Nicht gewählte Themen: Die Treffen der Bilderberger

Zehn Top-Themen haben wir auf der Jury-Sitzung im Juli gewählt und vorgestellt. Mit etwas Abstand wollen wir nun einige weitere Themen vorstellen: Bürger haben die Themen eingereicht, Studenten haben sie recherchiercht – aber die Jury hat sie nicht in die Top Ten gewählt. Diskutieren kann man trotzdem drüber. Wir beginnen mit: Die Treffen der Bilderberger.

Abstract
120 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Medien kommen seit 1954 jedes Jahr zu der viertägigen Bilderberg-Konferenz zusammen. Nichts dringt nach außen, alle Teilnehmer – einschließlich der geladenen Journalisten – sind zur Verschwiegenheit verpflichtet und halten sich an diese Vorgabe. Auch wenn die Teilnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel an dem Treffen nachgewiesen werden kann, wird dies von Seiten des Bundespresseamtes nicht bestätigt. Diese absolute Verschwiegenheit macht die Bilderberger-Treffen so brisant.

Sachverhalt & Richtigkeit
Einmal jährlich treffen sich seit 1954 über 120 Spitzenvertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien – zuletzt am 9. Juni 2011 im schweizerischen St. Moritz. Der elitäre Zirkel ist nach dem ersten Tagungsort, dem Hotel de Bilderberg im niederländischen Oosterbeek, benannt. Heute haben die Bilderberger in Leiden (NL) und New York offizielle Geschäftsstellen. Seit Prinz Bernard der Niederlande die Konferenz mitbegründete, ist die holländische Königsfamilie regelmäßig anwesend. Auch andere europäischen Adelsfamilien nehmen an den Konferenzen teil. Darüber hinaus sind Henry Kissinger, Walter Scheel (als ehemaliger Vorsitzender der Konferenz), David
Rockefeller oder Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann Stammgäste. Geladen waren 2011 auch Richard Perle vom konservativen US-Think Tank Enterprise Institute for Public Policy Research, Novartis Vorsitzender Daniel Vasella und eine Delegation der chinesischen Elite.

Die Teilnehmerlisten, die bis 2008 nur schwierig einsehbar waren, wurden inzwischen für die Jahre 2008 bis 2011 auf der offiziellen Website der Bilderberger zugänglich gemacht. Es werden zudem die Themen genannt, über die die Teilnehmer gesprochen haben. 2011 waren das die Euro-Krise und die Sicherheit in sozialen Netzwerken. Die Teilnehmerlisten lesen sich wie ein Who is Who der europäischen und amerikanischen Gesellschaft. Aus der deutschen Politik waren in den letzten Jahren unter anderem Angela Merkel, Guido Westerwelle, Otto Schily, Joschka Fischer oder Olaf Scholz dabei. Dieses Jahr kam Peer Steinbrück. Während Westerwelle und Scholz ihre Teilnahme bestätigen, wird die in mehreren Quellen dokumentierte Teilnahme von Angela Merkel vom Regierungssprecher nicht bestätigt.

Verschwiegen geben sich nicht nur die Spitzen der Politik, sondern auch die deutschen Medien. Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass nicht einmal diejenigen Journalisten über die informellen Treffen berichten, die zu den Konferenzen geladen sind. Es drängt sich die Frage auf, warum diese Journalisten, die aufgrund ihrer herausragenden Stellung in der Medien-Branche eingeladen wurden, ihrem Beruf bezüglich der Bilderberger nicht nachgehen. Diese Nicht-Berichterstattung lässt sich mindestens für die Jahre 2010 und 2011 nachweisen. Matthias Nass, Korrespondent der Zeit, wählt im Steering Commitee der Bilderberger die deutschen Teilnehmer
aus und hält sich an den Ehrenkodex, erklärte er der Financial Times Deutschland in diesem Jahr – und schweigt. Konkretes würde sowieso nicht beschlossen, es gehe darum, sich unbefangen austauschen zu können, verrät er den Kollegen immerhin. Protokolle gibt es nicht – auch Wikileaks habe keine Chance, folgert die Financial Times. Auch Hubert Burda (Burda Media) und Mathias Döpfner (für Axel Springer Medien) waren im vergangenen Jahr in Spanien dabei – ohne über das Meeting zu berichten. Der letzte Artikel der Zeit über die Bilderberger ist von 1988.

Relevanz
Mächtige Entscheidungsträger aus der ganzen Welt treffen sich und verbringen vier Tage zusammen. Die Relevanz für die Bevölkerung ergibt sich aus ihrer Macht und eventuellen Entscheidungen und Absprachen, die auf der Konferenz getroffen werden. Das Geheimhaltungsgebot spricht dagegen, dass es sich um einen irrelevanten Austausch von Höflichkeiten handelt. Alle Teilnehmer sind Personen der Zeitgeschichte, an denen die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat. Warum ihre Handlungen bewusst verschwiegen werden, ist unklar. Während jahrelang über die Inhalte der Konferenz nur spekuliert werden konnte, sind inzwischen Themenlisten aller Jahre auf der offiziellen Homepage zu finden. Hierbei wird deutlich, dass es stets um Themen von globaler Bedeutung geht.

