2022: Top-Thema 07

Sexismus in politischen Parteien

Abstract:

Vier von zehn Politikerinnen haben im politischen Arbeitsalltag schon Sexismus und Belästigungen erlebt, zeigt eine Studie der europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF). Die Studie zeigt auch: wenn Frauen sich in kleinen, ländlichen Gemeinden politisch engagieren möchten, müssen sie mit erschwerten Bedingungen rechnen. Dabei wünscht sich die Mehrheit der Deutschen mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen, wie eben in politischen Ämtern. Um das zu erreichen, versuchen viele Parteien mit einer selbst auferlegten Quote den Frauenanteil zu erhöhen, um in den Parlamenten für eine Ausgewogenheit der Geschlechter zu sorgen. Die Herausforderungen der Parteien auf Bundes- und Landesebene, Parität zu erreichen, zeigen sich auf Kommunalebene noch viel deutlicher. Sexismus, intransparente Nominierungsprozesse und sogenanntes Platzhirschgehabe sorgen dafür, dass Frauen gar keinen Zugang zu politischem Engagement bekommen und dass Männer bei den Mandaten und leitenden kommunalen Aufgaben überrepräsentiert sind.
Auch wenn das Thema Sexismus in verschiedenen Kontexten medial thematisiert wurde, ist die Berichterstattung über Sexismus in Parteien mit Fokus auf die Ortsverbände bislang weitgehend unbeachtet geblieben.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Nicht erst seit der Bundestagswahl im letzten Sommer ist das Thema Sexismus in der Politik auf der Medienagenda präsent. Nachdem die Journalistin Laura Himmelreich im Januar 2013 den FDP-Politiker Rainer Brüderle in einem Stern-Artikel des sexuell übergriffigen Verhaltens beschuldigte, löste sie damit auf Twitter unter dem Hashtag #Aufschrei eine der ersten Sexismus-Debatten in Deutschland aus. Die Sexismusvorwürfe gegen den FDP-Politiker sensibilisierten die Politik. Im Jahr 2016 entfachte eine junge CDU-Politikerin aus Berlin die Debatte um Sexismus in politischen Parteien neu. Vier von zehn Politikerinnen haben im politischen Arbeitsalltag schon Sexismus und Belästigungen erlebt, zeigt eine Studie der europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF). Der herrschende Sexismus in der politischen Landschaft ist ein wichtiger Grund dafür, warum immer noch so viel weniger Frauen als Männer in die Politik gehen. Einige Parteien einigten sich auf interne Quoten, es bildeten sich Initiativen und Aktionen für mehr Parität in der Politik. Im neuen 20. Bundestag haben die weiblichen Abgeordneten einen Anteil von etwas unter 35 Prozent, in der letzten Legislaturperiode war ihr Anteil bei knapp 31 Prozent. In den Landesparlamenten sieht es ähnlich aus, dort machen Frauen 30,6 Prozent aus.
