2022: Top-Thema 08

Das Aussterben der Schmetterlinge

Abstract:

Bereits ein Drittel aller Schmetterlingsarten sind von unserem Planeten verschwunden. Gründe hierfür sind der fehlende Lebensraum, der Mangel an Futterpflanzen, der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und schließlich der Klimawandel. Schmetterlinge erfüllen jedoch – so ähnlich wie Bienen und andere Insekten – eine elementare Rolle für das Ökosystem: Sie tragen zur Bestäubung von Pflanzen bei und schaffen damit eine wesentliche Basis für die Nahrungsmittelproduktion; sie und vor allem ihre Raupen dienen als Nahrungsquelle für viele andere Tiere; schließlich stellt ihre Präsenz einen sichtbaren Bioindikator für den Zustand von Naturräumen dar und bildet damit ein wichtiges „Frühwarnsystem“ für deren Gefährdung. Der Artenschwund von Schmetterlingen ist nicht nur als solcher bedauerlich, sondern er hat gravierende Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht. Auch wenn der Rückgang von Insekten wiederholt medial thematisiert wurde, ist das Aussterben der Schmetterlinge bislang weitgehend unbeachtet geblieben.

Sachverhalt & Richtigkeit: 

Rund 53 Prozent der Schmetterlinge waren 2019 weltweit vom Aussterben bedroht, so die von A. Breitkopf im Februar 2020 veröffentlichte Statistik. Von Jahr zu Jahr sinkt der Bestand der Schmetterlinge merkbar. Dies sei ein nicht abklingender exponentieller Rückgang, so Robert Gabel, Vorsitzender der Tierschutzpartei, in seinem Artikel Alarmierender Rückgang der Pflanzen- und Tierarten auf der Seite der Tierschutzpartei. Auch wenn sich der zuvor erwähnte Artikel auf das Jahr 2017 bezieht, sieht es im Jahr 2021 nicht besser aus. Politisch gesehen läge das Artensterben am fehlenden Willen der Regierung, die notwendigen Maßnahmen für den Artenschutz zu beschließen, so Robert Gabel, Vorsitzender der Tierschutzpartei. „Dies wiederum liegt zum großen Teil daran, dass hierfür insbesondere weitreichende Änderungen auf anderen Politikfeldern (Agrarwende, Klimapolitik, Biotopschutz, etc.) von Nöten wären.“ Aktuell gibt es rund 3.700 Schmetterlingsarten in Deutschland, von denen 494 Arten bereits bedroht bis stark gefährdet sind. Rund 60 Schmetterlingsarten sind bereits ausgestorben, was einen Verlust von einem Zehntel in nur zehn Jahren bedeutet. Auch der lokale Artenverlust bei Schmetterlingen in Deutschland liegt bei bis zu 80 Prozent. „Grund hierfür ist unter anderem der fehlende Lebensraum, der Mangel an Futterpflanzen und die in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide“ so Agnes Wilms in dem Artikel Prächtig, aber bedroht: 10 der schönsten Schmetterlinge in Deutschland 
Da viele Schmetterlinge außerdem bestimmte Lebensräume benötigen und als Raupen spezielle Pflanzen fressen, zeigen sie auch einen Wandel in unserer Umwelt an. Sie seien im Prinzip ein Frühwarnsystem für den Zustand unserer Lebensräume und der Landschaft, in der wir leben, erzählt der Biologe Jan Christian Habel. Die Ergebnisse eines Teams von Wissenschaftlern an der Uni Salzburg enthüllen Erschreckendes: In den letzten 40 Jahren sei ein Drittel der Tagesschmetterlinge aus dem Salzburger Becken und dem Alpenvorland verschwunden, während nun knapp die Hälfte der noch vorhandenen Schmetterlinge in einem kritischen Stadion stecke. „Aufgrund von intensiver Landwirtschaft und Zersiedlung in den tieferen Lagen der Alpen, sind die Schmetterlingsarten hier besonders betroffen“, sagt Jan Christian Habel. Auch Familie Jaros bei Spitz an der Donau stimmt diesem zu. Verantwortlich für diesen drastischen Rückgang ist der Mensch, der den Lebensraum der Falter durch den Bergbau zurückdrängt. „Hierdurch werden vor allem naturbelassene Blumenwiesen immer weniger“, erzählt Schmetterlingsexpertin Marion J. Dort, wo viel gespritzt und viel gedüngt wird, fehlen unter anderem die Schmetterlinge. Weitere Ursachen für das dramatische Aussterben sind laut Experten unter anderem der Klimawandel und die damit verbundenen langen Dürresommer und Hitze. 
