2009: Top 6

Mangelhafte Deklarierung von Jodzusatz in Lebensmitteln

Eine starke Lobby propagiert – unterstützt von der Pharmaindustrie – den Zusatz von Jod in Lebensmitteln. Dabei leiden etwa zehn Prozent der Deutschen an Jod-Unverträglichkeiten, während gleichzeitig auf Jodmangel beruhende Erkrankungen in der Bevölkerung abnehmen. Zudem belegen Studien, dass zu viel Jod Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse verstärken kann. Seine Zugabe muss aber oft nicht auf Lebensmittel-Verpackungen deklariert werden. Dies macht es Betroffenen schwer, jodhaltige Nahrungsmittel zu meiden. Über die fehlende Wahlfreiheit der Verbraucher wird in den Medien kaum berichtet.

Sachverhalt & Richtigkeit

Die Zugabe von Jod muss beim so genannten „carry-over-Verfahren“ nicht auf Lebensmittelverpackungen deklariert werden. Das heißt, dass der etwa in der Salami verwendete Zusatzstoff nicht auf der Packung der Salamipizza genannt werden muss, da das zugesetzte Jod auf das Endprodukt keine technologische Wirkung mehr hat und es sich lebensmittelrechtlich um einen Verarbeitungsstoff handelt. Dadurch fehlt die Transparenz für den Verbraucher, ob Lebensmitteln Jod beigesetzt wurde.

Neben den Auswirkungen von Jod auf Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse werden noch weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit einer erhöhten Jodaufnahme diskutiert. Dazu gehören die Jodallergie, die Jodakne und die Jodvergiftung. Die meisten Mediziner in Deutschland halten Jod jedoch für gesund und seinen Zusatz zu Lebensmitteln für allgemein wichtig.

Der Arbeitskreis Jodmangel, zusammengesetzt aus Ernährungswissenschaftlern und Medizinern, propagiert die Zugabe von Jod, gefördert wird der Arbeitskreis dabei von Pharmaunternehmen und Salzfabrikanten. Deutschland gilt seit Jahrzehnten als Jodmangelgebiet, dessen Bevölkerung an Jodmangelerkrankungen wie zum Beispiel dem Kropf leidet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält die undeklarierte Jodierung für risikofrei, da sie dem Gros der Bevölkerung nutzt.

Für etwa 10 Prozent der Bevölkerung entsteht beim derzeitigen Deklarierungsrecht jedoch ein gesundheitlicher Nachteil, da es kaum möglich ist, unjodierte Lebensmittel einzukaufen. Vor allem werden auch die stark unterschiedlichen Jodgehalte der einzelnen Produkte weder erfasst und noch auf den Verpackungen angegeben. Jod kann also nicht bewusst gemieden werden. Selbst Fleisch ist aufgrund jodierter Futtermittel mit Jod angereichert, einheimische Gemüsesorten sind oft zusätzlich mit Jod versetzt und auch Milchprodukte, Eier und Butter werden in ganz Deutschland nicht ohne Jodzusätze erzeugt. Zudem ist Jod in Röntgen-Kontrastmitteln und Desinfektionsmitteln zugesetzt.

Relevanz

Durch zu viel Jod können Folgekrankheiten in der Form von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, wie Hashimoto Thyreoiditis und Morbus Basedow, auftreten. Davon sind momentan über zehn Millionen Deutsche betroffen. In Gebieten mit höherer Jodversorgung treten diese Erkrankungen häufiger auf.

Vernachlässigung

Jenseits der medizinischen Fachdiskussion gibt es kaum Berichterstattung. Ob Jod beziehungsweise die Jodierung von Lebensmitteln gesund oder ungesund ist, wird in den Massenmedien unter medizinischen Gesichtspunkten vereinzelt diskutiert. Über die fehlende Deklarierungspflicht und die dadurch entstehenden negativen Folgen für die Betroffenen wird aber nur in Einzelfällen berichtet – und das meist in Fachmagazinen oder auf Homepages von Jod-Gegnern.

Bei der Datenbankrecherche wurden in den Jahren 2004 bis Ende 2009 drei Artikel zum Thema gefunden: Jodunverträglichkeit und insbesondere die fehlende Deklarierungspflicht ist in der Medienberichterstattung eindeutig unterrepräsentiert.

_______________________________________________________________________

Quellen

Helwi Braunmiller: „Funktioniert Ihre Schilddrüse?“, Fokus Online, 9.4.08, http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/test_aid_267073.html

Artikel behandelt die Symptome von Schilddrüsenerkrankungen.

Leni Reuters: Service-Webseite für Jodkranke mit allgemeinen Infos und Folgeerkrankungen bei Jodunverträglichkeit, http://www.hl-reuters.de/jod/FJod.html

Demeter: Webseite über Zusatzstoffe und EU-Richtlinien sowie die Deklarierung von Jodzusatz, http://www.lebendigeerde.de/index.php?id=ernaehrung_074

Bundesverband Verbraucherinitiative e.V.: Webseite mit Informationen über Lebensmittel, denen Jod zugesetzt wird und die EU-Gesetzgebung bezüglich von Zusatzstoffen, http://www.zusatzstoffe-online.de/information/687.doku.html

Schilddrüsennetz Hannover: Webseite mit Informationen über die Auswirkungen von Jod auf den Körper, die Deklarierung von Jod und einer Tabelle über Jodhaltige Zusätze in Lebensmitteln, http://www.schilddruesenguide.de/sd_jod.html

Prof. Dr. Helmut Schatz, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, Gespräch am 16.6.2009.

Prof. Werner Scherbaum, Direktor der Endokrinologie der Universitätsklinik Düsseldorf und der Schilddrüsen-Liga Deutschland e.V., Gespräch am 1.7.2009

Manuela Kuniewicz, Schilddrüsen-Liga Deutschland, E-Mail-Wechsel am 1.7.2009

Sebastian Herrmann, Journalist des Wissenschaft-Ressorts der Süddeutschen Zeitung, Email-Wechsel am 3.11.2009

Deutsche Selbsthilfegruppe der Jodallergiker, Morbus Basedow- u. Hyperthyreose-Kranken, http://www.jod-kritik.de/

Öffentliche Petition zur Deklarierung von Jod auf Lebensmitteln, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse/a02/uebersicht_abgeschlossen/verbraucherschutz.pdf

Kommentare

Manuela Kuniewicz, Schilddrüsen-Liga Deutschland:

„Das Bewusstsein für Erkrankungen durch Jodmangel oder Jod-Überempfindlichkeit ist in Deutschland nicht vorhanden. Die Deklarierung der Zugabe von Jod auf Lebensmitteln ist besonders für die Betroffenen sehr wichtig und momentan sicherlich nicht ausreichend.“

Prof. Dr. Matthias Schott, stellvertretender Direktor der Endokrinologie der Uniklinik Düsseldorf:

„Die Jodzugabe von Lebensmitteln ist meines Wissen nicht immer eindeutig gekennzeichnet. Dadurch hat der Verbraucher kaum die Möglichkeit, die tägliche Jodzunahme zu berechnen.“

Sebastian Herrmann, Wissenschaft-Ressort der Süddeutschen Zeitung:

„Ich habe keine Berichterstattung über die ‚Deklarierung von Jod’ wahrgenommen. Das Thema ‚Deklarierung von Jod’ muss wohl sehr gründlich vernachlässigt worden sein, denn ich habe keine Meinung dazu.“