Die Nachwuchsjournalisten

In Deutschland führen viele Wege in den Journalismus – Studium, Volontariat, freie Mitarbeit, Praktika, Journalistikstudium, Journalistenschulen. Nicht überall bleibt Zeit für Reflektion: Welche Interessen stehen hinter diesem Thema? Wie kann ich es überprüfen? Und wie finde ich Themen und Quellen, die nicht so stark nach Aufmerksamkeit schreien wie organisierte Pressetermine und scheinbar wichtige Politikeräußerungen? Drei Journalisten am Anfang ihrer Karriere stellen ihre Sicht auf ihren Beruf und ihre Zukunft vor:

Name: Christina Kyriasoglou

Alter:  22 Jahre

Wohnort:  Monheim (am Rhein)

Ausbildungsweg:   Kölner Journalistenschule

Vorraussetzungen:   Abitur, schriftliche Bewerbung, dreitätiger Qualifikationstest

Ausbildungslänge:   Vier Jahre (ein Jahr Grundausbildung an der Journalistenschule, drei  Jahre Bachelorstudium VWL mit Nebenfach Politik und Begleit seminaren)

Praxisbezug:   Sechs vorgeschriebene Praktika (jeweils sechs bis acht Wochen) in den  Bereichen Lokaljournalismus, Online, PR, Wirtschaft und Politik

Warum Journalismus?

Nach einem Schülerpraktikum bei einer Lokalzeitung war Christina Kyriasoglou zunächst enttäuscht vom Journalistenberuf. Während des Praktikums war sie fast immer auf sich selbst gestellt, niemand gab ihr Verbesserungsvorschläge für ihre Texte: „Es war demotivierend.“ Trotz dieser Enttäuschung nahm Kyriasoglou einen zweiten Anlauf und machte ein weiteres Praktikum bei einer lokalen Tageszeitung.

Hier schrieb sie über eine Behindertensportgruppe. Die Eltern der Behinderten verkauften einmal im Jahr Trödel, um mit dem eingenommenen Geld gemeinsame Ausflüge finanzieren zu können. Aufgrund ihres Alters schafften es die Eltern nicht mehr, die schweren Kisten mit den Altwaren zu transportieren. Nach Kyriasoglous Artikel meldeten sich mehrere Freiwillige, die der Gruppe beim Transport des Trödels helfen wollten. Für die 22-Jährige ein Schlüsselerlebnis: „Da hab ich zum ersten Mal gemerkt, dass man mit Journalismus auch was bewegen kann.“

Welcher Bildungsweg?

Christina Kyriasoglou studierte nach dem Abitur ein Jahr lang Kommunikationswissenschaft und Politik in Münster. Da ihr das Studium nicht praxisorientiert genug war, bewarb sie sich an der Kölner Journalistenschule – und wurde genommen. Hier wird gleichermaßen auf die theoretische und praktische Ausbildung Wert gelegt. Eine Mischung, die Kyriasoglou gefällt.

Dass sie ausgerechnet diesen journalistischen Ausbildungsweg wählte, hat die 22-Jährige der Berufsberatung des Arbeitsamtes zu verdanken: dort wurde ihr unter anderem die Kölner Journalistenschule vorgestellt. Das Fach Journalistik an einer Universität zu studieren, stand für Kyriasoglou damals außer Betracht: „Darüber habe ich nur schlechte Sachen gehört.“

Aufgabe des Journalisten?

Christina Kyriasoglou findet: „Als Journalist hat man eine Grundverantwortung.“ So sei es die Aufgabe jedes Journalisten zu hinterfragen, alle Seiten zu berücksichtigen und Inhalte möglichst wahrheitsgetreu wiederzugeben. Dass diese Ideale manchmal vernachlässigt werden, musste die 22-Jährige schon in der Praxis erfahren. So hat Kyriasoglou während ihrer Praktika erlebt, dass der Schreibstil der Redakteure durchaus von den Anzeigenkunden abhängen kann. Oder dass die Qualität der Recherche stark leidet, wenn der Zeitdruck, dem die Journalisten ausgesetzt sind, zu groß wird.

Und in Zukunft?

Ein Volontariat möchte Christina Kyriasoglou nicht unbedingt machen. Das hält sie nach der umfassenden Ausbildung in Köln auch nicht mehr für notwendig. „Lieber direkt einen Job!“ Für welches Medium sie nach der Ausbildung arbeiten will, weiß die 22-Jährige allerdings noch nicht.

Name: John Hennig

Alter:  25 Jahre

Wohnort: Nürnberg

Ausbildungsweg:  Journalistikstudium an der Universität Leipzig (Diplom)

Vorraussetzungen:  Abitur, sechswöchiges Praktikum in einem aktuellen Tagesmedium, Eignungsprüfung

Ausbildungslänge:  Fünfeinhalb Jahre (neun Semester Studium Journalistik und ergänzendes Hauptfach, ein Jahr Volontariat)

Praxisbezug:  Volontärspraktikum, drei Monate Pflichtpraktika im Grundstudium, Lehrredaktionen

Warum Journalismus?

Dass er „irgendwas mit Sport“ machen will, war John Hennig nach seiner Wehrdienstzeit klar. Was für eine Kombination es genau sein sollte, wusste er jedoch noch nicht. Eine Möglichkeit fand er an der Universität Leipzig: Das Journalistikstudium kann man hier mit jedem x-beliebigen Fach verknüpfen – so auch mit Sport. Zwei journalistische Praktika später und Hennig konnte sich „durchaus gut vorstellen, das mal 30 Jahre lang zu machen“. Er bewarb sich in Leipzig und wurde angenommen.