„Was viele nicht bedenken, ist, dass auch das Mähen der Wiesen eine große Rolle spielt“, erzählt Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in Berlin. Nicht nur ohne Bienen, sondern auch ohne Schmetterlinge würde unser Ökosystem in die Brüche gehen. Wie der Artikel Darum ist das Insektensterben ein echtes Problem der Quarks aufzeigt, sind mehr als 85 Prozent aller Pflanzenarten abhängig von Bestäubung. Hierunter fallen beispielsweise auch viele Pflanzen, die zur Grundlage der weltweiten Ernährung zählen, wie Äpfel, Avocados, Karotten und Zucchini. Somit sind unsere Bestäuber, worunter auch unsere Falter fallen, für etwa 35 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion verantwortlich. Aus den vorliegenden Zahlen wird geschlossen, dass der Rückgang von Schmetterlingen auch einen Rückgang von Früchten, Gemüse und Nüssen nach sich zieht. Weitere potenzielle Auswirkungen dieser Tragödie wären, dass mehrere Millionen Menschen jedes Jahr als Folge der Mangelernährung sterben und viele Lebensräume, die die Grundlage für das reibungslose Funktionieren von Ökosystemen bilden, verarmen würden. Ein bereits erwähnter Grund hierfür ist auch der Klimawandel. Der zunehmende Artenschwund der Falter hängt grundlegend mit seinen jeweiligen Ansprüchen zusammen. Ist ein Schmetterling beispielsweise auf eine bestimmte Pflanzenart als Wirt spezialisiert, während diese Pflanze jedoch aufgrund von Klimaveränderung oder Überdüngung immer weiter zurückgeht, so stehe es gleichermaßen schlecht um die Schmetterlingspopulation, berichtet der Artikel Die zerbrechliche Welt der Falter des BR Wissen.  
Die meisten Menschen sind nur von dem überaus schönen Aussehen der Schmetterlinge angetan, aber dass ohne diese Falter auch unsere Pflanzen verschwinden würden, wissen leider die Wenigsten. Ein gutes Beispiel hierfür seien Blütenpflanzen mit Röhrenblüten, ergänzt Marion J. Diese könnten nur von Schmetterlingen bestäubt werden, da nur sie einen langen Rüssel besitzen. Im Bezug zur Umwelt gilt es außerdem zu erwähnen, dass das Raupenstadium der Schmetterlinge gleichzeitig eine wichtige Nahrungsquelle für Fledermäuse und Vögel darstellt. „Somit würden nicht nur wir Menschen, sondern auch die Tierwelt negative Aspekte aus dem Artensterben ziehen“, so Marion J.
So ist der Schmetterling in gewisser Weise die Nahrungsquelle der Tierwelt, aber ebenso wichtig auch als Bioindikator der Menschen. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb das Aussterben der Schmetterlinge mit großer Sorge gesehen wird. Da die Falter als frühe und gute Indikatoren für Veränderungen der Natur und Lebensumstände gälten, könnten sie auch in wissenschaftlicher Hinsicht helfen, erklärt Marion J. „Wenn ich eine Landfläche habe, auf welcher sehr viele Schmetterlinge herumfliegen, so kann ich mir sicher sein, dass dort auch viele weitere Arten vorkommen, das Land also als qualitativ wertvoll eingeschätzt werden kann.“ „In Niederösterreich haben wir mit die meisten Blumenwiesen“, sagt Marion J. Doch auch hier werden diese immer weniger. Eine Blumenwiese in der Nähe von Familie Jaros Garten erhält mehr als 1.000 Schmetterlingsarten in einem Naturschutzgebiet. „Diese Wiesenflächen sind einfach schon sehr, sehr rar geworden in ganz Österreich. Umso seltener sie werden, umso wertvoller sind die letzten, die wir haben“, erzählt Ronald Würfling, Geschäftsführer der Initiative „Blühendes Österreich“ in dem Artikel Lebensraum der Schmetterlinge bedroht von Martina Fuchs. Der Insektenforscher Dr. Andreas Segerer, stellvertretender Leiter der zoologischen Staatssammlung München, verrät, wie wir dem Artensterben entgegenwirken können. „Einerseits liegt das größte Problem an unserer Umweltpolitik, jedoch kann jeder von uns handeln, indem wir beispielsweise sogenannte Schmetterlingsfutterpflanzen anbauen“, so Andreas Segerer. Unter diesen Futterpflanzen verstehen sich Brennnesseln, Disteln, Minze, Veilchen, Flockenblumen oder auch Küchenkräuter-Pflanzen – diese bieten den Schmetterlingen Nektar und ihren Raupen Nahrung. Auch das Kaufen von nicht gedüngten und nicht gespritzten Lebensmitteln trage zum Erhalt der Arten bei, erzählt Andreas Segerer.
Magnus Wessel vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) und Robert Gabel, Vorsitzender der Tierschutzpartei teilen eine gemeinsame Meinung: Es müsse etwas in der Politik passieren. „Die Politik muss tätig werden und die Gesetzeslage grundlegend reformieren. Wir brauchen als dringendste Maßnahme bedeutend strengere Ökokriterien in der Landwirtschaft“, so Robert Gabel. Auch Magnus Wessel hofft hier auf das geplante Insektenschutzgesetz der Bundesregierung und damit verbunden auf ein Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. „Die jüngst beschlossenen EU-Vorgaben sind nicht im Ansatz ausreichend, um das Aussterben verschiedener Arten zu beenden“, meint Robert Gabel.  

