2001: Top 10

Desinteresse an der Rüstungskontrolle

Im politischen Alltag spielt Abrüstung und Rüstungskontrolle faktisch keine Rolle mehr. Nur beim Erscheinen von Jahrbüchern und Exportberichten wenden sich die Medien der wieder weltweit wachsenden Aufrüstung zu.

Das Jahrzehnt der Abrüstung ist definitiv zu Ende. Wie die im Juni 2001 veröffentlichten Jahrbücher des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI und des Bonner Internationalen Konversionszentrums BICC zeigen, stehen die Zeichen wieder auf Aufrüstung.

Laut dem Jahresbericht des BICC betrugen die Ausgaben für Militär 1999 weltweit 686 Milliarden US-Dollar. Derzeit existieren mehr als 422.000 konventionelle Großwaffen. Über 21,7 Millionen Soldaten dienen in regulären Streitkräften, und fast acht Millionen Menschen sind in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Auch laut SIPRI stiegen die Militärausgaben seit 1998 um fünf Prozent und machten im vergangenen Jahr 2,5% der gesamten Weltproduktion aus. Während der Trend zu höheren Verteidigungsbudgets in den vergangenen Jahren nur bestimmte Regionen, wie z.B. Südostasien betraf, wachsen sie jetzt wieder auf breiter Front. An der Spitze stehen laut SIPRI die USA mit 37% der weltweiten Rüstungsausgaben. Die US-Rüstungspläne, insbesondere das umstrittene Raketenabwehrsystem NMD, setzen sowohl die europäischen Nato-Partner als auch Russland und China unter Druck, ihre Militärkapazitäten dem US-Niveau anzugleichen.

Nach Aussage von BICC-Direktor Wulf steckt die internationale Rüstungskontrolle in einer tiefen Krise. Dies liege zum einen an der zunehmenden politischen und militärischen Dominanz der USA, die immer weniger Interesse „an strategischer Stabilität durch bilaterale Rüstungskontrolle” habe. Zum anderen aber auch am veränderten Wesen moderner Konflikte. 90% aller Kriegsopfer sterben in Bürgerkriegen und inneren bewaffneten Konflikten. Hier sind „Kleinwaffen” am Werk, die aber in ihrer Wirkung zu „Massenvernichtungswaffen des modernen Krieges” werden, und deren Handel besonders schwer zu kontrollieren ist. Bei vielen dieser Waffen handelt es sich um überschüssige Ware, die seit dem Ende des Kalten Krieges durch die Großmächte billig in alle Welt exportiert wird. Dass diese Praxis noch heute üblich ist, zeigt die aktuelle Diskussion um den Katalog des Verteidigungsministeriums, mit dessen Hilfe Gebrauchtwaffen der Bundeswehr im Ausland angeboten werden sollten. Die Verbreitung dieses Kataloges an 53 Botschaften wurde jedoch von Außenminister Fischer gestoppt. Laut SIPRI liegen die USA im Durchschnitt der letzten fünf Jahre mit 47% des weltweiten Waffenhandels an der Spitze – vor Russland (15%), Frankreich (10%), Großbritannien (7%) und Deutschland (5%). 1999 lag Deutschland allerdings mit Verkäufen von rund 2,8 Milliarden Mark schon an dritter Stelle im Export-Ranking. Die meisten Waffen lieferte die Bundesrepublik an die Türkei, Taiwan und Saudi-Arabien. Nach dem neuesten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung haben sich die Exporte im vergangenen Jahr jedoch wieder auf 1,3 Milliarden Mark reduziert.

Eine breite Berichterstattung war begrenzt auf die Tage, an denen auf das jeweilige Erscheinen der Jahrbücher bzw. der Rüstungsexportberichte reagiert wurde. Das Thema als solches fand danach im Verhältnis zu seiner Wichtigkeit wenig Beachtung.