Top-Themen 2008

1. Zu viele Straftäter in der Psychiatrie
Immer mehr Straftäter müssen ihre Strafe in der Psychiatrie verbüßen. Das liegt nicht an einem Anstieg psychisch kranker Angeklagter, sondern an einer veränderten Spruchpraxis der Richter. Entsprechend steigt die Zahl zweifelhafter Einweisungen. Gleichzeitig sind die Hürden für die Entlassung aus dem so genannten Maßregelvollzug gesetzlich erhöht worden – was nach spektakulären Einzelfällen auch medial eingefordert wurde. Die Verurteilten kommen somit schnell in die Forensik hinein und schwer wieder heraus. Für diese veränderte Gefangenenunterbringung zahlt der Staat rund 700 Millionen Euro zusätzlich. Über diese Entwicklung zu berichten bedeutet, Täter auch als Opfer darzustellen. Davor scheuen sich deutsche Medien offenbar. Mehr…

2. Pharmaindustrie unterwandert Patienten-Blogs
In Blogs und Foren von Patientenorganisationen wirbt die Pharmaindustrie verdeckt für ihre Produkte. PR-Mitarbeiter melden sich dort als Betroffene an und berichten von ihren guten Erfahrungen mit den Medikamenten ihrer Auftraggeber. Für echte Patienten ist dies nicht transparent. Obwohl das Sponsoring von Selbsthilfegruppen vor einigen Jahren Medienthema war, wird diese neue Dimension von schmutzigem Marketing nicht thematisiert. Mehr…

3. Kupferbelastung der Umwelt durch ersetzbare Bremsbeläge

Bremsbeläge von Kraftfahrzeugen verursachen laut einer Studie des Frauenhofer-Instituts zu hohe Kupferkonzentrationen in deutschen Gewässern und Böden. Von dem Schwermetall gelangt mehr in Gewässer, als die Zielvorgaben der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erlauben. Auch Böden sind betroffen. Die Werte für Kupfer wurden 2005 an 60 Prozent der Messstellen überschritten. Den größten Teil der Einträge macht der Abrieb von Bremsbelägen aus. Das ist vermeidbar: Längst sind kupferfreie Bremsbeläge auf dem Markt, die wegen eines etwas höheren Preises nicht verwendet werden. Da das Thema überhaupt nicht medial präsent ist, kann von keiner gesellschaftlichen Gruppe auf die Gefahr hingewiesen werden. Auch die Alternativen sind der Öffentlichkeit nicht bekannt. Mehr…

4. Gefährlichkeit starker Psychopharmaka
Neuroleptika, die zur Behandlung von Psychosen eingesetzt werden, haben starke Nebenwirkungen. Einige Forscher gehen davon aus, dass sie das Leben um mehrere Jahre verkürzen können. Trotzdem verordnen Ärzte diese Medikamente standardmäßig, um schwere Störungen zu behandeln, wenn diese etwa mit einer Selbstmordgefahr verbunden sind. In Deutschland nehmen schätzungsweise mehr als eine halbe Million Menschen Neuroleptika ein. Dennoch ist in der Öffentlichkeit wenig über die möglichen Folgen bekannt. Mehr…

5. SED-Vermögen: Immer noch in Liechtenstein und anderswo versteckt?
Umgerechnet 255 Millionen Euro aus dem Vermögen der früheren DDR-Außenhandelsfirma „Novum“ wurden im Jahr 2003 der BRD zugesprochen. Sechs Jahre später ist der Öffentlichkeit immer noch nicht bekannt, wie viel von diesem Geld die Bundesrepublik erhalten hat und wofür es gegebenenfalls verwendet wurde. Teilsummen werden weiter auf ausländischen Konten, etwa in Liechtenstein und der Schweiz vermutet. Es fehlen journalistische Berichte, die sich mit der Umsetzung des Gerichtsurteils befassen. Verschleierungsbemühungen aus der Wendezeit bleiben so bis heute erfolgreich. Mehr…

6. Gefahren durch Uran-Munition in Kriegsgebieten
In den Kriegen im Irak, auf dem Balkan und in Afghanistan wurden mehrere tausend Tonnen Uran-Munition eingesetzt. Missbildungen bei Kindern, Leukämie und andere schwere Krankheiten gelten als mögliche Langzeitfolgen. Eine Veröffentlichung der deutschen Bundesregierung, an der auch renommierte Journalisten mitwirkten, erklärte die Munition jedoch für ungefährlich und bremste damit die Debatte weitgehend aus. Obwohl die Diskussion etwa auf Ebene der UNO unvermindert weitergeht, ist sie in den deutschen Medien kein Thema mehr. Mehr…

7. Pauschale Berichterstattung über Entwicklungsländer
Deutsche Medien berichten undifferenziert über Entwicklungsländer, wodurch häufig ein falsches Bild entsteht. Ein Beispiel dafür ist die Berichterstattung über HIV-Infektionen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in denen die Krankheitsraten sehr unterschiedlich sind. Selten wird jedoch so differenziert berichtet. Stattdessen werden allgemeine Aussagen über Aids in „Schwarzafrika“ gemacht. Dabei könnte eine hintergründige Berichterstattung Lösungsstrategien für Länder mit tatsächlich hohen Infektionsraten aufzeigen. Mehr…

8. Idealisiertes Mutterbild statt Berichterstattung über postnatale Depression
Über Mutterliebe wird in den Medien meist idealisierend zum Muttertag berichtet. Dass aber 15 Prozent aller Mütter an sogenannten postnatalen Depressionen leiden, bleibt weithin unbekannt. Trotz der Häufigkeit der Erkrankung gibt es in der Öffentlichkeit wenig Verständnis für Frauen, die nicht dem medial vermittelten Ideal der bedingungslosen Mutterliebe entsprechen. Diese Mütter schämen sich daher, sich und anderen ihre psychische Verfassung einzugestehen. Deswegen und auch weil die weite Verbreitung der postnatalen Depression in der Öffentlichkeit wenig diskutiert wird, bleiben zwei Drittel aller Fälle unerkannt und ohne Therapie. Mehr…

9. Undifferenzierte Berichterstattung über Migranten
Migranten sind in der deutschen Berichterstattung nicht mehr generell unterrepräsentiert, aber sie werden immer noch häufig in stereotyper und zumeist negativer Weise dargestellt. Dadurch können sich rassistische Vorurteile verfestigen. Differenziertere Beiträge über die vielfältigen Rollen, die Migranten in der deutschen Gesellschaft einnehmen, sind Mangelware. Immerhin jeder fünfte Einwohner der Bundesrepublik hat einen Migrationshintergrund. Mehr…

10. Menschenunwürdiger Umgang mit Totalverweigerern in der Bundeswehr
Wer den Kriegsdienst in der Bundeswehr total verweigert, muss mit drakonischen Disziplinar- und Freiheitsstrafen rechnen. Der Wehrpflichtige Matthias Schirmer aus Mecklenburg-Vorpommern wurde für seine Totalverweigerung 2008 mit 33 Tagen Einzelhaft bestraft und weiteren Schikanen ausgesetzt. Laut Bundeswehrgesetz können solche Vorgänge rechtmäßig sein. Über den Fall wurde nur vereinzelt in Lokalmedien berichtet. Was sich in den Kasernen abspielt und was überhaupt Bundeswehrrecht ist, wird kaum öffentlich thematisiert. Mehr…