2020: Top 3

Fehlende Tierethik in der Lebensmittelindustrie: Pferdeblut für Schweinefleisch

In der Schweinezucht wird das Hormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) eingesetzt. Es ermöglicht, dass die Sauen zur gleichen Zeit fruchtbar sind, was die Zucht optimieren soll. Das Hormon wird aus dem Blut trächtiger Pferde-Stuten gewonnen, die auf Farmen in Südamerika, aber auch in europäischen Ländern unter qualvollen Bedingungen gehalten werden. Schweizer Tierärzte sprachen von „Pferdefolter“. Gleichzeitig werden die Würfe der Sauen durch die künstlichen Hormone vergrößert, so dass nicht alle Ferkel von ihnen versorgt werden können. Ein Teil von ihnen muss dann mit Maschinen versorgt werden. Für die Jury der INA ist dies ein Beispiel für fehlende Ethik in der Lebensmittelindustrie, insbesondere bei der Tierhaltung.

 

Sachverhalt & Richtigkeit:

PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) wird aus dem Blut trächtiger Pferdestuten gewonnen. Die Verwendung des Hormons bringt die Sauen des gesamten Betriebes dazu, die Ferkel zur gleichen Zeit zu gebären und führt insgesamt zu größeren Würfen. Durch dieses Vorgehen wird massiv in den natürlichen Biorhythmus der Sauen eingegriffen. In den Jahren 2016 bis 2019 wurden laut dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit rund 6,4 Millionen Einzeldosen des Hormons in deutschen Schweinezuchtbetrieben verwendet. Dies ist ein Schätzwert, da das Verwenden von PMSG nicht meldepflichtig ist. Der Preis einer Dosis liegt bei etwa acht bis neun Euro.

Die Pferde, aus deren Blut das Hormon gewonnen wird, werden auf sogenannten Blutfarmen gehalten, wo ihnen pro Woche zirka zehn Liter Blut abgenommen wird. Normalerweise haben Stuten etwa 45 Liter Blut im Kreislauf. Die hohe Blutentnahme führt dazu, dass viele Stuten und die Föten an den Folgen des Prozederes sterben. Die Stuten produzieren das Hormon zwischen dem 40. und 130. Trächtigkeitstag. Sollte das ungeborene Fohlen nach dieser Zeit noch leben, wird es abgetrieben, damit die Stuten erneut befruchtet werden können.

Die Animal Welfare Foundation (AWF) beschäftigt sich seit dem Jahr 2015 mit den Blutfarmen. Sie identifizierten fünf Pharmaunternehmen, die das Hormon aus Argentinien und Uruguay importierten. Nach der Recherche der AWF werden auf den Farmen in Südamerika mehrere Tausend Stuten gehalten. Vier der identifizierten Unternehmen haben den Import aus Südamerika in den letzten Jahren gestoppt. Lediglich das spanische Pharmaunternehmen HIPRA SA weigert sich, den Import zu stoppen und Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. PMSG wird mittlerweile aus Island importiert, wobei über die Haltung und den Zustand der Pferde auf isländischen Farmen bisher wenig bekannt ist. Jedoch hat die Animal Welfare Foundation eine Recherche gestartet. Die Ergebnisse der Untersuchungen bleiben vorerst abzuwarten.

Rund 2,4 Millionen Muttersauen tragen in Deutschland synchronisiert zwei bis dreimal im Jahr Ferkel aus, ohne die Zeit auf Regenerierung zu haben, was dazu führt, dass sie nach drei bis vier Würfen geschlachtet werden.
Da die Verabreichung des Hormons auch zu insgesamt größeren Würfen führt, können nicht alle Ferkel von der Muttersau versorgt werden. Die übrigen Ferkel werden entweder getötet oder an maschinelle Ammen weitergegeben.

Die Überproduktion der Ferkel ist also eine direkte Folge des Hormons PMSG. Der Vorteil seitens der Schweinezuchtbetriebe ist, dass die Arbeitsabläufe durch das Verabreichen des Hormons synchronisiert werden und somit die Produktivität erheblich ansteigt. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte vertritt die Meinung, dass die Synchronisation des Sexualzyklus wichtig sei, damit unter den Sauen der Stress und die Kämpfe um die Rangordnung minimiert werde.

Für York Ditfurth von der AWF ist das Verabreichen des Hormons nicht nur eine Qual auf der Seite der Stuten und Fohlen, sondern auch auf der Seite der Muttersauen und deren Ferkel. Er bezeichnet das Verwenden von PMSG als bloßen „Wirtschaftsbooster“.

Ein Hoffnungsschimmer sei, dass die USA an einem synthetischen PMSG arbeiten. Bisher gibt es über 30 synthetische Alternativen, jedoch noch kein Hormon. Das Einsetzen dieses Hormons würde die Qual auf Seite der Pferde beenden, jedoch nicht auf der Seite der Schweine.

 

Relevanz:

Auch in der deutschen Schweinezucht wird das Hormon verwendet. Dadurch unterstützt der Verbraucher unwissend das Vorgehen auf den Farmen. Im Fleisch selbst ist nicht mehr zu erkennen, wie der Geburtsvorgang von statten ging und ob das Blut trächtiger Pferde im Spiel war.

 

Vernachlässigung:

Das Thema ist in den deutschen Medien stark unterrepräsentiert. Tierschutzorganisationen wie Peta, der Tierschutzbund und die Animal Welfare Foundation berichteten in der Vergangenheit über die Blutfarmen. Medial wurde das Thema 2015 von einigen überregionalen Zeitungen und Medienmagazinen aufgegriffen. Doch außer eines Berichts in Fakt gab scheint das Thema in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten zu sein.

 

Quellen:

Animal Welfare Foundation, Organisation, die vor allem über Tierimporte und Tierexporte berichtet. https://www.animal-welfare-foundation.org/projekte/blutfarmen

 

York Ditfurth, Pressesprecher der Animal Welfare Foundation, 22.01.2020 und 28.01.2020

 

Kommentar:

York Ditfurth, Pressesprecher der Animal Welfare Foundation:

„Das heißt dieses PMSG, das auf der Produktionsseite dazu führt, dass Stuten gequält werden ist auf der Einsatz-Seite auch kein Medikament, sondern nichts anderes als ein Wirtschaftsbooster. Das auch zu einem enormen Leid bei den Schweinen beiträgt.“