„Guerilla-PR ist nicht kriegerisch“

Günter Bentele, Professor für  Öffentlichkeitsarbeit/PR an der Universität Leipzig, spricht im Interview über den Einfluss von Guerilla-PR auf die journalistische Arbeit.

Um die besondere Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu lenken, setzen Unternehmen auf Guerilla-PR. Eine aggressive Strategie?

Günter Bentele: Nein, ganz im Gegenteil. Anders als der Begriff vermuten lässt, hat Guerilla-PR nichts Kriegerisches an sich. Es ist vielmehr eine kreative und innovative Kommunikationsstrategie, die mit Überraschungseffekten arbeitet, gleichzeitig aber wenig kostet. Zum Beispiel ein nackter Mann, der unerlaubt über ein Fußballfeld rennt, eine Markenbotschaft auf dem Rücken. Oder ein kilometerlanger blauer Strich auf der Straße, der da nicht hingehört, aber zu einer Ausstellung des lokalen Museums führt.

Welche Kampagnen haben besonders viel mediales Interesse bewirkt?

Bentele: Zum Beispiel das „Blair Witch Project“, bei dem Studenten angeblich in einem Hexenwald verschwunden sind. Oder die umstrittene und initiierte Organspendenshow in den Niederlanden im Mai 2007. Solche Aktionen geben Ethikräten Anlass, über Sinn und Unsinn zu diskutieren.

Wissenschaftlichen Studien zufolge gehen 70 Prozent der Medieninhalte auf Anstöße von Dritten zurück, die Eigeninteressen an einer Berichterstattung hegen. Verstärkt Guerilla-PR diesen Trend?

Bentele: Ich sehe da keinen Trend. Seit eh und je werden bestimmte Themen und Produktinformationen in die Öffentlichkeit eingespeist. Besonders kreative, gelegentlich provokative Aktionen haben es lediglich leichter.

Vielen Medienvertretern sind die Aktionen nicht transparent genug.

Bentele: Wenn Journalisten das nicht durchschauen, ist das weitgehend ihr Problem. Man kann ja nicht auch noch Warnschilder mit dem Hinweis „Dies ist Guerilla-PR!“ anbringen.

Nehmen wir an, ein Haarstärkungsmittel wird beworben. Um die Widerstandsfähigkeit zu demonstrieren, werden in Zügen und Bussen Haarzöpfe als Haltegriffe befestigt. Die Aktion entwickelt sich zum Stadtgespräch. Kann sich eine Lokalzeitung leisten, nicht darüber zu berichten?

Bentele: Das ist ja das Dilemma, in dem Journalisten immer schon stecken. Doch es ist nun mal die Bringschuld von Journalisten, zu entscheiden, ob und wie etwas veröffentlicht wird, nicht die der Anbieter. Generell sollte viel weniger über solche Dinge berichtet werden. Journalisten befördern aber gern jeden Quatsch, um die Seiten und Sendezeit zu füllen.

Was würden Sie vorschlagen?

Bentele: Die Frage ist doch: Warum wehren sich Journalisten, sich einzugestehen, dass sie Transporteure bestimmter Inhalte sind? Es wäre kein Problem, überbrachte Werbe- und PR-Botschaften kritisch zu kennzeichnen. Aber das haben Journalisten noch nie gern gemacht. Gerade im Boulevardjournalismus gibt es keine seriösen Quellenangaben und auch im Qualitätsjournalismus werden längst nicht alle PR-Quellen angegeben.

Günter Bentele ist Professor für Öffentlichkeitsarbeit/PR am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Der 61-Jährige veröffentlichte über 40 Bücher und 180 Fachaufsätze zur Öffentlichkeitsarbeit, zu Film- und Fernsehanalysen sowie zur Kommunikationsforschung. Er hat diverse Gastprofessuren in den USA und einigen europäischen Ländern wahrgenommen. 2007 wurde er von der Zeitschrift „Unicum“ zum „Professor des Jahres 2007“ gewählt.

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