2025: Top-Thema 09

Betrug an Vertragsarbeitern aus Mosambik – Deutschland stiehlt sich aus der Verantwortung

Abstract:

Seit über 30 Jahren kämpfen sie um das, was ihnen zusteht – und doch drohen ihre Forderungen ins Leere zu laufen: Rund 17000 Mosambikaner*innen kamen einst als Vertragsarbeitskräfte in die DDR, wurden dafür aber nie vollständig entlohnt. Bis zu 60 % des Gehalts wurden einbehalten und mit Mosambiks Schuldentilgung verrechnet. Das Unrecht, das den Menschen widerfahren ist, wird zwar mittlerweile anerkannt, Entschädigungszahlungen an die Betroffenen erfolgten bislang jedoch nicht.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Rund 17.000 Menschen aus Mosambik arbeiteten ab 1979 als Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Vielen wurde eine Ausbildung und langfristige Arbeitsverträge versprochen, die Realität aber war oft eine andere: Sie arbeiten v. a. in unliebsamen Bereichen, etwa der Fleischindustrie oder im Braunkohleabbau. Ihr Lohn war auf maximal 350 Mark beschränkt, und so wurden 25 bis 60% einbehalten, um Mosambiks Schuldenabbau zu tilgen. Obwohl ihnen zugesagt wurde, dass sie diese Anteile später vom mosambikanischen Staat zurückerhalten, haben viele das Geld nie bekommen.

Weil die versprochenen Vertragsverlängerungen nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht in Kraft traten, stand den Arbeiter*innen laut einer Verordnung des Ministerrates nach der Rückkehr in ihr Heimatland außerdem eine Ausgleichszahlung in Höhe von 70% ihres Nettolohnes zu, die  bis zur Ausreise getätigt werden sollte. Außerdem war eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3.000 DM angedacht. Die SED-Opferbeauftragten, Evelyn Zupke, meint, es bleibe unklar, ob diese Zahlungen tatsächlich getätigt wurden.

Einer der Betroffenen ist David Macou. Er reiste im November 1991 zurück in seine Heimat, in der Hoffnung man würde ihm den noch ausstehenden Lohn nach einer Rückkehr in Mosambik auszahlen. Doch bis heute hat er, wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen seinen Lohnanteil nicht erhalten Seit 1993 machen sie mit Protesten auf ihre Forderungen aufmerksam. Noch heute, über 30 Jahre später, demonstrieren die sogenannten ‚madgermanes‘ Woche für Woche in Mosambik, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Und nun drängt die Zeit, meint Soziologin Uta Rüchel, die sich intensiv mit der Geschichte der Vertragsarbeiter*innen aus Mosambik befasst hat. Denn viele von ihnen sind bereits im höheren Alter und die Lebensbedingungen in Mosambik prekär.

Zwischen 1990 und 1992 wurden von der Bundesrepublik 75 Millionen D-Mark an Mosambik ausgezahlt – allerdings nicht als Lohnentschädigungen, sondern als Entschädigung für die vorzeitige Vertragsauflösung. Das Geld floss jedoch als Entwicklungshilfezahlung an den mosambikanischen Staat. Ob es tatsächlich den ehemaligen Vertragsarbeiter*innen zugutekam, ist fraglich. Zupke vermutet, dass es von der mit Korruptionswürfen belasten Regierung Mosambiks einbehalten wurde. .

Auch Verträge, die die Transferleistungen oder die Rentenbeiträge betreffen, gelten als erloschen. Die zwischen der Volksrepublik Mosambik und der DDR geschlossenen staatlichen Verträge wurden vor der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr hinlänglich ausgearbeitet. So bleibt offen, wer nun für die Rückzahlung verantwortlich ist. „Aufgrund der Komplexität der Vorgänge ist eine genaue Festlegung der Verantwortung nicht möglich.“ stellt die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke fest. So müssten die verschiedenen Akteure gemeinsam die Verantwortung für die Rückzahlung übernehmen.

In einer Bundestagsdebatte 2023 erkannten Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien das erlittene Unrecht der aus Mosambik stammenden Arbeitskräfte an – ob sich bisherige Regierungen aber tatsächlich für die Auszahlung der Gelder in Mosambik stark gemacht haben, ist bislang unklar. Dabei ist das von der DDR abgeschlossen Abkommen auch Teil der gesamtdeutschen Geschichte und die Verantwortung liegt nicht allein bei der mosambikanischen Regierung.

