1997: Top 6

Das RAF-Phantom – Geheimdienstliche Terroranschläge unter dem Deckmantel der RAF?

Der sogenannten „Dritten Generation“ der RAF werden im Zeitraum von Dezember 1984 bis April 1991 elf Terroranschläge zugeschrieben. Die Echtheit der Bekennerbriefe der RAF, so Bundeskriminalamt (BKA) und Generalbundesanwaltschaft (GBA), sei über jeden Zweifel erhaben. Sie genügen dem Fahndungsapparat als ausreichendes Beweismittel zur Tatzuweisung. Ausführliche Recherchen des Autorenteams um den Journalisten Gerhard Wisnewski zeigen jedoch, daß die Beweiskraft der „echten“ Bekennerbriefe äußerst fragwürdig ist, daß diese (oftmals nur Kopien; Linotype-Schriften) vielmehr jedermann anfertigen könne.

Deshalb haben die Autoren die einzelnen Opfer in ihre geschäftlichen und wirtschaftspolitischen Zusammenhänge gestellt und dabei äußerst komplexe und interessante Hintergründe herausgearbeitet. Diese lassen es angeraten erscheinen, die Frage nach den Tätern neu zu stellen. So ist z.B. auffallend, daß im Hinblick auf die in den Bekennerbriefen aufgestellten Forderungen in keinem der Fälle etwas bewirkt wurde. Ebenfalls drängt sich die Frage auf, welche Gruppen und Organisationen sich sonst noch auf terroristische Abenteuer und Planspiele einlassen, die solch immense, politische wie wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen wie der Tod von Alfred Herrhausen (30.11.1989). Seine aggressive Expansionspolitik der Deutschen Bank, und die Pläne zum Schuldenerlaß in Zeiten der Schuldenkrise, die vor allem US-Banken in starke Schwierigkeiten bringen konnte, wurden nach seinem Tod nicht weiter verfolgt. Ähnlich bei Detlef Karsten Rohwedder (1.4.1991), sein Motto als Treuhand-Chef war: Sanierung vor Privatisierung. Sein Tod war in doppelter Hinsicht von Vorteil. Zum einen fuhr seine Nachfolgerin bei der Treuhand, Birgit Breuel, einen genau entgegengesetzten Kurs, ein Lichtblick in der wackelnden internationalen Geldbranche, zum anderen beendete sein Tod die sich für die Regierung Kohl dramatisch entwickelnde Protestbewegung im Osten. Gruppen und Organisationen, die mit solchen Methoden arbeiten, sind nach Ansicht der Autoren in den Geheimdiensten zu finden. Der Anteil ihrer V-Leute und Mitarbeiter am Konzept des Terrors reicht von Bespitzelung, Unterwanderung, Provokation und Waffenbeschaffung bis hin zu Entwürfen, wie Terrorgruppen in Staatsregie zu gründen seien, Konzepte, die in den Schubladen deutscher und ausländischer Amtsstuben liegen. Sehr viel spricht dafür, daß Behörden selbst an der Legende des „RAF“-Phantoms beteiligt sind.

Grad der Vernachlässigung

Über die RAF wurde in den Medien besonders in diesem Jahr sehr viel berichtet. Es ist jedoch geradezu verblüffend, daß die Untersuchungsergebnisse dieses Buches, wie das Buch selbst aus der gesamten Diskussion in den Medien ausgeschlossen wurden.

Wer ist betroffen?

Betroffen sind alle Bürger, die auf die demokratisch und freiheitlich gewählte Regierung und ihren Staat vertrauen. In ganz besonderem Maße gilt das für die Deutschen mit ihrer in dieser Hinsicht ereignisreichen Vergangenheit.

Wer profitiert von der Nicht-Berichterstattung?

Die Frage, inwieweit Geheimdienste und geheimdienstähnliche staatliche Organisationen ein notwendiges Werkzeug für eine funktionierende Demokratie sind, steht nicht zur Debatte. Aber ihre Existenz wird, bezieht man sich auf die Autoren des Buches, gerne genutzt, um sich im System des großen Geldes und der politischen Macht im In- und Ausland zu behaupten. Insofern profitieren einige „Mächtige“ aus Politik und Wirtschaft von der fehlenden Berichterstattung.

Warum sollte mehr berichtet werden?

Eine ausführliche Berichterstattung hätte vermutlich ein sich massiv entwickelndes Aufklärungsbedürfnis zur Folge.

Quellen

* Peters, Butz: RAF: Terrorismus in Deutschland. Knaur München 1993.

* Wisnewski, Gerhard; W. Landgraeber; E. Sieker: Das RAF-Phantom. Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen. Knaur München 1992.

* Das RAF-Phantom. Homepage von G. Wisnewski. Stand 22.10.1997.