2013: Top 9

Waffenexporte werden unzureichend kontrolliert

Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Die Bundesregierung hat sich einem verantwortungsvollen Umgang mit Waffenexporten verschrieben. Die Außenwirtschaftsverordnung fordert von jedem Empfänger eines Waffenexportes eine Endverbleibserklärung. Länder, die deutsche Waffen gekauft haben, sollen nachweisen, dass sie diese so einsetzen, wie es mit der Bundesregierung abgesprochen wurde. Sie müssen zusichern, dass deutsche Waffenexporte nicht weitergehandelt werden und über Drittländer in Krisengebiete gelangen. Was in der Theorie gut klingt, scheitert in der Praxis immer wieder: Deutsche Waffen sind bei Kriegsverbrechen und Bürgerkriegen wie beispielsweise in Libyen, Georgien oder im mexikanischen Drogenkrieg zu finden.

Sachverhalt & Richtigkeit:
Die deutsche Außenwirtschaftsverodnung fordert von jedem Empfänger eines Waffenexportes eine Endverbleibserklärung – das heißt, die Länder, die deutsche Waffen gekauft haben, müssen nachweisen, dass sie die Waffen so einsetzen, wie es mit der Bundesregierung abgesprochen wurde. Allerdings wird nach dem Export nur mangelhaft überwacht, inwiefern diese Regelungen tatsächlich eingehalten werden. Die Erklärung bleibt damit quasi unbedeutend. Daraus folgt, dass beispielsweise Waffen der Firma Heckler & Koch in Libyen, Georgien und in umkämpften mexikanischen Bundesstaaten eingesetzt wurden, obwohl die Weiterverbreitung in diese Gebiete verboten ist. Während Medien über diese Einzelfunde berichten, werden die dahinter liegenden Struktur- und Kontrollprobleme selten in der Öffentlichkeit behandelt.
Ein zentraler Punkt für den Mangel an Kontrollen liegt darin, dass das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen (BAFA) offenbar personell chronisch unterbesetzt ist. So geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 07.01.2011 hervor, dass eine Ausfuhrgenehmigung 1999 in 15 Kalendertagen, 2009 aber erst in 27 Kalendertagen bearbeitet wurde. Darin kann vor allem ein Hinweis darauf gesehen werden, dass die Zahl der Beamten und der zu bearbeitende Genehmigungen ein Ungleichgewicht darstellen. Bei der BAFA arbeiten laut Bundesregierung 28 Naturwissenschaftler, 21 Juristen, ein Akademiker mit „sonstiger Fachrichtung“ sowie 189 Personen ohne Hochschulabschluss an exportkontrollrechtlichen Fragestellungen. Hinzu kommt, dass die BAFA-Beamten die Überwachung der Endverbleibserklärungen neben der Prüfung von Ausfuhranträgen bewerkstelligen sollen, erhärten sich die Zweifel daran, dass das BAFA genügend Ressourcen für die Überwachung der Endverbleibserklärungen hat. Überwachung bedeutet laut Bundesregierung und BAFA: Betriebsprüfungen bei den exportierenden Unternehmen und Prüfung möglicher Erkenntnisse von Geheimdiensten oder Informationen der Regierung des belieferten Landes – die Kontrolle findet also in erster Linie von Deutschland aus statt.
Besser funktioniert das Programm „Blue Lantern“ des US-Militärs. Militär, Botschaften und Geheimdiensten überwachen für die USA seit 1990, ob exportierte Waffen nicht illegal weiter verbreitet werden. Mathias John, Rüstungsexperte von Amnesty Deutschland, sieht diese Möglichkeit auch für Deutschland. Die Militärattachés der Botschaften könnten die Aufgabe übernehmen. Stattdessen werde jedoch immer wieder darauf verwiesen, dass man das Vertrauensverhältnis durch solche Überwachungen mit den Handelspartnern stören würde.
Das BAFA arbeitet daher bei den Endverbleibserklärungen weiterhin mit dem bisherigen unzureichenden Überwachungssystem und stuft die Vorfälle der letzten Jahre als wenige Einzelfälle ein. Ob beispielsweise Heckler & Koch trotz Verstößen gegen die Endverbleibserklärungen in Mexiko weiterhin in andere Länder exportieren darf, wird vom BAFA mit dem Verweis auf laufende Ermittlungen nicht beantwortet.

Relevanz:
Deutschland ist laut dem Stockholm Internationale Peace Research Institut (SIPRI) der drittgrößte Waffenexporteur. Ein Wirtschaftsbereich, in dem Deutschland offenbar noch mehr Wachstumspotenzial sieht, denn es finden immer wieder deutsche Rüstungsdeals auch mit Staaten wie Saudi-Arabien statt – mit Exportgenehmigung und von den entsprechenden Ämter durchgeführten Prüfungen. Die Entscheidungen über Waffenexporte werden in geheimen Sitzungen des Bundessicherheitsrates gefällt, vom Parlament kontrolliert und diskutiert werden die Entscheidungen nicht. Informiert wird nachträglich im Rüstungsexportbericht, die Waffen sind dann bereits exportiert. Illegale Exporte von deutschen Waffen nach Libyen, Georgien und Mexiko sind ganz offensichtlich die Folge dieser Politik. Ohne Transparenz und Kontrolle beim Waffenexport ist es nur eine Frage der Zeit, bis mit deutschen Waffen Menschen in Syrien und anderen Staaten getötet werden – unabhängig davon, ob sich die deutsche Bevölkerung, vertreten durch das Parlament, ausdrücklich gegen eine militärische Beteiligung Deutschlands ausgesprochen hat.

