2022: Top-Thema 09

Nachhaltige Bauinnovation durch „LegoKonstruktion und Baumaterial aus verwertetem Kunststoff und Reststoffen

Abstract:

Wohnungsnot, Erdbeben, Flutkatastrophen, Kriege, … es gibt vielfältige Szenarien, welche einen schnellen und nach Möglichkeit nachhaltigen Wiederaufbau erfordern. Im ökologischen Fokus steht hierbei nicht nur die Gewinnung von Baustoffen, sondern auch deren Wieder- bzw. schnelle Weiterverwertung. 
Die australische Nichtregierungsorganisation „Classroom of Hope“ hat in Zusammenarbeit mit dem finnischen Start-Up „Block Solutions“ eine nachhaltige, ressourcenschonende und bautechnisch unkomplizierte Alternative zu Ziegelsteinen entwickelt.
Dieser „Eco-Block“, einem überdimensionierten Lego-Stein nicht unähnlich, besteht zur Hälfte aus recyceltem Plastik und zu 50 % aus Fasern, zum Beispiel aus abgenutzter Kleidung, Fasern aus der Forstwirtschaft, Resten von Zellstoff oder Sägemehl.
Die „Lego-Konstruktion“ erlaubt es auch bautechnisch unausgebildeten Helfern sehr schnell bauliche Erfolge zu erzielen. Besteht dennoch Umbau oder gar erneuter Aufbaubedarf, so können die „Eco-Blocks“ in der Regel rasch erneut verbaut werden. Erste Projekte im (warmen) Indonesien nach der Erdbebenkatastrophe 2018 und im (kalten) Finnland verlaufen erfolgversprechend. 

Sachverhalt & Richtigkeit:

Im Jahr 2018 hat ein schweres Erdbeben die indonesische Insel Lombok erschüttert und dadurch mehr als 1100 Schulen zerstört. Zahlreiche „Pop-Up-Schulen“ ermöglichten danach einen raschen Schulbetrieb, waren aber keine langfristige Lösung. Bei der Recherche, wie nachhaltig geholfen werden könnte, stießen Nicola und Duncan Ward von der australischen NRO „Classroom of Hope“ (CoH) auf das finnische Start-Up „Block Solutions“. Der Gründer von „Block Solutions“, Markus Silfverberg, studierte in Berlin und hatte schon damals die Idee, nachhaltig zu bauen und die Materialien dafür nachhaltig zu produzieren. „Block-Solutions“ produziert „Ziegelsteine“, welche sich zu 50 % aus recyceltem Haushaltskunststoff und zu 50 % aus Fasern, zum Beispiel aus abgenutzter Kleidung, Fasern aus der Forstwirtschaft, Resten von Zellstoff oder Sägemehl, zusammensetzen. 
Mit diesen „Eco-Blocks“ können Gebäude in wenigen Tagen errichtet werden. Dies geschieht im Lego-Prinzip, wobei die „Bausteine“ von Stahlverstrebungen gestützt werden. Außerdem sind die „Eco-Blocks“ leicht und elastisch, weswegen sie u. a. für Erdbebenregionen, aber nicht ausschließlich, prädestiniert sind. Falls Gebäude erneut beschädigt werden oder gar einstürzen sollten, verursachen sie zum einen nicht so schwere Verletzungen wie herkömmliche Ziegelsteine, zum anderen steht einer erneuten raschen Verwendung nichts im Wege. Darüber hinaus halten sie Hitze von außen ab, wodurch die Gebäude im Sommer auch ohne zusätzliche Kühlung eine angenehme Innentemperatur bieten. 
Mitte Juni 2021 ist nach diesem Prinzip innerhalb von nur sechs Tagen die Schule SDN 4 Taman Sari mit fünf Klassenzimmern auf der Insel Lombok entstanden. Verwendet wurden dazu rund 15 Tonnen recycelter Kunststoff. Zunächst waren die Einheimischen verwundert und misstrauisch, dass so leichte „Ziegelsteine“ stabil sein können. Allerdings merkten sie schnell, dass sie dadurch beim Bau viel besser mithelfen konnten. Seit diesem Pilot-Projekt wurden weitere Gebäude gebaut und 200 weitere Schulen sind geplant. 
Geplant ist auch der Bau einer „Eco-Block“-Fabrik auf Lombok, damit das Plastik, das es in großen Mengen auf der Insel gibt, nachhaltig weiterverwendet werden kann. Und auch das Start-Up „Block Solutions“ produziert weiterhin „Eco-Blocks“ und baut nachhaltige Gebäude, vor allem im Heimatland Finnland. Die Firma bemüht sich um die europäische Zulassung, um auch in Europa ihre „Eco-Blocks“ zu vermarkten. Die Bauweise und die Baustoffe sind dabei auf dem europäischen und asiatischen Markt die gleichen. 

