Top-Themen 1998

1. ISDN-Telefon als Wanze
Durch technische Manipulation von außen soll es möglich sein, die Freisprechfunktion von ISDN-Telefonen zu aktivieren. In diesem Fall könnte jede Unterhaltung im Umkreis eines solchen Gerätes belauscht werden. Die Medien haben die Bevölkerung bisher nicht ausreichend über dieses Problem informiert. Der technisch wahrscheinlich mögliche Lauschangriff auf ISDN-Telefone ist das wichtigste vernachlässigte Thema des Jahres 1998. Mehr…

2. Das Echelon-System
Der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) kann durch Anzapfen von Kommunikationssatelliten alle Telefongespräche, E-Mails und Fax-Sendungen in Europa überwachen. Es wird vermutet, dass die USA mit dem Überwachungssystem Echelon auch Wirtschaftsspionage betreiben. Die Berichterstattung in den Medien beschränkte sich bisher auf Technik- oder Medien-Rubriken. Da aber jeder Bürger betroffen ist, kann auf eine breitenwirksame Darstellung des die Grundrechte verletzenden Sachverhalts in den Medien nicht verzichtet werden.

3. Noch immer Atomwaffen in Deutschland
Auf den US-Luftwaffenstützpunkten in Rheinland-Pfalz sind immer noch strategische Atomwaffen stationiert. Selbst im nahen Umkreis ist die Bevölkerung kaum über die Existenz dieser Massenvernichtungswaffen informiert. Auch wenn eine journalistische Recherche aufgrund der militärischen Geheimhaltung schwierig ist, sollten die Medien die Bevölkerung über die Existenz der Atomwaffen und die damit verbundenen Risiken informieren.

4. Parteien und die Lobby-Arbeit der Tabakkonzerne
Tabakkonzerne stellen den Politikern bei Parteitagen gern Räumlichkeiten für Gespräche mit Journalisten zur Verfügung. Auch für das leibliche Wohl wird dabei gesorgt. Für eine solche Presselounge werden von den Zigarettenfirmen ungefähr 100.000 DM angelegt. Diese Art verdeckter Spende ist seit langem üblich, wird aber von den Journalisten selten zum Thema gemacht.

5. Noch keine Entschädigung für SS-Massaker in Griechenland
1944 wurden 219 Einwohner des griechischen Dorfes Distomo von der SS massakriert. Deutschland lehnt Entschädigungszahlungen ab, die den Angehörigen 1997 von einem griechischen Gericht zugestanden wurden. An aktuellen Meldungen über das Urteil war kein Mangel. Über die Bonner Ablehnung wurde dagegen kaum berichtet.

6. Misshandlung von Ausländern durch deutsche Polizisten
Amnesty International legt jährlich Berichte über Misshandlungen von Asylbewerbern durch die deutsche Polizei vor. Nach Angaben des Antifolter-Komitees der UNO wurden zahlreiche Ausländer in Abschiebehaft von Beamten misshandelt. Obwohl in einzelnen Skandalfällen intensiv berichtet wurde, mangelt es an einer kontinuierlichen Wahrnehmung der für die Behörden unangenehmen Thematik in den Medien.

7. Gesundheitlicher Verbraucherschutz und Patientenrechte
Auch Ärzte machen nicht immer alles richtig. Pro Jahr werden 400.000 Patienten durch Behandlungsfehler geschädigt. Es kommt zu mindestens 120.000 schweren Zwischenfällen durch Medikamente. Dennoch stellt ein Großteil der Bevölkerung die Autorität von Ärzten nicht in Frage. Eine vom Medizinjournalismus vernachlässigte Aufgabe ist die Aufklärung über gesundheitlichen Verbraucherschutz und Patientenrechte.

8. Internationale Atomtechnik für Indien und Pakistan
Die indischen und pakistanischen Atomtests vom Mai 1998 haben weltweit für Empörung gesorgt. Es gibt Hinweise, dass sie erst durch illegale internationale Technologie-Lieferungen, u. a. aus Deutschland, möglich geworden sind. Das recherchebedürftige Thema wurde in deutschen Publikumsmedien nicht behandelt.

9. Steuerschlupfloch Wilmington (USA)
Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Delaware zahlen keine Einkommenssteuer auf Gewinne, die außerhalb der USA erwirtschaftet werden. Nach „Report Baden-Baden“ unterhält sogar die staatliche „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ dort eine Briefkastenfirma, um die Zinsabschlagsteuer zu umgehen. Andere Steuerschlupflöcher wie Luxemburg und Liechtenstein wurden durch Staatsanwaltschaften aufgedeckt. Dagegen beschäftigt Wilmington, das Paradies für Steuerflüchtlinge, die Öffentlichkeit bisher wenig.

10. Geheimdienste verstrickt in Drogenhandel
Das Thema CIA und Drogen stand 1994 auf der Liste vernachlässigter Nachrichten des „Project Censored“. Der ehemalige Bundesforschungsminister Andreas von Bülow weist in seinem Buch „Im Namen des Staates“ darauf hin, dass auch der Bundesnachrichtendienst an Drogengeschäften beteiligt war. Diesem in Buchbesprechungen wiederholten Hinweis sind die Journalisten nicht weiter nachgegangen.