Welcher Bildungsweg?

Warum er Journalistik ausgerechnet an einer Universität studiere? „Für eine Journalistenschule, fehlte mir die nötige Vorerfahrung“, so Hennig. Außerdem war er sich noch nicht sicher, ob er das auch „durchziehe“. Bei einem Universitätsstudium gibt es schließlich immer noch die Möglichkeit, das Fach zu wechseln.

„Durchgezogen“ hat John Hennig sein Studium bislang – und seine Wahl nicht bereut. Am Journalistikstudium schätzt er vor allem, dass man alles „von der Basis her lernt“. Auch wenn man auf einer Journalistenschule durchaus mehr praktische Erfahrungen sammeln könne. Die Praxis kommt an der Universität Leipzig jedoch auch nicht zu kurz: Neben den vier verschiedenen Lehrredaktionen, die es an der Uni gibt, müssen die Studenten im Grundstudium mindestens drei Monate lang journalistische Praktika absolvieren.

Aufgabe des Journalisten?

„Etwas vermitteln“, das ist für John Hennig die Aufgabe eines Journalisten. Dabei sieht er sich eher als jemanden, der informieren will und nicht als großen Aufdecker à la Wallraff.

Und in Zukunft?

Momentan macht John Hennig ein Volontariat bei den Nürnberger Nachrichten. Danach möchte er am liebsten im Sportressort einer überregionalen Tageszeitung arbeiten. Da er gerne Geschichten aufschreibt, kann sich der 25-Jährige auch vorstellen, später mal einen Roman zu schreiben.

Name: Jens Thorsten Schmidt

Alter: 34 Jahre

Wohnort: Delmenhorst

Ausbildungsweg: Studium der Politikwissenschaften (Diplom), Studienschwerpunkt ab   dem Hauptstudium: Kultur und Kommunikation, Nebenfach: Neuere   Geschichte; anschließend zweijähriges Volontariat

Ausbildungslänge: Neun Jahre (vierzehn Semester Studium, zwei Jahre Volontariat)

Praxisbezug: Volontariat, drei Volontärslehrgänge à zwei Wochen in der Akademie  Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage (ABZV)

Warum Journalismus?

„Bei uns zu Hause lag morgens immer mindestens eine Zeitung auf dem Küchentisch“, erinnert sich Jens Thorsten Schmidt. Die las er vom Kindesalter an. So wurde sein Interesse für Politik geweckt, als Jugendlicher kam dann die Lust am Schreiben hinzu. Schmidt verfasste in seiner Schulzeit einige Konzertkritiken für ein Metal-Musikmagazin und arbeitete während des Studiums bei einer Regionalzeitung. Während des Studiums wurde ihm klar, dass es weiter in Richtung Journalismus gehen sollte. An ein Schlüsselerlebnis, bei dem es endgültig „Klick“ gemacht hat, kann sich der gebürtige Bottroper jedoch nicht erinnern.

Welcher Bildungsweg?

Über die Berufsberatung des Arbeitsamtes erfuhr Jens Thorsten Schmidt, „dass man keineswegs Journalismus studieren muss, um Journalist zu werden“. Viel wichtiger sei, dass man schon während des Studiums praktische Erfahrungen sammelt. So entschied sich der 34-Jährige für ein Studium der Politikwissenschaften und arbeitete parallel als freier Mitarbeiter bei den Ruhrnachrichten. Das gefiel Schmidt vor allem deshalb so gut, weil ein Journalist ihn dort eigens unter seine Fittiche nahm: „Ich habe von diesem Redakteur unheimlich viel gelernt“.

Nach dem Studium machte Jens Thorsten Schmidt ein zweijähriges Volontariat beim Delmenhorster Kreisblatt. Sein krassestes Erlebnis hatte er hier bereits nach wenigen Wochen in der Redaktion: Als Reaktion auf einen Artikel bekam er eine Patronenhülse zugeschickt. „Alltäglich“ sei so eine Drohung natürlich nicht, sagt Schmidt, aber Konflikte mit verärgerten Politikern, Unternehmern, Vereinen und Lesern ständen durchaus an der Tagesordnung eines Lokaljournalisten. Schmidt findet: „Wie man damit umgeht, sollte angehenden Journalisten vermittelt werden.“

Aufgabe des Journalisten?

„Eine gute Zeitung macht es den Menschen einfach, sich einzumischen.“ Ein Satz, den der Redakteur irgendwo aufgeschnappt hat und den er vor allem für Lokalzeitungen zutreffend findet. Schmidts Interpretation: „Man muss also gesellschaftliche Themen so aufbereiten, dass sie möglichst leicht verständlich sind, damit Leute sich einmischen können.“

Und in Zukunft?

Zurzeit arbeitet Jens Thorsten Schmidt beim Delmenhorster Kreisblatt: „Einerseits mag ich das Medium Tageszeitung wegen der abwechslungsreichen Arbeit, andererseits ist es manchmal schade, dass man thematisch nur an der Oberfläche kratzen kann, weil man nicht die Zeit, die Ressourcen und den Platz hat, ‚tiefer’ in ein Thema einzusteigen.“ Ein Medium mit längeren Erscheinungszyklen fände der Redakteur also durchaus reizvoll. Dass heißt nicht, dass sich der 34-Jährige nicht vorstellen kann, auch zukünftig beim Tageszeitungsgeschäft zu bleiben: „Auch wenn es Sachen gibt, die nerven, mag ich im Großen und Ganzen meinen Job.“

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