Auf Kommunalebene ist es schwer an statistische Daten zu kommen, und dass, obwohl die Kommunalpolitik als Fundament der Demokratie das größte Sorgenkind ist: hier sind Frauen oftmals nur unterdurchschnittlich repräsentiert. Während auf Landesebene die Vergabe von Direktmandaten einen Einfluss auf den Anteil der Frauen hat, gilt für Gemeinden die Größe als wichtigstes Merkmal für die Parität. Nach Auswertungen der EAF zeigt sich, dass vor allem in kleinen, ländlichen Gemeinden der Zugang für Frauen erschwert ist. Insgesamt machen Frauen in kommunalen Führungspositionen, wie zum Beispiel als Oberbürgermeisterinnen, nur einen Anteil von 8,1 Prozent aus. Männer sind bei den Mandaten und den leitenden kommunalen Aufgaben überrepräsentiert, sie dominieren die Kommunalpolitik noch deutlicher als auf Landes- und Bundesebene. Als Erklärungsversuch lassen sich drei Tatsachen festmachen: 1) Kommunalpolitik basiert in der Regel auf ehrenamtlichen Engagement und muss mit Familienpflichten (auch heute übernehmen immer noch mehr Frauen als Männer die Familienverantwortung) und den hauptberuflichen Verpflichtungen vereinbar seien; 2) Parteiinterne Quotenregelungen werden nicht umgesetzt, da sich kaum einer auskennt oder genauer hinschaut oder die Quoten werden schlichtweg nicht erreicht (auch hier spielt die ehrenamtliche Ausführung kommunaler Ämter eine wichtige Rolle) und Frauen werden seltener zur Übernahme von Ämtern motiviert und 3) werden auf kommunaler Ebene keine offiziellen Nominierungskommissionen gebildet, was zu einem intransparenten Prozedere führt. Die überwiegend männlichen und älteren kommunalen ‚Entscheider‘ können also weitestgehend autark entscheiden. Häufig kommt es vor, dass Frauen als ‚Verlegenheitskandidantinnen‘ nominiert werden, also aufgestellt werden, wenn ein Wahlsieg (der Partei) ohnehin sehr unwahrscheinlich scheint.

Zusätzlich sorgen Erfahrungen von sexuellen Übergriffen dafür, dass viele Frauen aus Parteien austreten oder sich nicht trauen, sich für ein politisches Mandat zu bewerben. Während die Parteien nach außen angeben, sie würden gegen Sexismus in ihren Parteien vorgehen, beklagen sich besonders jüngere Frauen über ein frauenfeindliches Klima und teilweise sogar über sexuelle Straftaten. Im Folgenden werden Erfahrungsberichte von Opfern und stillen Mitwissern starrer Parteistrukturen wiedergegeben, die das strukturelle Problem von Sexismus in Parteien auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene ansprechen. Sexismus wird dabei als Diskriminierung auf Basis des Geschlechts definiert, dazu zählt auch die sexuelle Belästigung. Die Nennung der Parteien beruht auf den Erfahrungen der Gesprächspartner*innen.

Selina Schorr, stellvertretende Bundesvorsitzende der Schüler Union, zeichnet ein trauriges Bild von der Situation der Frauen in der Politik: Bei einer normalen Veranstaltung sei die Wahrscheinlichkeit, dass man eine Form von sexueller Belästigung erfahre „fast höher als das keine kommt“. Sie selbst wurde von männlichen Kollegen angefasst, ist froh darüber, dass es nicht darüber hinaus ging. Sie kenne „auch Leute, die innerhalb der Partei vergewaltigt wurden“. Die Wahrscheinlichkeit, auf Parteiveranstaltungen angemacht zu werden sei höher als auf der Straße oder beim Feiern in Clubs, so Schorr. Auf Parteiveranstaltungen würde, besonders wenn es um die „körperliche Ebene“ ginge, viel zu häufig eine Grenze überschritten. Trotz frisch verabschiedeten Paritätsgesetzen und verschiedenen Initiativen und Vertrauenspersonen