Ein Beitrag von Rezan Orakci und Eve Oltmann
Agenda Cutting – so zeichnet sich das Phänomen journalistischer Berichterstattungen aus, bei dem bestimmte Themen selektiv aus öffentlichen Diskussionen ausgeschlossen werden. Am 03. Mai 2024 diskutiert das achte Kölner Forum für Journalismuskritik nunmehr über die aktuelle Krisensituation im Nahen Osten durch den israelisch-palästinensischen Konflikt.
Das Nah-Ost Panel tagte unter dem Titel: „Zwischen Kritik, Polemik und Hetze: Wie reden wir über Nahost?“. Die Teilnehmenden Gäste im Diskurs waren Kai Hafez, Professor der Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt und Nazih Musharbash, Vertreter der deutsch- palästinensischen Gesellschaft. Außerdem waren Deborah Schnabel als Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank und Benjamin Hammer als Journalist beim Deutschlandfunk anwesend. Geleitet wurde das Panel von der Moderatorin Sina Fröhndrich vom Deutschlandfunk.
Die Gäste debattierten im Diskurs über die Schieflage der deutschen Berichterstattung zum Thema Nahost- Konflikt. In diesem Rahmen wurde vor allem ein Zwiespalt im Kontext der Solidarität deutlich; Jene Solidarität, die durch die NS- Geschichte gegenüber der jüdischen Bevölkerung besteht, steht nunmehr im Kontrast zum Mitgefühl und Einsicht gegenüber der palästinischen Bevölkerung.
Die fehlende Lösungsorientierung der Meldungen wurde bemängelt, sowie der Überfluss an emotionalisierten und traumatisierten Bildern als dabei problematische Faktoren benannt.
Hierbei wurde vor allem der Fokus auf die schwache Berichterstattung der palästinensischen Perspektive gelegt. Ebenfalls wurden mögliche problematische Konfliktquellen diskutiert und abgewogen, welche unseriösen Quellen nicht in journalistischen Meldungen zitiert werden dürfen. Hierbei wurden Quellen wie die Hamas als kritisch klassifiziert, wobei die Einschränkung der akuten Krisenberichterstattung gemacht wurden. Wenn es hierbei keine andere Quelle für die Meldung gibt, soll diese jedoch noch kritisch eingeordnet werden.
Nazih Musharbash: „Ich habe immer gehofft, dass Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit in der Lage sein würde, zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln. Israel hat seine Vergangenheit aufgearbeitet, und die beiden Konfliktparteien sind noch nicht so weit. Aber Deutschland hat diese Rolle vertan, verwirkt, weil Deutschland eben einseitig geworden ist. Das bedauere ich sehr. Ansonsten wäre eben Deutschland in der Lage gewesen, die Traumata der Israelis, der Palästinenser, irgendwie in Einklang zu bringen, dass diese sich gegenseitig verstehen können. Aber im Augenblick scheint es mir so zu sein, dass Deutschland diese Rolle verwirkt hat. Und Sie als Bürgerinnen und Bürger müssen dafür sorgen, dass das geändert wird. Nicht gegen Israel, sondern für den Frieden und für die Verständigung.“
Deborah Schnabel definiert als Problemquelle, dass auch vor den Eskalationen seit dem 07. Oktober 2023 im Gazastreifen, bereits Bildungslücken zu Themen wie israelbezogener Antisemitismus und Anti-muslimische Diskriminierung innerhalb der Bevölkerung bestanden.
Benjamin Hammer: „Ich glaube unsere Nahost-Berichterstattungen in der aktuellen Phase und unsere Nachrichten wären sehr leer, wenn wir auf Informationen der Hamas im Gazastreifen oder der israelischen Regierung aus solchen Erwägungen verzichten würden.“
Die Veranstaltung entfachte Einblicke in neue Perspektiven und Informationen, und öffnete damit ein Fenster der Kommunikation zu den damit einhergehenden Emotionen.
Medien- und Kommunikationswissenschaftler Hektor Haarkötter hielt im Rahmen der Veranstaltung eine Ansprache über das Phänomen der selektiven Berichterstattung. Hierbei fiel eine weitere, perspektivische Parallele zum Nahost-Konflikt auf, die in wesentlichen Aspekten Ähnlichkeiten zum Israel-Palästina Konflikt aufweist;
Der seit Jahrzehnten anhaltende Konflikt zwischen der türkischen Regierung und kurdischen Streitkräften kostete bereits zahlreichen ZivilistInnen das Leben.
Lau statistischem Bundesamt leben in Deutschland etwa 1,54 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, sowie schätzungsweise zwischen 500.000-1,5 Millionen kurdischstämmige Menschen, womit sie zu dem größten Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund gehören. Trotz dieser Zahlenverhältnisse lassen sich sowohl in Journalistischen Berichterstattungen, sowie auch über Social Media Inhalte, unproportional geringe Informationen auffinden.
Das Forum bot daher den Gedankenanreiz, im Sinne der Lösungsfindung und Eskalationsprävention, über anhaltende Krisen und Konflikte ausreichende Bildungsmaßnahmen zu schaffen, sowie offene und sachdienliche Kommunikationskanäle innerhalb der Gesellschaft zu fördern.
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