1997: Top 2

Nachrichtenlose Konten aus Afrika

Korruption und Veruntreuung von Staatsgeldern und ausländischen Investitionen gelten als ein besonders wichtiger entwicklungshemmender Faktor in Afrika. Bestechung von afrikanischen Politikern und Beamten bei der Vergabe von Staatsaufträgen und bei der Bewerbung um Ölkonzessionen sind Usus. Ein besonderes Beispiel hierfür ist Nigeria. Nigerianische Guthaben auf Privatkonten bei westeuropäischen bzw. nordamerikanischen Banken sollen mehr als dreißig Milliarden Dollar betragen. In vielen Fällen sind die Inhaber dieser Guthaben (Politiker, hohe Beamte, Militärs) gestorben oder wurden bei Putschversuchen bzw. politischen Attentaten getötet. Die Staatseinkünfte werden vorwiegend für Waffen ausgegeben, obwohl der Großteil der Bevölkerung in absoluter Armut lebt. Erwirtschaftete finanzielle Mittel werden nicht mit dem Ziel reinvestiert, die marode Wirtschaft der jeweiligen Staaten anzukurbeln. Gefordert wird eine Überwachung des Einsatzes der finanziellen Mittel dieser Staaten.

Grad der Vernachlässigung

Korruption und Veruntreuung von Staatsgeldern auf dem afrikanischen Kontinent tauchen als Nachrichtenthema kaum auf. Die Berichterstattung konzentriert sich vor allem auf politische Tatbestände. Im Zusammenhang mit der Auffindung der nachrichtenlosen Konten von Holocaust-Opfern bei Schweizer Banken, erhält dieses Thema eine völlig neue Dimension. Mit den finanziellen Mitteln, die den Meldungen zufolge bei nordamerikanischen und europäischen Banken „eingefroren“ sind, könnten viele afrikanische Länder ihre wirtschaftliche Lage entscheidend verbessern.

Wer ist betroffen?

Die gesellschaftliche bzw. politische Relevanz dieses Themas ist sehr hoch anzusetzen. Neben den jeweiligen afrikanischen Ländern und deren Bewohnern sind zum einen die nordamerikanischen bzw. europäischen Banken betroffen, bei denen diese Gelder angelegt sind, zum anderen alle Länder, die Afrika Entwicklungshilfe leisten. Das finanzielle Ausmaß verstärkt die Forderung nach ausgiebiger Berichterstattung über dieses Thema, da es sich bei den genannten Beträgen von dreißig Milliarden Dollar lediglich um die nachrichtenlosen Konten aus Nigeria handelt.

Wer profitiert von der Nicht-Berichterstattung?

Vorteile ziehen aus diesem Tatbestand die afrikanischen Politiker/Beamten, die Staatsgelder veruntreuen oder sich bestechen lassen. Ebenso sind Firmen bzw. Länder, die Bestechungsgelder anbieten, sowie Banken, bei denen diese Konten lagern, an einer „Nicht-Berichterstattung“ interessiert.

Warum sollte mehr berichtet werden?

Vor dem Hintergrund der immensen Beträge, von denen in diesem Zusammenhang die Rede ist, stellt sich die Frage nach möglichen Konsequenzen. Geleistete Entwicklungshilfe für afrikanische Länder, die über derartige eigene finanzielle Mittel verfügen, müßte neu überdacht werden. Aufdeckung der nachrichtenlosen afrikanischen Konten, gezielte Re-Investition in die Wirtschaft der jeweiligen Länder sowie Maßnahmen zur Unterbindung von Veruntreuung und Bestechung sind erforderlich.

Quelle

* Haltet die Staatsdiebe. Die Zeit Nr. 44, 24. Oktober 1997. Autor: Femi Awoniyi.