Top-Themen 2003

1. Korruption: Deutsche Unternehmen schmieren im Ausland
Deutsche Unternehmen bestechen Auftraggeber im Ausland. So berichtete etwa die ghanaische Zeitung „Accra Mail“, dass Daimler-Chrysler Offiziere der ghanaischen Streitkräfte bestochen habe. In der Folge tauschte die ghanaische Regierung nicht nur den militärischen Kontaktpartner zu Daimler-Chrysler, sondern auch die gesamte Militärführung aus. Deutschland steht auf Platz 16 des Korruptionswahrnehmungs-Index von Transparency International. Die OECD fordert von Deutschland, wirksamer gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger durch deutsche Firmen vorzugehen. Noch immer gibt es kein bundesweites Zentralregister auffälliger Unternehmen und keine rechtliche Absicherung von Informanten. Mehr…

2. Europa entscheidet – Machtverschiebung nach Brüssel

Mehr als die Hälfte der Gesetzgebung in deutschen Parlamenten wird inzwischen auf EU-Ebene vorbestimmt. Diese Entscheidungsstrukturen sind wenig transparent. Über sie – wie über europäische Themen generell – wird in den Medien zu wenig informiert: Nur 0,4 bis 3 Prozent der wichtigsten Fernsehnachrichten konzentrieren sich auf die Europäische Union; in den überregionalen Tageszeitungen liegt die Quote unwesentlich höher.

3. Mangelnde Hochwassersicherheit von Chemieanlagen

Deutsche Chemieanlagen sind Experten zufolge nur unzureichend gegen Hochwasser gesichert. Treten bei einer Überschwemmung Chemikalien aus, sind Mensch und Natur besonders gefährdet. Die bisher geltenden Standards stammen teilweise aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts und müssen dringend den gewandelten Klimabedingungen angepasst werden. Obwohl zum Thema Hochwasser viel berichtet wurde, ist auf die besondere Problematik bei Chemieanlagen nur unzureichend hingewiesen worden.

4. Greenwash: Unternehmen und ihr ökologischer Deckmantel
Große Unternehmen betreiben „grüne PR“, indem sie sich nach außen ökologisch und sozial geben. Dafür gründen sie imagefördernde Organisationen. Außerdem infiltrieren sie Aktivistengruppen, um Negativ-PR zuvorzukommen. Die tatsächliche Firmenpolitik entspricht aber dem Gegenteil des Umwelt-Images: Mit Lobby-Arbeit sorgen sie – wie das Beispiel des Energiekonzerns Exxon Mobil zeigt – dafür, dass klimaschützende politische Entscheidungen aufgeschoben oder verwässert werden.

5. Auslandsgeschäfte mit Giften und Pestiziden: die Doppelstandards der Industrie
Beim Geschäft mit Pestiziden wird mit zweierlei Maß gemessen: Die Industrie verdient mit giftigen Stoffen, die in Deutschland verboten sind, im Ausland auf legalem Weg viel Geld. Nach Schätzungen der WHO kommt es in Entwicklungsländern jedes Jahr zu 25 Millionen Vergiftungsfällen beim Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln. 20.000 davon enden tödlich.

6. Abgestufte UN-Resolutionen
Die Resolutionen der Vereinten Nationen ziehen unterschiedliche Konsequenzen nach sich. Resolutionen nach Kapitel VI der UN-Charta sehen eine friedliche Beilegung von Konflikten durch Verhandlungen vor. Resolutionen nach Kapitel VII der UN-Charta hingegen erlauben auch wirtschaftliche und militärische Sanktionen. In der Vergangenheit bezogen sich beispielsweise die Irak-Resolutionen meist auf Kapitel VII, während die Israel-Resolutionen auf Basis von Kapitel VI ausdrücklich keine Sanktionsmöglichkeiten vorsehen. Dieser wichtige Unterschied wird von den Medien in der Regel nicht erklärt.

7. Sozialhilfeempfänger: Unbekannte Chancen für Selbstständigkeit
Sozialhilfeempfänger können unter bestimmten Bedingungen von ihrer Kommune Darlehen zur Existenzgründung erhalten (Bundessozialhilfegesetz, §30). Angesichts des gegenwärtigen Sozialabbaus haben diese Hilfen beim Schritt in die Selbstständigkeit besondere Bedeutung. Die Medien informieren kaum darüber, während über neue politische Fördermaßnahmen für Arbeitslose (Ich-AG) intensiv berichtet wird.

8. Das verschwundene Stasi-Vermögen
Auch 14 Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR-Staatssicherheit ist der Verbleib des Stasi-Vermögens noch nicht geklärt. Die Spurensuche ist sehr schwierig, sie führt zum Beispiel ins ehemalige Jugoslawien. Das Interesse der Behörden hat jedoch nachgelassen. Die deutschen Medien berichten zwar über den Verbleib des SED-Vermögens, das Stasi-Vermögen wird jedoch vernachlässigt.

9. Leistungen für Asylbewerber weit unter Sozialhilfeniveau
Bei der Berichterstattung über Asylbewerber wird vernachlässigt, dass ihre Leistungen oft gekürzt werden und sie weit unter dem Sozialhilfeniveau leben müssen. So wurden etwa einer Familie 40 Prozent der Sozialleistungen abgezogen.

10. Fehlende Rechte von US-Besatzungskindern
Besatzungskinder aus deutsch-amerikanischen Verbindungen können Rechte, die sich aus der Verwandtschaft mit ihren Vätern ergeben, nicht durchsetzen. Grund: Es existiert kein diesbezügliches deutsch-amerikanisches Abkommen. Mit anderen ehemaligen Kriegsgegnern haben die USA hingegen entsprechende Vereinbarungen getroffen. Bislang haben die Medien nur über Einzelfälle berichtet, das rechtliche Vakuum aber nicht thematisiert.