Relevanz: 

Betroffen sind nicht nur die knapp 7,8 Milliarden Menschen auf der Erde, sondern auch die hunderttausenden Pflanzen- und knapp neun Millionen Tierarten. Da Schmetterlinge Blüten bestäuben und somit Teil der natürlichen Kreisläufe sind, halten sie somit viele andere Pflanzen- und Tierarten am Leben. Der Verlust der Schmetterlinge, die neben den Bienen eine wichtige Rolle im natürlichen Ökosystem spielen, würde somit zu einem Rückgang weiterer Arten führen. Ohne Insekten, wie den Schmetterlingen, verarmt die Biodiversität und wird das Ökosystem dauerhaft geschädigt.  

Vernachlässigung: 

Ein Rückgang der Schmetterlingsarten von rund einem Drittel lässt einige Experten schlucken. Grund für die Perplexität einiger Menschen ist nicht zuletzt die Vernachlässigung des Themas „Artensterben“ in der Politik, Wirtschaft und den Medien. Das Artensterben insgesamt ist seit der Krefelder Studie (2017), die einen drastischen Insektenrückgang feststellte, medial etwas präsenter geworden. Im vergangenen Jahr wurde das Aussterben der Schmetterlinge primär von kleineren Zeitungen wie Recklinghäuser Zeitung (Blumenlandschaften für Bienen und Schmetterlingen, 23.06.2021), Wiener Zeitung (Artenvielfalt in der Krise, 23.04.2021) und Münstersche Zeitung (Triage im Tierreich, 27.12.2021) thematisiert. Teilweise berichteten auch Die Zeit (Artensterben: Einer fehlt, 18.09.2021 + Biodiversität: Unser Aussterben, 24.11.2021), WWF Blog (Warum es immer weniger Schmetterlinge gibt, 11.04.2021) und WEB.DE (Dürre, Gift und Schottergärten – Schmetterlinge werden weniger, 09.07.2021) über das Artensterben der Schmetterlinge. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie ist die mediale Aufmerksamkeit jedoch immer noch zu gering. 

Kommentare:

Robert Gabel, Vorsitzender der Tierschutzpartei:  
„Die Politik muss tätig werden und die Gesetzeslage grundlegend reformieren, da wir als dringendste Maßnahme bedeutend strengere Ökokriterien in der Landwirtschaft brauchen.“ 

Marion J., Schmetterlingsexpertin:
„Viele sehen in Schmetterlingen nur die schönen ästhetischen Kreaturen. Dass diese aber eine große Rolle in unserem Leben spielen, das wissen die meisten nicht.“