Relevanz:

Nicht nur Hilfsprojekte in Indonesien profitieren von diesem neuen umweltschonenden, recycelten und recycelbaren Baumaterial – die damit verbundene Technik steht klimaunabhängig in allen Gebieten der Welt zur Verfügung. Der Klimawandel verpflichtet die Menschheit dazu, die vorhandenen Ressourcen zu schonen und nach Möglichkeit erneut zu verwenden. 
In Ländern mit unterentwickelter Abfallwirtschaftsinfrastruktur ist Plastikabfall zudem ein großes Umweltproblem. Indonesien ist weltweit einer der größten Meeresverschmutzer durch Plastikmüll, welcher durch Bäche und Flüsse oder direkt ins Meer gelangt. Bei der Herstellung der „Eco-Blocks“ wird Plastikabfall nun zu wertvollem Baustoff und entlastet die Umwelt. 

Vernachlässigung: 

Bei der Recherche fiel auf, dass das Thema bislang wenig mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. In den deutschen Medien war bisher nur ein einziger Beitrag vom Redaktionsnetzwerk Deutschland auffindbar (Stand Februar 2022). Der ursprünglich von SBS German, einem australischen Radiosender, ausgestrahlte sechsminütige Podcast dazu wurde von unterschiedlichen Podcast Websites weiterverbreitet. 
In australischen Medien wurde deutlich intensiver über das Projekt berichtet. Das lässt sich dadurch begründen, dass die australische Hilfsorganisation „Classroom of Hope“ ein relevanter Akteur bei dem Pilotprojekt auf Lombok in Indonesien ist. 
Auf der Plattform Instagram lassen sich Informationen über die Schule in Lombok auch auf dem Account @consciouslyelle finden. 

 Kommentare: 

Marc Vosen, Gebietsverkaufsleiter bei Wienerberger GmbH:
„Wir rechnen in der Zukunft mit einer erhöhten Nachfrage in Deutschland. Durch das Unglück im Ahrtal wurde Wasser auf die Mühlen gegossen und auch mit der neuen Regierung wird in den nächsten Jahren ein größerer Fokus auf klimaneutrale alternative Baumaterialien, wie der Perlit verfüllte Poroton Ziegel, gelegt werden.“ 

Robin Hicks, Eco-Business Journalist:
Die Blöcke sind so konzipiert, dass sie bei einem Erdbeben keine tödlichen Verletzungen verursachen. Aufgrund ihrer Elastizität ist es weniger wahrscheinlich, dass sie zerbröckeln oder einstürzen. Die seismische Widerstandsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, einem Erdbeben standzuhalten, wird dadurch erhöht, dass sich Wände aus Eco-blocks eher biegen als brechen. Ihr geringes Gewicht und die Art und Weise, wie die Blöcke zusammengefügt werden, bedeutet auch, dass sie viel mehr Bewegungen aushalten als herkömmliche Ziegel und Mörtel.“ (aus dem Englischen übersetzt. )