1998: Top 1

ISDN-Telefon als Wanze: Lauschangriff auch bei aufgelegtem Hörer möglich?

Durch technische Manipulation von außen soll es möglich sein, die Freisprechfunktion von ISDN-Telefonen zu aktivieren. In diesem Fall könnte jede Unterhaltung im Umkreis eines solchen Gerätes belauscht werden. Die Medien haben die Bevölkerung bisher nicht ausreichend über dieses Problem informiert. Der technisch wahrscheinlich mögliche Lauschangriff auf ISDN-Telefone ist das wichtigste vernachlässigte Thema des Jahres 1998.

Einrichtungen zum Freisprechen oder Lauthören (z.B. Chefanlagen) müssen so ausgestattet sein, daß die Gesprächs-Teilnehmer im Raum bzw. die Telefon-Teilnehmer deutlich auf die Inbetriebnahme der Funktion durch ein Signal hingewiesen werden. Es muß ausgeschlossen werden, daß eine Freisprecheinrichtung durch einen Anrufer aktiviert werden kann (Gefahr des Abhörens).

Datenschutzgerechter Einsatz von ISDN-Nebenstellenanlagen, Dokument des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen vom 29.12.1997

Fernsprechleitungen anzuzapfen ist für professionelle Horcher ein Kinderspiel. Vertraulichkeit am Telephon bietet nur elektronische Chiffrierung der übertragenen Signale. Der Nachteil dieser Methode: Der Gesprächspartner braucht das passende Gerät zur Entschlüsselung. Daß über ISDN-Anlagen Räume ohne Manipulation am Telephonapparat mit Hilfe der Freisprechschaltung abgehört werden können, wie jüngst zu lesen war, ist Praktikern wie Radtke oder dem Düsseldorfer Privatdetektiv Werner Becker noch nicht untergekommen. Auch Michael Dickopf vom Bonner Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik meint, daß höchstens die Spezialisten vom Geheimdienst so etwas hinbekämen.

Wolfgang Blum, Die Technik des Lauschangriffs ist frei verkäuflich. Auch mit der Abwehr machen Spionläden Umsatz. Das Wettrüsten der Lauscher, in: DIE ZEIT, 1998, Nr. 8

Dank neuer Technik können gute Hacker ‚heutzutage problemlos Telefone mit ISDN-Anschluß manipulieren‘, weiß Klaus-Dieter Matschke von der Sicherheitsfirma KDM Consulting aus Frankfurt. Über den Wartungsanschluß der ISDN-Anlage wählen sich PC-Experten von außen in die Anlage ein. ‚Die Freisprecheinrichtung (direktes Sprechen) läßt sich dann aktivieren, und sie hören, was im Raum gesprochen wird, obwohl der Hörer auf der Gabel liegt‘, erläutert Matschke. Polizeibeamte oder Nachrichtendienstler können so auch Telefonate mithören, Faxe lesen und übertragene Daten kopieren.

Ohren an der Wand. Jedes private Wort kann öffentlich werden, denn durch neue Techniken lassen sich Gespräche in jeder Wohnung belauschen, in: DM, April 1998, S. 66f.

Nicht weiter bekannt ist, daß in das internationale CCITT-Protokoll die Möglichkeit, Telefone ‚abzuheben‘ eingebaut ist, um Gespräche in der Nähe des Telefons zu belauschen, ohne daß der Nutzer dies bemerkt (SRG Newsletter, No.4, 1993). Diese Möglichkeit bedeutet, daß eine Abhörmöglichkeit für nationale Wähltelefone in diese Systeme von Beginn an eingebaut worden ist.

Steve Wright, Entwicklungen in der Überwachungstechnologie, Telepolis 18.11.1998 Auszugsweise Übersetzung aus: An Appraisal of Technologies for Political Control, Published by: European Parliament, Directorate General for Research, Directorate B, The STOA Programme, written by: Steve Wright – Omega Foundation – Manchester, January 6th 1998 (Working Document)