Investigativer Journalismus ist in der Wissenschaft besonders schwierig

Umweltschutz ist das Lieblingsthema von Wissenschaftsblogger Björn Lohmann. Auf seiner Seite Öko-logisch?, die auf der Seite von WissensLogs zu finden ist, schreibt der freie Wissenschaftsjournalist über die Tagesaktualität hinaus.

Björn, in deinem Wissenschaftsblog Öko-Logisch? widmest du dich Themen aus dem Bereich Natur-, Umwelt- und Tierschutz, Energie, Gesundheit und Klimawandel. Seit wann bloggst du und wieso bloggst du?
Ich blogge seit gut zweieinhalb Jahren. Als Wissenschaftsjournalist bietet mir dieses Format die sonst nicht gegebene Möglichkeit, sowohl meinungsgefärbt als auch abseits der Tagesaktualität zu schreiben. Gleichzeitig bekomme ich direktere Rückmeldungen als bei normalen Publikumsmedien.

Wieso hast du dich für wissenschaftliche Themen entschieden und welche Themen sind deine Favoriten?
Bloggen ist für mich keine Spielerei, sondern eine ernsthafte Ergänzung der medialen Kanäle – also sollte man dort auch seriös etwas zu sagen haben. Für mich sind das die Themen der Wissenschaft. Speziell für Umweltschutzthemen habe ich mich entschieden, weil mir das Thema wichtig ist, ich dort schon lange ehrenamtlich engagiert bin – und es aus eben diesem Grund beruflich oft meide, um dem Vorwurf der Parteilichkeit auszuweichen. Innerhalb des Umweltschutzes bevorzuge ich die „objektiv“ wichtigen Themen, soll heißen: Obwohl Tierschutz etwas ist, was viele bewegt, hat das Thema längst nicht die Konsequenzen für Mensch UND Natur wie beispielsweise Klimaschutz und damit verbunden die Energiewende. Außerdem beschäftige ich mich mit allen Themen gerne, zu denen die „Masse“ etwas Positives bewegen könnte, es aber aus diversen Gründen oft nicht tut.

Gibt es Themen, die deiner Meinung nach im Wissenschaftsjournalismus vernachlässigt sind?
Viele Wissenschaftsjournalisten sind ausgebildete Wissenschaftler. Entsprechend ist ihre Herangehensweise an Themen fast schon übertrieben sachlich und neutral, selbst dort, wo es – wie beim Klimawandel – keine zwei seriösen Positionen gibt. Wissenschaftsjournalismus müsste noch mehr einordnen als nur berichten, müsste häufiger mit Politik und Wirtschaft verknüpft sein, um die praktische Relevanz des von ihm vermittelten Wissens darzustellen. Investigativer Journalismus ist in der Wissenschaft besonders schwierig, weil er Fachwissen auf Expertenniveau voraussetzt. Trotzdem kann man Themen wie Gentechnik, Kernenergie und weite Felder der Medizin anders nicht seriös bewerten. Vielen Medien fehlt diese Kapazität. Daneben sollten Wissenschaftsjournalisten nicht nur Mainstream-Themen bedienen, sondern auch interessanten Nischen Publikum verschaffen – manchmal macht auch das Angebot die Nachfrage.

Nutzt du Blogs, twitter, facebook und Co. als Recherchequelle?
Blogs nutze ich manchmal als Impulsgeber, manchmal auch als Quelle oder Ort, um Experten zu finden. Twitter und Facebook sind (im Bereich Wissenschaft) in dieser Hinsicht nutzlos bzw. unseriös.

Du arbeitest auch als Zeitungsjournalist. Wo siehst du die Vorteile des Bloggens und kann der Zeitungsjournalismus von der Bloggerwelt lernen?
Einiges dazu habe ich schon angesprochen. Das Bloggen ist per se interaktiver und meinungsfreudiger, Eigenschaften, die speziell in der Wissenschaftskommunikation zu kurz kommen; nicht zuletzt, weil vielen Forscher nicht klar ist, weshalb sie außerhalb der Fachwelt kommunizieren sollten. Auf der anderen Seite unterliegen Blogs keinem journalistischen Verhaltenskodex. Beide Medien sind daher in meiner Sicht Ergänzungen, nicht Konkurrenten, und können somit eher wenig voneinander lernen.

Glaubst du, dass Journalisten zu ungenügend recherchieren?
Pauschalurteile sind hier zwar unangebracht, aber seit sich der Spartrend durch alle Redaktionen zieht, fehlt in vielen Medien schlicht die Zeit/Kapazität für umfangreiche, eigene Recherchen. Tendenziell wird mehr voneinander abgeschrieben als früher und damit blind den Kollegen oder Agenturen vertraut. Typisches Beispiel sind Agenturmeldungen über eine neue medizinische Studie. Die Kernthese klingt oft sensationell, wenn man aber in die Originalpublikation schaut, sieht man schnell, dass nur eine Handvoll Probanden beteiligt war oder dass es sich um Tierstudien handelt, deren Übertragbarkeit auf den Menschen selbst die Autoren in Frage stellen. Kurz gesagt: Ein wirklicher Nutzen für Patienten ist erstens ungewiss und läge zweitens zehn und mehr Jahre in der Zukunft. Artikel darüber würden nur falsche Hoffnungen wecken, und das passiert im Kampf darum, Erster in der Berichterstattung zu sein, viel zu häufig.

Ist gute Recherche schlichtweg nicht finanzierbar?
Das glaube ich nicht. In den Köpfen vieler Medienverantwortlicher muss nur ein Umdenken stattfinden. Die schnelle Nachricht läuft heute nach Minuten im Internet, wenig später im Radio und im Fernsehen – in allen drei Medien kostenlos. In der Tageszeitung ist die Nachricht alt und kostenpflichtig. Gute Recherche hingegen liefert zum einen exklusive Inhalte, zum anderen wertvolle Hintergründe, die es erst ermöglichen, die Nachricht (richtig) einzuordnen. Darin sehe ich die Form Printjournalismus, für die Menschen auch im Internetzeitalter noch Geld bezahlen, weil sie sie schlicht nicht kostenlos bekommen können. Ich bezweifle sogar, dass es für einen Verlag wirtschaftlicher ist, eine Zeitungsseite mit eingekauften Agenturinhalten zu füllen als mit einer großen Exklusivgeschichte, an der ein Redakteur einige Tage gearbeitet hat. Solche Geschichten bringen direkt mehr Straßenverkäufe und übers Image mehr Abonnenten.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*