Vernachlässigung:
Die Datenbank Genios findet für die Stichworte „Waffen“ und „Ausfuhr“ über hundert Treffer im deutschsprachigen Raum für den Zeitraum von einem Jahr. Mit dem konkreten Thema „Endverbleibserklärungen“ haben sich nur wenigen Medienberichte auseinandergesetzt. Einer davon war ein Artikel von Hauke Friedrichs in der Wochenzeitung Die Zeit. Grund für die Vernachlässigung ist laut Friedrichs die Intransparenz im gesamten Themengebiet wie beispielsweise auch beim Rüstungsexportbericht, der mit mindestens einem Jahr Verzögerung veröffentlicht wird. Außerdem würden Recherchen in diesem Bereich von den Medien ungenügend bezahlt, so dass diese nur über Recherchestipendien überhaupt zu finanzieren seien, so Friedrichs.

Quellen:

Hauke Friedrichs, „Optimal im Nahkampf“, 09.02.2012, DIE ZEIT, Seite 28,http://www.zeit.de/2012/07/Ruestungsfirma-Heckler-Koch ,zuletzt geöffnet am 1.07.2013;

Bundesregierung, „Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken im Bundestag, Drucksache 17/4383“, 07.01.2011, http://www.jan-van-aken.de/files/kleine_anfrage_r__stungsexportbericht_2009.pdf, zuletzt geöffnet am 2.7.2013

Neben den relevanten Gesetzen im Kontext von Waffenexporten wird hier auch die Überbelastung des BAFAs indirekt dargestellt;

Bundesregierung, „Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken im Bundestag, Drucksache 17/6432“, 05.07.2011

http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/064/1706432.pdf ,zuletzt geöffnet am 1.07.2013,

In Reaktion auf die mutmaßlichen illegalen Lieferungen nach Mexiko hat die Bundesregierung die Bearbeitung von Exportanträgen für die Heckler & Koch GmbH für Lieferungen nach Mexiko ausgesetzt. Alle Exportanträge des Unternehmens für andere Länder bleiben jedoch davon unberührt;

Hauke Friederichs, freier Journalist für DIE ZEIT, Gespräch am 21.11.2012;

Mathias John, Rüstungsexperte für Amnesty, Gespräch am 23.11.2012;

Volker Anders, Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle-Pressestelle, E-Mail-Wechsel am 28.11.2012

Konstantin von Hammerstein, Ralf Neukirch, Gordon Repinski, Holger Stark, Gerald Traufetter, Klaus Wiegrefe, „Die Merkel-Doktrin“ 03.12.2012, SPIEGEL, Seite 22 http://magazin.spiegel.de/reader/index_SP.html#j=2012&h=49&a=89932536 ,zuletzt geöffnet am 1.07.2013;

Katja Keul, MdB Bündnis 90/Grüne, E-Mail-Wechsel am 09.01.2013;

Departement of State zu „Blue Lantern 2011″, http://pmddtc.state.gov/reports/documents/End_Use_FY2011.pdf ,zuletzt geöffnet am 1.07.2013;

Kommentare:

Mathias John, Waffenexport-Experte für Amnesty International:
„Vielleicht ist das Thema einfach zu komplex, um länger medial interessant zu sein. Meistens sind nur einzelne Skandale wie die exportierten Leopard-Panzer von Belang. Das Know-how für eine bessere Überwachung des Endverbleibs von Waffenexporten, das haben die Militärattachés und die Bundeswehr. Es besteht nur einfach kein Interesse daran.”

Katja Keul, MdB Bündnis 90/Grüne, Sprecherin für Rüstungspolitik:
„Das Problem ist, dass eine tatsächliche Kontrolle vor Ort nicht stattfindet. Bei der Exportentscheidung wird sich auf die einfache Erklärung des Exporteurs verlassen. Der garantiert schriftlich, dass die Waffe vom Bestimmungsland aus nicht weiter ausgeführt werden wird. Weder der Staat in den geliefert wird, noch das Unternehmen das die Waffen verkauft haben weitergehende Kontroll- oder Meldepflichten. Das reicht nicht. Wir müssen Wege finden eine aktive Kontrolle zu ermöglichen.“

Hauke Friedrichs, freier Journalist:
„Die Recherchen sind schwierig, weil extreme Intransparenz bei allen Beteiligten herrscht, seien es die geheimen Tagungen des Bundessicherheitsrates, die restriktive Informationspolitik des BAFAs oder die extremen Vorkehrungen gegenüber der Presse seitens der Rüstungsfirmen.“