innerhalb der Parteien blieben Gespräche mit Parteimitgliedern in der Vergangenheit bisher erfolglos. In diesen Gesprächen täten alle immer so, als seien sie schockiert, wenn sie erzählt, dass sie „schon einmal bei einer Parteiveranstaltung gegen (ihren) Willen angefasst“ wurde. Das sei auch nicht erst seit kurzem ein Problem, sondern es handele sich dabei um „eine Struktur in der Partei, und bestimmt auch nicht nur in der Union“, die es schon seit Jahrzehnten so gebe, „und durch die Frauen grundsätzlich benachteiligt” würden. Dabei beklagt Selina Schorr, wie viele gute Frauen man schon verloren habe, da sie sich unwohl fühlten auf Partei-Veranstaltungen zu gehen, weil sie zuvor auf ebendiesen Veranstaltungen sexuell belästigt wurden. Es sei so lange „nichts dagegen gemacht“ worden, weil die anderen Mitglieder von der Situation profitieren würden, indem sie sich durch das Aufgeben der Frauen weniger Konkurrenz erhofften oder eben selbst Täter seien: „Warum sollte man etwas gegen sexuelle Belästigung unternehmen, wenn man selber Mädchen sexuell belästigt – dann würde man sich ja selber ins Bein schießen“. Die Unterstützung durch Männer sieht Schorr verloren, doch auch mit der Solidarität unter Frauen würde es hapern. Das „riesige Machtspiel“ in der Politik sorge dafür, dass Frauen sich als Konkurrentinnen sehen würden und einander nur in Ausnahmefällen unterstützen. Mit dieser Ansicht ist sie nicht allein. Auch Anna Görder, die Geschäftsführerin der CDU von Bad Salzuflen betont, dass es immer noch am wichtigsten sei, dass Frauen sich untereinander unterstützen. Als Frau müsste man immer mehr beweisen, dass man überhaupt etwas könne, und besonders als junge Frau werde „einem gerne mal die Kompetenz abgesprochen“. Es sei zur Bekämpfung erstmal wichtig, den Aussagen von Frauen mehr Gehör zu schenken und es nicht mit Aussagen wie „sowas gehört als Frau einfach dazu“ abzutun. In vielen Köpfen gäbe es immer noch den Gedanken, dass sich Frauen „sowieso nur aufregen“ und das entspräche nun mal nicht der Wahrheit.

Doch nicht nur Frauen bekommen den Sexismus in den Parteien mit, sondern auch andere anwesende Männer, die entweder Täter sind, oder selbst einfach zuschauen und nichts gegen den Sexismus in den eigenen Reihen tun. So berichtet ein ehemaliges Mitglied im Landesvorstand der Schüler Union davon, dass die Frauenquote und damit einhergehend das Anwerben weiblicher Mitglieder immer heruntergespielt wurde und männliche Parteikollegen sich über die Notwendigkeit beschwert hätten. Darüber, wie man Frauen ‚gewinnen‘ könnte, seien auch häufig Witze gemacht worden. Obwohl es zu seiner Amtszeit auch eine Frau im Landesvorstand gab, hätte er das Gefühl gehabt, dass „wichtige Sachen eher in der Männerrunde“ geklärt wurden. Er betont, dass es in den Kreisverbänden genug weibliche Mitglieder gegeben hätte, die sich einbringen wollten und die „das vielleicht auch besser gemacht hätten“ als manche männlichen Kollegen. Diese hätten jedoch nie eine Chance gehabt in den oberen Reihen mitreden zu dürfen. Sich als Mann einzumischen, dass trauen sich die wenigsten. Zu groß sei die Angst vor „negativen Konsequenzen“ für die eigene politische Karriere. Er gibt zu, dass er hier möglicherweise nicht den richtigen Weg gegangen sein könnte. Heute trauert er den Frauen hinterher, die gerne mitmachen wollten, aber es durch die existierenden Strukturen nicht geschafft haben und dass dieser Verlust einfach von denen ignoriert wurde, die „da ihre Witzchen drüber machen“.
