2008: Top 3

Kuperbelastung der Umwelt durch ersetzbare Bremsbeläge

Bremsbeläge von Kraftfahrzeugen verursachen laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts zu hohe Kupferkonzentrationen in deutschen Gewässern und Böden. Von dem Schwermetall gelangt mehr in Gewässer, als die Zielvorgaben der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erlauben. Auch Böden sind betroffen. Die Werte für Kupfer wurden 2005 an 60 Prozent der Messstellen überschritten. Den größten Teil der Einträge macht der Abrieb von Bremsbelägen aus. Das ist vermeidbar: Längst sind kupferfreie Bremsbeläge auf dem Markt, die wegen eines etwas höheren Preises nicht verwendet werden. Da das Thema überhaupt nicht medial präsent ist, kann von keiner gesellschaftlichen Gruppe auf die Gefahr hingewiesen werden. Auch die Alternativen sind der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Sachverhalt & Richtigkeit

Laut einer Studie des Fraunhofer-Institut wurden 2005 die Werte für Kupfer an 60 Prozent der Messstellen überschritten – sowohl in Gewässern als auch in Böden. Die Zielvorgaben wurden von der Bund-/Land-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) festgelegt und dienen der Gesunderhaltung von Mensch und Umwelt. Der größte Teil des Kupfers stammt der Studie zufolge aus den Bremsbelägen von Kraftfahrzeugen. Die Dosierungen im Wasser erreichen nicht so hohe Werte, dass sie für die Gesundheit des Menschen direkt gefährlich sind. Jedoch tötet das Kupfer im Wasser kleinste Organismen ab, die Teil des Ökosystems Wasser sind und somit auch ein Teil der Nahrungskette. Laut Thomas Hillenbrand vom Fraunhofer-Institut vernichtet das Kupfer kleine Wasserorganismen wie Wasserflöhe – laut Biologen ein Eingriff ins Nahrungsnetz. Ihr Wegfallen verändert die Abläufe im Ökosystem Wasser, was in jedem Fall Folgen irgendeiner Art für die Umwelt hat. Welche der zahlreichen Wasserorganismen genau betroffen seien können, wissen auch die befragten Experten nicht. Ebenso wenig können sie eine auf Fakten basierende Einschätzung der Folgen leisten – denn das Thema wurde und wird auch wissenschaftlich zurzeit nicht weiter bearbeitet. Sicher scheint, dass die Folgen und insbesondere die Spätfolgen nicht absehbar sind. Fakt ist auch, dass diese Folgen vermeidbar wären. Denn es werden bereits kupferfreie Bremsbeläge hergestellt, aber aufgrund des etwas höheren Preises noch nicht in der Massenproduktion eingesetzt.

Relevanz

Das Thema ist relevant, weil negative Folgen für die Umwelt wahrscheinlich sind. Dadurch ist auch die menschliche Gesundheit betroffen. Möglicherweise wird sie langfristig auch direkt von den zu hohen Kupferwerten beeinträchtigt. Diese Gefahren können vermieden werden, indem kupferfreie Bremsbeläge eingesetzt werden. Da das Thema medial überhaupt nicht präsent ist, kann dies von keiner gesellschaftlichen oder parlamentarischen Gruppe eingefordert werden. Denn weder die Gefahren noch die Alternativen sind der Öffentlichkeit bekannt.

Vernachlässigung

Über die Belastung der Gewässer durch Kupfer und andere Schwermetalle ist im Zusammenhang mit der Studie des Fraunhofer-Instituts berichtet worden, allerdings kaum darüber hinaus und auch nur unmittelbar nach Erscheinen der Studie. Sehr wohl berichtet wird über die Kupferbelastungen durch die Ökolandwirtschaft, die laut der Fraunhofer-Studie von 2005 jedoch niedriger sind als die durch Bremsbeläge.

Laut Prof. Michael Spiteller vom Institut für Umweltforschung der TU Dortmund verursacht hingegen der Einsatz von Kupfer als Fungizid im Biolandbau deutlich höhere Belastungswerte. Die unterschiedlichen Aussagen könnten darauf hindeuten, dass sich die Belastungen in den letzten drei Jahren stark verschoben haben.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Prioritäten in der Berichterstattung falsch gesetzt wurden. Die Kupferbelastung durch Bremsbeläge wird höchstens mit einem Satz erwähnt. Dass längst kupferfreie Bremsbeläge auf dem Markt sind und sich die Belastungen also komplett vermeiden ließen, wird in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt. Eine Berichterstattung, die sich auf die Bremsbeläge konzentriert und diese zum Kern des Beitrags macht, hat es nicht gegeben.

___________________________________________________________________________________

Quellen

Thomas Hillenbrand: „Einträge von Kupfer, Zink und Blei in Gewässer und Böden – Analyse der Emissionspfade und möglicher Emissionsminderungs-Maßnahmen“, 2005

Thomas Hillenbrand, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Verfasser der obigen Studie, Gespräch am 8.11.2008

Joachim Elsner, Biologe an der TU Dortmund, Gespräch am 14.11.2008

Prof. Michael Spiteller, Institut für Umweltforschung der TU Dortmund, Gespräch am 1.12.2008

Wolfgang Hassenstein, Redakteur beim Greenpeace Magazin, Gespräch am 24.11.2008

M. Wenzel: „Dreckschleuder Verkehr; Auf Straßen wird mehr Schwermetall ausgestoßen als in der Industrie“. Frankfurter Rundschau, 15.2.2007:

Kurze Zusammenfassung der Studie mit Verweis auf „sinnvolle Alternativen“ zu den schwermetallhaltigen Stoffen, ohne Erwähnung der kupferfreien Bremsbeläge.

Bernd Müller: „Schwermetalle aus Bremsbelägen belasten Gewässer“. 14.2.2007:

verkürzte, aber umfassende Widergabe der Inhalte der Fraunhofer-Studie.

Claudia Hönck: „Kupfer satt“. Greenpeace Magazin 4/08:

Berichterstattung über die Kupferbelastungen durch den Biolandbau, keine Erwähnung der Belastungen durch Bremsbeläge.

Kommentare

Thomas Hillenbrand, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung:

„Im Falle des Kupfers resultiert mit 99,5 Prozent nahezu die gesamte Emission aus dem Abrieb von Bremsbelägen. Dieser Bereich hat auch für die Einträge in die Böden die größte Bedeutung, danach folgen hier die Bereiche Pflanzenschutzmittel, Trinkwasserverteilung und Oberleitungen.“


Anmerkung

Weitere Experten und Redakteure wurden auf das Thema und seine Relevanz beziehungsweise. Vernachlässigung angesprochen. Jedoch wussten viele nichts darüber und wollten dazu auch nicht direkt zitiert werden. Das kann als weiteres Zeichen für eine Vernachlässigung gewertet werden.