über den Atlantik in Nordsee-Häfen von den Niederlanden, Belgien und Deutschland eintreffen. Hierbei handelte es sich um Container und Fahrzeuge. Deutschland sollte nicht nur an dem Manöver selbst teilnehmen, sondern auch die anderen NATO-Truppen logistisch unterstützen und entsprechende Infrastruktur und Unterkünfte sowie Verpflegung bereitstellen, da Deutschland als logistische Drehscheibe der NATO in Europa fungiert. Dies wird auch „Host-Nation-Support“ genannt. Finanzieren wollte dies die Bundesregierung mit Ausgaben ihn Höhe von 22 Millionen Euro für die Bereitstellung von verschiedenen Anlagen, Übernachtungsmöglichkeiten und weiteren benötigten Dingen für die US-Soldaten. Zusätzlich waren noch 6 Millionen Euro für die Bundeswehreinheiten vorgesehen, die direkt an „Defender 2020“ teilnehmen. Manöverschäden, also Schäden an Infrastruktur und Personen, wurden hierbei noch nicht mitgerechnet. Aus früheren Manövern gingen üblicherweise solche Schäden hervor. Zu der geplanten Endphase im Mai 2020 kam es nicht. Am 12.3.2020 veröffentlichte das Webportal der US-Streitkräfte in Europa ein Video des für „Defender 2020 Europe“ zuständigen Generals Christopher Cavoli. Aufgrund von Covid-19 sollte auf Anweisung des US-Verteidigungsministeriums das Manöver schon im Mai 2020 abgebrochen werden. Maximal erreichten nur 5500 US Soldaten und Soldatinnen Europa und Schiffe, die auf dem Weg waren, wurden umgelenkt. Mit Hilfe der Bundeswehr sollten die amerikanischen Kräfte zurückgeführt werden.

Ein weiterer relevanter Punkt des Manövers war die dahinterstehende Absicht. Befürworter und die durchführenden Organisationen geben zu verstehen, dass das Ziel von „Defender 2020 Europe“  sein sollte, die Mobilität der NATO-Streitkräfte wieder zu erhöhen und die Bindung der Mitgliedstaaten zu verbessern. Gegner des Manövers sehen darin allerdings eher ein „gefährliches Säbelrasseln gegenüber Russland“. Die Gegner des Manövers sind sich einig, dass dieses Manöver gegen Russland gerichtet ist („Defender 2021 Pacific“ richtet sich demnach gegen China) und nur unnötige Schäden an Material und Klima verursachen würden. Bei den Befürwortern des Manövers reichten die Erklärungen und Begründungen von dem Standpunkt, dass das Manöver nicht gegen Russland gerichtet wäre, über Russland und/oder die Krim-Krise sei der Auslöser, wie es die  Bundesministerin für Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer in der Bundestagssitzung vom 29. Januar 2020 erwähnte (vgl. Plenarprotokoll 19142 S. 17740),   bis hin zu dem Eingeständnis, dass das Manöver eben doch gegen Russland gerichtet ist. Die osteuropäischen NATO-Mitglieder wie Estland fürchteten den Abbruch des Manövers, wünschten sich eine starke Präsenz von US-Streitkräften und stellten Russland klar als Bedrohung dar. Auch die Bundeswehr sieht „wirkungsvolle Abschreckung“ als Aspekt von „Defender 2020“.

Relevanz:

Bei diesem Manöver sind nicht nur die direkt beteiligten NATO-Länder, wie Deutschland und die USA,  hinsichtlich der Friedensfrage betroffen, sondern neben den indirekt betroffenen Ländern wie Russland und China auch die restlichen Länder der Welt. Da das Verhältnis der NATO zu Russland direkt Auswirkungen auf den Frieden in Europa hat, sind auch die Ziele und Absichten solcher Militärmanöver wie „Defender 2020 Europe“ und seines pazifischen Gegenparts relevant für den globalen Frieden. Denn neben den Auswirkungen auf das Klima können die  Ziele solcher Manöver auch das Gegenteil bewirken und somit viele Leben gefährden.

Vernachlässigung:

Bei der Recherche fiel auf, dass der Beginn des NATO-Manövers eine etwas größere mediale Präsenz besaß als dessen Abbruch. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Informationsweitergabe im Vergleich deutscher und nordamerikanischer Medien deutlich variierte. So wurden über die öffentlichen deutschen Kanäle solche Informationen, dass das Manöver in einem Zyklus mit einem Zwillingsmanöver „Defender 2021 Pacific“ regelmäßig durchgeführt werden soll und dass das Szenario des Manövers „Defender 2020 Europe“ im Jahre 2028 nach einem Bündnisfalls spielen soll, kaum bis gar nicht erwähnt und verbreitet.

 

Kommentare:

Dr. Alexander S. Neu, MdB für DIE LINKE, Obmann der Linksfraktion für den Verteidigungsausschuss:

„Die Manöver finden ja wechselweise in Europa und im West-Pazifik statt, sprich in der Nähe Süd-Ost-Asiens, damit möchte die NATO einen Handlungsfähigkeit demonstrieren und einüben die andere werdende Großmächte oder seiende Großmächte die noch große Ambitionen haben einschüchtern oder Einhegen soll.“

„Die Kosten sind vergleichsweise nicht hoch, aber es sind unnötig ausgegebene Kosten, weil wenn man sich verpflichtet, alle zwei Jahre an solche einem Manöver teilzunehmen, und das eigene Staatsgebiet zur Verfügung stellt, ist es unnötig ausgegebenes Geld.“

Tamara Helck, Mitglied des Landesvorstands NRW DIE LINKE:

„Deutschland signalisiert durch das Manöver, dass es vollständig auf der Linie der NATO-Doktrin ist, die Russland als aggressiven Gegner beschreibt. Die früher eingenommene Vermittlerstellung, die auch für Verständnis für die Haltung Russlands in politischen und militärischen Gremien des Westens warb, sicherlich auch begründet im Überfall auf die Sowjetunion und dessen Folgen, so wie ihrer Rolle im Rahmen der Wiedervereinigung, wird weitgehend aufgegeben“.