2005: Top 1

Korruptionsbekämpfung durch die UNO – Deutschland ist nicht dabei

Ecuador hat es geschafft, Uganda und Peru auch. Nur Deutschland war nicht dabei, als die UN-Konvention gegen Korruption am 14. Dezember 2005 in Kraft trat. Sie verbietet Politikern jegliche Annahme von Präsenten und Annehmlichkeiten und macht eine schärfere strafrechtliche Verfolgung möglich. Vorteilsnahme wird bei deutschen Bundestagsabgeordneten bislang nur dann strafrechtlich verfolgt, wenn der Verkauf einer Stimme bei einer Abstimmung nachgewiesen werden kann. Nach Ansicht von Korruptionsbekämpfern könnte mit einer Umsetzung der Konvention der zentrale Schwachpunkt in den deutschen Anti-Korruptions-Bestimmungen beseitigt werden.

Sachverhalt & Richtigkeit

In der vergangenen Legislaturperiode hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries erste Versuche unternommen, die UN-Konvention gegen Korruption in nationales Recht umzuwandeln.

Nach Angaben der zuständigen Referentin im Ministerium seien diese Überlegungen aufgegeben worden, nachdem „Gespräche im vorparlamentarischen Raum“ ergeben hätten, dass sich keine Mehrheit im Bundestag finden lasse. In der neuen Legislaturperiode wolle das Ministerium jedoch einen weiteren Anlauf zur Ratifizierung unternehmen.

Gleiches wird auch von der SPD-Fraktion bekräftigt. Die am 31. Oktober 2003 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene Konvention ist das Resultat zweijähriger Verhandlungen, an denen sich Deutschland aktiv beteiligt hat. Nachdem Ecuador als 30. Staat die Konvention ratifiziert hatte, trat sie Mitte Dezember 2005 in Kraft – allerdings ohne Deutschland.

Relevanz

Deutschland – und das ist seit Jahren bekannt – ist keineswegs weltweiter Spitzenreiter im Kampf gegen Korruption. Der Korruptionsindex von Transparency International 2004 liegt in dieser Disziplin auf Platz 15 – und damit unter dem Durchschnitt der EU-Staaten. Auch die laschen strafrechtlichen Regelungen im Fall von Abgeordnetenbestechung sind kein Geheimnis.

Die Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption wäre eine Möglichkeit, diese Missstände zu korrigieren. Dass der Deutsche Bundestag dies nicht tut und die Vorgaben der UNO ignoriert, ist eine Berichterstattung wert – zumal deutsche Parlamentarier regelmäßig mit dem Finger auf Staaten zeigen, die andere UNO-Bestimmungen wie das Kyoto-Protokoll nicht ratifizieren.

Vernachlässigung

Das ARD-Magazin Kontraste berichtete am 26. Juni 2003 in einem längeren Beitrag über die Problematik. Im Januar 2005 thematisierte das ARD-Magazin „Monitor“ anhand der Nebenverdienst-Debatte bei Politikern die mangelnde Transparenz und Kontrolle bei politischen Mandaten. Im Zuge dessen wurde auch die UN-Konvention erwähnt. Damals musste man allerdings noch davon ausgehen, dass Deutschland bis zum Ende des Jahres ratifiziert. Als dies im Dezember 2005 nicht geschah, berichtete darüber kein einziges Medium.

Auch ansonsten findet das Thema – trotz aktiver Öffentlichkeitsarbeit von Transparency International – medial kaum Beachtung. Nach der Unterzeichnung durch Ecuador am Rande des UNO-Gipfels am 15.9.2005 berichteten zwar sämtliche Nachrichtenagenturen, jedoch nur mit einer kurzen Meldung ohne Verweis auf Deutschland. In der Presse ging die Unterzeichnung in der allgemeinen Berichterstattung über den Gipfel unter. Anlässlich des Inkrafttretens der Konvention berichteten lediglich die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Frankfurter Rundschau. Die FAZ widmete der Konvention auf Seite 23 in der Rubrik „Recht und Steuern“ ein Erklärstück eines Fachanwalts. Schwerpunkt sind hier jedoch nicht die Auswirkungen auf Mandatsträger, sondern die Bestimmungen zu Korruption in der freien Wirtschaft. Mehr Aufmerksamkeit erhält das Thema lediglich in der FR: Die Zeitung beschäftigt sich in einem Kommentar sogar explizit damit.

Ein zwei Jahre alter Fernsehbeitrag und die angemessene Behandlung in einer überregionalen Tageszeitung widersprechen allerdings nicht der These, dass das Thema vernachlässigt ist.

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Quellen

United Nations Convention against Corruption

URL: http://www.unodc.org/unodc/en/crime_convention_corruption.html

Christine Skowronowski: „Korruption nimmt zu“, FR vom 9.12.2005

Christine Skowronowski: „Fatal“, FR vom 9.12.2005

Olaf Jahn / Susanne Opalka: Beitrag für das Magazin Kontraste, 26. Juni 2003.

www.rbbonline.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_1167957.html

Heiner Hugger: „Vorsorge ist vorgeschrieben“, FAZ vom 14.12.2005

Gespräch mit Anke Martiny, Vorstand von Transparency International, geführt am 15.11.2005. „Dass Deutschland die Konvention nicht unterschreibt, ist ein Armutszeugnis.“

Gespräch mit Dr. Werner Rügemer, Korruptionsforscher, Autor und Lehrbeauftragter an der Universität Köln, Vorstandsvorsitzender des Vereins Business Crime Control. Geführt am 24.11.2005. „Der Schwachpunkt in den deutschen Regelungen zur Korruptionsbekämpfung sind die fehlenden strafrechtlichen Konsequenzen bei Abgeordnetenbestechung. Die Konvention bietet einen guten Anlass, um hier nachzubessern.“

Gespräch mit Katrin Brahms, zuständige Referentin im Bundesjustizministerium (BMJ). Geführt am 24.11.2005. „Das Bundesjustizministerium hat sich in der vergangenen Legislaturperiode dafür eingesetzt, die Konvention in deutsches Recht umzusetzen. Gespräche im vorparlamentarischen Raum haben aber gezeigt, dass es dafür keine Mehrheit gab.“

Schriftliche Anfragen an die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD. Antwort der SPD-Fraktion eingegangen am 25.11.2005 („wollen noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzesentwurf einbringen“), keine Antwort von CDU/CSU.

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Kommentar

Prof. Herbert von Arnim, Verwaltungsrechtler, im Magazin „Monitor“ vom Januar 2005:

„Diese Konvention ist nach einigem Zögern auch von Deutschland unterschrieben worden und steht jetzt vor der Ratifikation, aber auch da gibt es offenbar Widerstände, weil die Abgeordneten fürchten, dass sie dann wirklich wirksame Vorschriften gegen Abgeordnetenkorruption treffen wollen, und deswegen haben sie Hemmungen, die Konvention zu ratifizieren.“