Vernachlässigung
Über das aktuelle Bilderbergtreffen gab es fünf Berichte in deutschen Zeitungen (Die Welt, Welt Online, Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost). Angesichts der Prominenz der Eingeladenen ist das erstaunlich wenig. Nicht nur in den vergangenen Jahren gab es nur rudimentäre Berichterstattung über die Bilderberger. Die mediale Auseinandersetzung mit dem elitären Kreis fand nie im großen Rahmen statt. Es gab vereinzelte längere Berichte, hin und wieder kleinere Meldungen am Rande – auch in diesem Jahr, in dem es von Seiten der Bilderberger mehr Informationen gab. Oftmals werden die Bilderberger mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht und allgemein in diesbezüglichen Artikeln verarbeitet. Längere Artikel, die sich auch skeptisch mit der fehlenden Berichterstattung und den eigentlichen Vorgängen hinter den Türen der Konferenzen auseinandersetzen, gibt es eher in England oder Österreich und in diesem Jahr wegen des Tagungsortes und vielen Kritikern vor Ort auch in der Schweiz. Insiderinformationen sind aber auch von dort in diesem Jahr nicht ans Licht gekommen – die Namen und Themen der Mächtigen wurden aber veröffentlicht und die Verschwiegenheit kritisiert. Dies ist bei einem mehrtägigen Elite-Treffen, das unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, kritisch zu betrachten. Vor allem wäre es die Aufgabe der teilnehmenden Journalisten, über die Konferenzen zu berichten, um Klarheit über die tatsächliche Dimension dieser Treffen zu schaffen.

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Quellen
Bilderberg Meetings – the official Website: Offizielle Webseite der Bilderg-Konferenzen mit
Informationen zu Teilnehmern, Historie und Themen, abgerufen am 21. Juni 2011

Wem gehört die EU? : Forschungsprojekt am Institut für Soziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Überblick über den Forschungsstand und den Bekanntheitsgrad der Bilderberger

Sven Clausen: „Licht ins Mysterium Bilderberg. Weltwirtschaftsforum – Das Weltwirtschaftsforum ist ein Volksfest im Vergleich zur Bilderberg-Konferenz. Dort sind die Teilnehmer handverlesen, die Debatten streng vertraulich“, Financial Times Deutschland, 26. Januar 2011

Webseite des Journalisten Daniel Estulin; bezeichnet sich selbst als Bilderberg-Experte und kritisiert vor allem die Geheimhaltung, abgerufen am 21. Juni 2011

Marcus B. Klöckner: „Bilderberg-Konferenz: Verschwiegene Weltmacht“, 5. Juni 2008, Frankfurter Rundschau, abgerufen am 21. Juni 2011

Marcus B. Klöckner: „Machteliten und Elitezirkel – Eine soziologische Auseinandersetzung“, VDM Verlag, Saarbrücken 2007

Matthias Holzapfel/Boris Forstner: Heimliches Mächtigen-Treffen – Rund 130 Teilnehmer bei Bilderberg-Konferenz am Tegernsee, Münchener Merkur vom 9. Mai 2005, belegt die Teilnahme von Angela Merkel bei dieser Konferenz auch mit Bildmaterial.

Michael Hartmann: Professor für Soziologie an der TU Darmstadt, Schwerpunkt Eliteforschung, Gespräch am 4. Mai 2010.

Silvan Schoonhoven: Journalist beim Leidsch Dagblad (Leiden), E-Mail am 25. Mai 2010

Detlef Grumbach: freier Journalist, E-Mail am 5. Juni 2010

Tobias Schall: Olaf Scholz, der König und Sozialismus in den USA, Stuttgarter Zeitung vom 9. Juni 2010

Kommentare
Prof. Dr. Michael Hartmann, Professor für Soziologie an der TU Darmstadt, Schwerpunkt Eliteforschung: „Ich denke die Treffen der Bilderberger an sich sind überbewertet, da diese nur symbolische Wirkung haben und dort keine wirklichen Entscheidungen getroffen werden. Ich sehe das Thema aber dennoch als vernachlässigt, da auf jeden Fall über die Treffen berichtet werden sollte; alleine schon, um den Mythos anzukratzen. Außerdem sehe ich es als journalistische Pflicht, nach einer Teilnahme zumindest darüber zu berichten.“

Markus Klöckner, Autor: „Die Bilderberger bilden nach meinen Forschungen zwar keine geheime Weltregierung, es gibt auch nicht die große Weltverschwörung, aber die Treffen sind aus demokratietheoretischer Sicht sehr ernst zu nehmen und es ist journalistisch geradezu unverantwortlich, nicht über diese (macht-)elitäre Zusammenkunft zu berichten.“

Detlef Grumbach, Journalist: „Natürlich sind die Bilderberg-Konferenzen ein vernachlässigtes, wenn nicht sogar unterdrücktes Thema.“

4 Kommentare zu Nicht gewählte Themen: Die Treffen der Bilderberger

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  2. „Prof. Dr. Michael Hartmann: „Ich denke die Treffen der Bilderberger an sich sind überbewertet, da diese nur symbolische Wirkung haben und dort keine wirklichen Entscheidungen getroffen werden.“

    Sehr geehrter Prof. Hartmann,

    erklären Sie mir doch bitte die „symbolische Wirkung“ von einem Treffen, dass über Jahrzehnte nur als Verschwörungstheorie behandelt wurde und von dem selbst heute kaum einer weiß. Für wen ist die Wirkung denn dann überhaupt bestimmt und wozu der ganze Aufwand?
    Auch würde ich gerne wissen wo sie die Gewissheit hernehmen, dass dort keine „wirklichen Entscheidungen“ getroffen werden. Wer sagt Ihnen das die öffenlichkeitswirksamen G20-Gipfel rein symbolisch abgehalten werden und die Entscheidungen bereits zuvor getroffen wurden?

    • Hallo Harald. Ist nicht fest geplant. Etwa alle ein bis zwei Wochen. Vielleicht am Freitag.

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