NSU-Morde: Auch die Medien waren auf dem rechten Auge blind

Inzwischen schreiben alle über den   „Auftritt der Versager vom Amt“,  „die NSU-Pannenserie“, entdecken neue Spione im NSU-Umfeld und finden interne Papiere, die zeigen, dass jegliche Hinweise auf rechtsextreme Täter bei der Mordserie von Seiten der Ermittlungsbehörden ignoriert wurden. Allerdings haben die Medien das jahrelang selbst getan – auch, wenn über die spektakulären Taten an sich viel geschrieben wurde. Nur einige Monate vor dem Bekanntwerden der Terrorzelle zitierte der Spiegel noch stolz aus einer geheimen Polizeiquelle und analysiert hinter den Taten eine „mächtige Allianz rechtsnationaler Türken, dem türkischen Geheimdienst und Gangstern.“ Dieses Rechercheverhalten des deutschen Recherchekönigs steht exemplarisch für das, was die Medien in der Mordserie berichtet haben – auch, wenn es natürlich immer Ruhm und Ehre bringt, Geheimquellen vorweisen zu können: Es wurde das berichtet, was die Ermittler herausgefunden haben. Und weil die  – inzwischen erwiesenermaßen – auf dem rechten Auge blind waren, waren es auch die deutschen Medien. „Wieso sind wir so staatshörig?“ fragt das Mediendebattenorgan „Vocer“ in einem der wenigen journalismuskritischen Artikeln, die zu dem Thema erschienen sind. Ja, wieso nur? Es hat den deutschen Journalismus tatsächlich blind gemacht – und sicher nicht nur in diesem Fall.

Was die NSU angeht: Es gab gar nicht wenige Stimmen, die  – so laut sie konnten –  über einen rechtsextremen Hintergrund sprachen. Und man konnte sie hören, wenn man es wollte – ohne geheime Verfassungsschutzquellen, monatelanges Aktenstudium und ein riesiges Recherchebudget. Immer öfter werde ich auf einen Artikel angesprochen, den ich am 13.6.2006 für den damals noch existierenden NRW-Teil der taz geschrieben habe – also lange bevor die Terrorzelle bekannt wurde. Angeblich ist es der einzige Artikel, in dem die Erklärungen der Behörden in Frage gestellt wurden – das hat eine Archivrecherche der Frankfurter Rundschau gezeigt. Und das ist wirklich erschreckend. Denn: Ich habe mit diesem Artikel einen ganz normalen Lokalreporterinnen-Job gemacht: Die Angehörigen des Dortmunder NSU-Mordopfers Mehmet Kubasik haben einen Trauermarsch durch die Stadt veranstaltet. Da bin ich morgens hingegangen. Ich habe mit ihnen gesprochen und mit dem Vorsitzenden des Alevitischen Kulurvereins. „Alle Opfer sind Migranten. Da ist doch ein rechtsextremer Hintergrund sehr einleuchtend. Stattdessen gucken die Ermittler nur nach links, wollen wissen, ob Mehmet in der PKK aktiv war“, sagte mir der. Zum Beispiel. Diese Kritik war Konsensmeinung bei dieser Demo. Und man hätte sie ganz sicher von den Angehörigen aller Mordopfer hören können, wenn man sie gefragt hätte. Danach habe ich die Dortmunder Staatsanwaltschaft angerufen. Und dann habe ich den Artikel geschrieben, der am späten Nachmittag in den Druck ging. Es war ganz einfach – aber leider nicht normal.

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