Nach einem Treffen mit ehemaligen Vertragsarbeiter*innen aus Mosambik äußerte sich die Staatsministerin Katja Keul vom Bündnis 90 / Die Grünen in einem Bericht, dass man „das Thema voranbringen und zur Aufarbeitung bestehender Fragen beitragen“ wolle. Man sei bemüht, die Geschichte der Vertragsarbeiter*innen sichtbarer zu machen – das allerdings dürfte dem ihnen widerfahrenen Unrecht kaum gerecht werden. Weil aber in Mosambik die versäumte Rückzahlung laut der SED-Opferbeauftragten “nur bedingt aufgearbeitet” wurde, ist die Erinnerungsarbeit dennoch ein wichtiger Schritt in die Richtung einer Entschädigung. Zusätzlich aber sollten zumindest pauschale Einmalzahlung von Deutschland aus an die Geschädigten erfolgen – und zwar schnellstmöglich. Außerdem müssten mehr Mittel für die Aufarbeitung bereitgestellt werden und Anlaufstellen für die Betroffenen geschaffen.

Relevanz:

Die Entschädigungszahlungen sind von hoher Dringlichkeit, denn die meisten Vertragsarbeiter*innen sind schon alt, einige bereits verstorben. Die Anerkennung ihrer Leistung und die Auszahlung der ihnen zustehenden Gehälter muss das also zeitnah geschehen. Ohne ein öffentliches Bewusstsein für das Unrecht, das den Menschen widerfahren ist, ist es unwahrscheinlich, dass der Druck auf die Bundesregierung groß genug ist, um sich um eine Wiedergutmachung zu kümmern.

Mosambik feiert in diesem Jahr 40 Jahre Unabhängigkeit. Seitdem sind Deutschland und das südafrikanische Land freundschaftlich verbunden und arbeiten gemeinsam und oft erfolgreich an Entwicklungsprojekten. Das Jubiläum sollte nicht nur ein Anlass dafür sein, die freundschaftliche Verbindung der Länder und die gemeinsamen Fortschritte zu feiern – sondern auch dafür, sich mit dem fast in Vergessenheit geraten Unrecht zu befassen, das den Mosambikaner*innen widerfahren ist. Die mediale Aufarbeitung des Schicksals der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen kann das Bewusstsein der Bevölkerung schärfen – und damit erneute Verhandlungen über die Lohnauszahlungen wahrscheinlicher machen.

Vernachlässigung:

Vereinzelt wurde in den vergangenen Jahren über das Schicksal der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen berichtet. Die ZEIT veröffentlichte am 13.10.2023 einen Beitrag über die Geschichte der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen und über die fehlende Rückzahlung, ebenso der der Deutschlandfunk (27.06.2023), der Spiegel (12.05.2021), der FOCUS (27.02.2019) und die TAZ (04.03.2019, 03.10.2024).. ND-aktuell berichtet zusätzlich auch am 28.07.2023 von Vertragsarbeiter*innen die nach ihren Kindern suchen, die sie während ihres Aufenthaltes gezeugt hatten und der KONTEXT berichtet ebenfalls am 11.05.2024 über die Geschichte und stellt einen Künstler Namens Dito Tembe vor, der Vertragsarbeiter war. Am 30.09.2024 informierte der DLF in einer Kurzmeldung über eine Initiative von Zupke. Über diese berichtete auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Am 12.10.2024 veröffentlichte der MDR zudem eine Reportage über einen der Betroffenen, David Macou. Auf dessen Schicksal nimmt auch die Tagesschau Bezug (30.09.2024).

Das Auswärtige Amt schreibt in einer Pressemitteilung über den Besuch von Staatsministerin Katja Keul in Mosambik, wo auch über ein Zusammentreffen mit den ehemaligen Vertragsarbeiter*innen berichtet wird. Einen Bericht über ihre Reise stellt die Politikerin auf ihrer Homepage zur Verfügung. Auch der Deutsche Bundestag schreibt in einer Pressemitteilung am 26.04.2023 über die Forderungen von Evelyn Zupke, die Rückzahlungen an die ehemaligen Vertragsarbeiter*innen vorzunehmen.

Das Lothar-Kreyssig Ökumenezentrum der EKM hat unter der Leitung von Dr. Hans-Joachim Döring eine Website aufgestellt, auf der die wichtigsten Informationen zu den Vertragsarbeiter*innen dargestellt werden. Außerdem erscheinen dort Pressemitteilungen zu aktuellen und neuen Entwicklungen in der Thematik.