Kriege, Katastrophen und Konflikte: Eine Studie bestätigt den beschränkten Afrika-Journalismus

„Ein trostloser Flecken. Dornenbüsche, staubige Wege, überall Müll, kein Strom, kein Wasser, keine Kanalisation. 80 Prozent der 5000 Bewohner sind arbeitslos.“

So beschrieb kürzlich der Afrika-Korrespondent der Zeit eine illegale, südafrikanische Siedlung in einem Artikel zur Fußball-WM 2010. Auf dem dazugehörigen Bild dazu spielen afrikanische Jugendliche auf einem Staubfeld Fußball, das Tor besteht aus drei langen Holzstangen.

Armut, Kriege, Katastrophen und Krankheiten. Darauf scheint sich die Berichterstattung über Afrika südlich der Sahara zu beschränken. Der Vorwurf kommt von allen Seiten. „Aber sicher ist das so“, sagte mir ein Mitarbeiter des Evangelischen Entwicklungsdienstes während einer Recherche. Veye Tatah, die in Dortmund lebt und aus Kamerun stammt hat darum extra eine Zeitschrift gegründet: „Afrika Positive“. Sie sagt, die westliche Medien würden fast ausschließlich negative Nachrichten vermitteln.Auch die INA wählte 2008 die „Pauschalen Berichte über Entwicklungsländer“ zu einem Top Ten Thema: „Ein Beispiel dafür ist die Berichterstattung über HIV-Infektionen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in denen die Krankheitsraten sehr unterschiedlich sind. Selten wird jedoch so differenziert berichtet. Stattdessen werden allgemeine Aussagen über Aids in „Schwarzafrika“ gemacht.“

„Aus Wissenschaft und journalistischer Praxis wird seit Jahrzehnten harsche Kritik an Präsentation und/oder Inhalt von Afrika-Berichterstattung deutscher Massenmedien geübt“, beginnt auch Lutz Mükke sein Buch „Journalisten der Finsternis“. Seine über 550 Seiten fassende Analyse systematisiert diese Vorwürfe und stellt sie auf wissenschaftlichen Boden. Aus drei Perspektiven hat der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Journalistik an der Universität Leipzig sich dem Thema genähert: mit Inhaltsanalysen von über 1000 Beiträgen, Interviews von 40 Akteuren in drei afrikanischen Städten und Befragungen von Heimatredaktionen der Korrespondenten.

Seine Ergebnisse ist auf allen drei Ebenen verheerend. Die Auswahl der hauptsächlich negativen Nachrichten sei hochgradig ethnozentristisch und selbstreferentiell. Annäherung an fremde Kulturen? Fehlanzeige. Die Bedingungen der Journalisten vor Ort werden von ökonomischen Zwängen begleitet und von deutschen Redaktionen dirigiert, sich selten mit Afrika auskennen.

Viele Korrespondenten betreuen ein riesiges Gebiet: „Afrika Korrespondenten haben durchschnittlich 33 Länder zu betreuen und haben im Durchschnitt in ein Drittel der Länder ihrer Berichtsgebiete noch nie einen Fuß gesetzt.“ Durch mangelnde Ressourcen sind sie oft abhängig von Hilfsorganisationen, die ihnen Informationen liefern – und Verdienstmöglichkeiten, zum Beispiel durch PR-Arbeiten.

In der Pressemitteilung des Verlags nennt der Autor die Ziele seiner Untersuchung: „Zum einen soll sie einen kritischen Beitrag zur Professionalisierung des Auslandsjournalismus leisten und zum anderen Anregungen für den theoretischen Diskurs über die Auslandsberichterstattung bieten.“ Beides gelingt Mükke, vor allem durch seine profunde Recherche und breite Datenbasis. Am Ende begreift er die Defizite als Potential und stellt Thesen zur Verbesserung auf, die nicht nur mehr Ressourcen einfordern, sondern auch ein verändertes ethisches Verständnis.

Lutz Mükke: Journalisten der Finsternis. Akteure, Strukturen und Potenziale deutscher Afrika-Berichterstattung, Herbert von Halem 2009, 557 Seiten, 34,50 Euro.

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