2004: Top 3

Ärger mit Kundendatenbanken

Jeder Deutsche ist mehrfach in Kundendatenbanken registriert. Immer häufiger kommen dabei falsche Eintragungen nach telefonischen Vertragsabschlüssen vor. Auch weil viele Unternehmen die kostenintensive Pflege ihrer Datenbanken vernachlässigen, können Kunden ihre Daten oftmals nur mit viel Aufwand ändern oder löschen lassen. Besonders nach Umzügen, Scheidungen oder Todesfällen wird dies problematisch. Viele Kunden berichten beispielsweise über Ärger mit Unternehmen wie Premiere oder Telekom-Töchtern.

Sachverhalt & Richtigkeit

Nach einem Umzug war es einem Kunden der Telekomtochter T-Mart Web-Services jahrelang nicht möglich, seine neue Adresse in die bei T-Mart registrierte Webdomain eintragen zu lassen. Andere Telekomkunden versuchten jahrelang, Telefonbucheinträge oder Anschlüsse zu löschen oder zu ändern. Ähnlich Probleme gibt es bei Arcor.

Auch Premiere ignoriert regelmäßig Kündigungen. Nach telefonischen Vertragsabschlüssen werden falsche Daten eingetragen, die sich dann gar nicht oder nur nach intensivem Briefverkehr korrigieren lassen. Unternehmen, die ihre Kundendatenbank durch Adresshandel erstanden haben oder vom Adresshandel leben, bieten Kunden gar keine Möglichkeit, die über sie gespeicherten Daten einzusehen, zu ändern oder zu löschen. Es fehlt der Ansprechpartner.

Auch in der Schufa-Datenbank stehen laut einer Untersuchung von Finanztest massenhaft falsche Einträge. Bei dem Großteil der falschen Daten handele es sich um so genannte Kann-Daten. Daten, welche die Vertragspartner der Schufa freiwillig angezeigt haben. Diese Daten müssen laut Gesetz nicht stimmen. Korrekt müssen nur meldepflichtige Daten wie Ratenkredite, Dispo-Überziehungen oder Zahlungsunregelmäßigkeiten sein.

Je größer die Unternehmen, desto aufwendiger ist die Pflege der Datenbanken und desto mehr Probleme gibt es. In Folge von Rationalisierungsprozessen vernachlässigen viele Unternehmen diese vergleichsweise teure Arbeit deshalb systematisch. So verbuchte das Telekomsystem beispielsweise jahrelang Umzüge als Neueinträge und konnte daher die alten Daten gar nicht löschen.

In all diesen Fällen verliert der Kunde die ihm in den Landesdatenschutzgesetzen zugesicherte Souveränität über seine Daten.

Relevanz

Nach Angaben des Bundesbeauftragten für Datenschutz hat die Zahl der Register sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich in den letzten Jahren stark zugenommen. Einer Umfrage der EU zur Folge informieren aber nur 37 Prozent aller Unternehmen in Europa ihre Kunden ausreichend über ihre gespeicherte Identität. Auch von sich aus geben nur 46 Prozent der Unternehmen an, gebührend über den Zweck der Datenerhebung zu unterrichten. 42 Prozent der EU-Bürger ist überhaupt bewusst, dass sie einen Anspruch auf entsprechende Informationen haben.

Dabei können Fehler in Kundendatenbanken unangenehme Folgen haben: So musste ein Frauenhaus umziehen, weil die Telekom die Geheimnummer fälschlicherweise im Telefonbuch veröffentlichte; nach einer Scheidung gelangt wichtige Post immer noch ungewollt zum Ex-Partner; trauernde Angehörige versuchen über Jahre, das Premiere-Abo oder die Werbung für den Verstorbenen zu stoppen. Auch kann ein falscher Eintrag bei der Schufa zu Unrecht die Berufschancen verschlechtern und die Kreditwürdigkeit mindern.

Vernachlässigung

Eine Berichterstattung über dieses Thema findet nicht statt, da Datenschutzthemen sehr abstrakt und schwer vermittelbar sind. Wenn, dann wird das Problem nur in einem Halbsatz oder bei skurrilen Einzelfällen erwähnt. „Plusminus“ sendete im Juli 2004 zwei Beiträge über Premiere, die Zeitungen von Stiftung Warentest erwähnten das Problem in zwei Artikeln in zwei Sätzen.

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Quellen

Fernsehbeiträge / Artikel:

Plusminus, 27. Juli 2004 und 21. September 2004, Thema: Premiere Kündigung

Finanztest 4/2003, Thema: Schufa-Problematik

„test“ 8/04, Testbericht über Internetauktionshäuser

„test“ 11/04, Testbericht über Online-Einkaufsmöglichkeiten

Homepages:

www.verbraucherschutz-forum.de

www.gti-verbraucherschutz-forum.de

Gespräche:

Dietmar Galinsky, Verbraucherschützer, Premiere-geschädigt

Herr Schäfer, Datenschutzexperte der Verbraucherschützer

Frau Kirchner, Expertin für Telekommunikation

Finanztest, Lutz Wilde

Herr Büttgen, Bundesbeauftragter für Datenschutz, Leiter des Referats für Telekommunikation

Simone Vintz, Stiftung Warentest Internet / Computer

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Expertenstatement

Simone Vintz, Stiftung Warentest Internet / Computer:

„Ich denke, das Thema ist auf jeden Fall vernachlässigt. Bei ‚test’ versuche ich immer wieder es unterzubringen, aber muss darum kämpfen. Und dann wird es oft nur in einem Halbsatz erwähnt. Obwohl die Klagen der Kunden sehr wohl eintrudeln, findet sich das Thema sehr selten in den Medien. Das liegt sicherlich auch daran, dass Datenschutz ein eher sperriges Thema ist, was schwer zu greifen und wenig konkret ist.

Dabei halte ich die Problematik für sehr wichtig. Es kann wirklich nervig sein, wenn der verstorbene Vater immer noch Telefonrechnungen bekommt und es einfach nicht gelingt, das richtig zu stellen. Solche Probleme mit der Pflege von Kundendatenbanken gibt es oft, sehr oft – einfach, weil die Pflege sehr aufwendig ist und die Unternehmen sparen wollen.“