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Agrarsubventionen: EU verhindert rechtzeitige öffentliche Debatte

Obwohl im Herbst letzten Jahres die Offenlegung aller Informationen über EU-Agrarsubventionen auf europäischer Ebene für 2007 beschlossen wurde, werden sie der deutschen Öffentlichkeit weiterhin vorenthalten. Von den Medien weitgehend unbemerkt, hat die EU auf Druck einiger Mitgliedsstaaten die Pflicht zur Veröffentlichung der Agrarbeihilfen mittlerweile auf das Jahr 2009 verschoben, obwohl 2008 eine Neuverhandlung des EU-Haushalts und der Agrarsubventionen geplant ist. Offenbar möchte man verhindern, dass Informationen bereits vor der Neuaushandlung des EU-Agrarhaushalts ans Licht kommen.


Sachverhalt & Richtigkeit

Derzeit verweigern in Deutschland Bund und Länder die Offenlegung von Informationen über die Agrarsubventionen, obwohl die Bundesrepublik nach Frankreich und Spanien drittgrößter Empfänger von EU-Agrarsubventionen ist.

In vielen anderen europäischen Ländern ist die Offenlegung dieser Informationen bereits Praxis. In den letzten Monaten und Jahren hat die öffentliche Bekanntgabe der konkreten Zahlungen in mehreren EU-Ländern dazu geführt, dass die Verteilung aber auch die Sinnhaftigkeit der Kriterien der EU-Prämien stark diskutiert wird.

Die Europäische Union subventionierte die Landwirtschaft nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im Jahr 2006 mit ca. 51 Milliarden Euro und steckt damit knapp die Hälfte (45,5%) ihres Budgets in den Agrarsektor. Allein Deutschland, einer der größten Nettobeitragszahler der EU, steuert pro Jahr ein Anteil von etwa 9,3 Milliarden Euro der gigantischen EU-Subventionen für die Agrarindustrie bei.

Der EU-Agrarhaushalt nimmt also den größten Posten im EU-Haushalt ein, der für 2007 bei einer Größenordnung von 127 Milliarden Euro liegt. Der überwiegende Teil der Gelder ist allerdings keineswegs an wirksame soziale und ökologische Kriterien gekoppelt und darüber hinaus im höchsten Maße ungerecht verteilt.

So erhalten, aktuellen Zahlen zufolge, in Deutschland 0,5 Prozent der Betriebe mehr als 300.000 Euro Agrarsubventionen, während 70 Prozent der Betriebe mit weniger als 10.000 Euro auskommen. Einige rationalisierte, flächenstarke Betriebe kommen somit auf Prämienzahlungen von bis zu 120.000 Euro je Arbeitskraft, während der Durchschnitt der Betriebe weniger als ein Zehntel davon je Arbeitskraft erhält.

In jüngster Zeit sind in Deutschland und auf europäischer Ebene wichtige Entscheidungen bezüglich der Offenlegung von Informationen zu EU-Subventionsempfängern gefallen. Nach anfänglichem heftigem Widerstand gegen die Offenlegung haben sich EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten nun doch zu einem Kompromiss durchringen können, indem man sich auf die namentliche Nennung aller Empfänger von EU-Geldern einigte. In der auf europäischer Ebene beschlossenen Durchführungsverordnung wurde festgelegt, dass die Mitgliedstaaten ab 2007 den Namen des Empfängers, die Summe der öffentlichen Gelder sowie die entsprechende Maßnahme veröffentlichen müssen.

Nun soll aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen gemäß Artikel 181 (4) der EU-Haushaltsordnung die Veröffentlichung der Zahlungen im Rahmen des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft insbesondere durch Drängen Frankreichs auf das Jahr 2009 verschoben werden.

Diese Vorgehensweise scheint ein taktisches Spiel auf Zeit zu sein, da die Offenlegung der Agrarsubventionen auf einen Zeitpunkt nach der Neuaushandlung des EU-Haushalts verschoben wird, der für 2008 geplant ist. Die am heftigsten kritisierten Subventionen sollen also erst nach der Überprüfung des EU-Haushaltes veröffentlicht werden.

Diese Vorgehensweise der Regierungen verhindert eine Revision der Förderpolitik im Hinblick auf Verteilungsgerechtigkeit, auf gesellschaftliche Ziele wie Tier-, Umwelt- und Klimaschutz, Stärkung des ländlichen Raums sowie Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Damit würde die Gleichbehandlung aller EU-Fördermittel torpediert. Es gibt keine sachlich fundierten Begründungen, die diese Verschiebung der Offenlegung der EU-Fördermittel rechtfertigen würden. Augenscheinlich möchte man verhindern, dass zu viele Informationen bereits vor der Neuaushandlung des EU-Agrarhaushalts ans Licht kommen. Hinzu kommt, dass im Vorfeld der Verabschiedung der EU-Haushaltsordnung erneut Schwellenwerte diskutiert werden.

Für Deutschland würde dies heißen, dass ca. 85% der landwirtschaftlichen Betriebe von der Offenlegung ausgespart blieben. Die Schwellenwerte würden die versprochenen Bemühungen zur Verbesserung der Transparenz aushöhlen, dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen und einer Neiddebatte Vorschub leisten, indem nur die größten Subventionsempfänger von einer Offenlegung betroffen wären.

Die Überprüfung der Subventionen verbleibt damit in den Händen der Kommission und den Behörden wodurch eine kritische Prüfung der Zahlungen somit der deutschen Öffentlichkeit weiterhin verwehrt bleibt.

Relevanz

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Empfänger von EU-Agrarsubventionen ist nicht nur aus Gründen einer möglichst schnellen Verbesserung der Transparenz von Bedeutung, sondern auch von umfassenderer gesellschaftspolitischer Relevanz.

Bereits 2005 wurde in einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf den Missstand hingewiesen, dass die zu diesem Zeitpunkt reformierte Agrarstützung weiterhin die reicheren Bauern mit dem meisten Landanteil finanziell bevorteilt. Nur ein minimaler Teil der gesamten Agrarstützung ist darauf ausgerichtet sozial gerechte, ökologisch verträgliche und tiergerechte Landwirtschaft zu honorieren.

Jeder Bürger subventioniert die Landwirtschaft durch Steuern und erhöhte Preise für Lebensmittel. Von diesem Geld allerdings wird nur ein geringer Anteil von ca. 2% für Agrarumweltprogramme ausgegeben, die explizit darauf ausgerichtet sind, eine umweltverträgliche Produktion zu fördern.

Darüber hinaus wird der Verbraucher in vielen Fällen sogar doppelt zur Kasse gebeten, – beispielsweise in Form von höheren Wasserpreisen aufgrund der kostspieligen Aufbereitung des durch Nitrate stark belasteten Trinkwassers durch extensive Landwirtschaft.

Im internationalen Handel verstärken Agrarsubventionen den Dumpingeffekt zulasten der so genannten Entwicklungsländer, was in den schlimmsten Fällen dazu führt, dass die Lebens- und Ernährungsgrundlagen von Kleinbauern gefährdet oder gar zerstört werden.

Vertreter einer bäuerlichen Landwirtschaft kritisieren, dass die Subventionen genau diejenigen benachteiligen, die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft erhalten oder neue schaffen.

Für eine grundlegende inhaltliche Debatte über die spezifischen Förderziele der europäischen Agrarpolitik ist es also aus vielfältigen Gründen unerlässlich, vor der Überprüfung des EU-Haushaltes 2008 auf diese Thematik aufmerksam zu machen, und gegen die Verschleierungstaktiken der Regierungen anzugehen.