Der Kreisgeschäftsführer der Jungen Union Düren, Louis Ulrich, sieht die Problematik in dem konservativen Denken. Es gäbe durchaus „alteingesessene Mitglieder“ die noch das alte Frauenbild im Kopf hätten. Dieses Denken dürfe es zwar eigentlich nicht mehr geben, aber man versuche ja bereits dagegen vorzugehen. Immerhin habe es 16 Jahre lang eine Bundeskanzlerin gegeben. Dann gäbe es nichts was dagegen spräche, eine Frau als Vorsitzende eines Ortsverbandes aufzustellen. Leider werden Frauen eher als Werbeschild einer angeblichen Anti-Sexismus-Kampagne benutzt, so habe Selina Schorr es schon häufiger erlebt, dass mit ihr als Frau geworben worden wäre, um zu zeigen, dass etwas gegen den Sexismus getan wird. Dann hätte man sie auf Bildern bewusst ganz vorne positioniert, damit sie auch gut sichtbar ist. Sich als Frau in der Partei Gehör zu verschaffen war leider nicht gewünscht. Neben all diesen negativen Aspekten beschäftigt Louis Ulrich dennoch die Frauenquote. Man müsse darauf achten, dass die Quote nicht zu der Benachteiligung von Qualifizierten führe. Es hätte Frauen gegeben, die eine Position überhaupt nur bekommen hätten, weil die Vorsitzenden die Aufgabe hatten, unabhängig von der Bewerbersituation, eine Quote erreichen zu müssen. Der ehemalige Landesvorsitzende der Schüler Union, Lars Görtz, ist da ähnlicher Meinung. Er sagt, dass Frauen durch die Quote ja sogar bevorzugt werden. Gleichzeitig gesteht er aber auch ein, dass Frauen „durch eine Grundstimmung und ein Grunddenken, vor allem in der Union, benachteiligt“ werden. Auch die Tatsache, dass Frauen häufig einfach nicht gewählt würden, obwohl sie die geeignete Kompetenz besäßen, gesteht er ein. Auf die Frage, ob er selbst schon mal zu dem beklagten Sexismus und dem schlechten Klima beigetragen habe, folgt eine lange Stille. Darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht, letztlich sei es ihm aber auch egal. Er habe sich nie wegen des Geschlechts für oder gegen jemanden entschieden, sondern „eher nach dem Können“. Es gäbe ohnehin auch Frauen, „die, wenn es die Quote nicht geben würde, nichts geworden wären“. Sobald mal eine Frau eingetreten wäre, die „halbwegs kompetent war“ wäre diese ja auch „binnen drei Wochen“ schon im Bezirksvorstand gewesen, weil man so händeringend nach weiblichen Mitgliedern gesucht habe.
Doch wenn jedes Mal die Quote als Verteidigung herangezogen wird, lässt sich auch überprüfen, inwiefern diese wirklich Auswirkungen auf den Sexismus in den Parteien hat. Mit einem Frauenanteil von 26,5% in der CDU und 21,3% in der CSU stehen die beiden Parteien schon am Ende der Liste (Stand 2019). Weniger Frauen hat nach einer Studie der Europäischen Akademie für Frauen in der Politik nur die AFD mit 17,8%. Die SPD hat beispielsweise einen Frauenanteil von 32,8%. Auch hier gäbe es „Sexismus in allen Facetten“ so der Pressesprecher der SPD NRW, Marcel Atoui. Ihm sei allerdings aktuell kein Fall bekannt. Wenn dies allerdings bekannt würde, würde natürlich ein Verfahren eingeleitet und bei justiziablen Straftaten könne in der Regel auch ein Parteiausschluss erfolgen. Auch er gibt an, dass Parteien die Gesellschaft abbilden und demnach Sexismus auch in diesen ein Problem sei. Fast, als würde die Tatsache, dass es Sexismus auch an anderen Orten gibt, herunterspielen können, dass das Thema in der Politik besonders dramatisch ist. Spätestens nach „Me too“ gäbe es aber nun auch Änderungen und Reformen, welche allerdings erst einmal „von unten wachsen“ müssten. Hierzu erwarte die SPD auch, dass die Betroffenen auf sie zu kommen, damit man anschließend schauen könne, wie die Problemlage wirklich sei. Leider sei es aber häufig der Fall, dass Vorwürfe nicht justiziabel seien und dann Aussage gegen Aussage stünde. Trotzdem hätte er die Erwartungshaltung, dass es ein klares Einschreiten gäbe, wenn es zu Vorwürfen komme. Außerdem gebe es ein gutes Netzwerk innerhalb der Partei. Dort würden beispielsweise geschützte Räume angeboten, in denen es möglich sei, solche Gespräche nur unter Frauen zu führen, und in denen man planen könne, wie die weiteren Schritte verlaufen, und inwiefern Betroffene Hilfe bekommen können. Sexismus sei ein altes Problem und wenn man sich politisch engagiere, sei man in den Strukturen natürlich drin, es komme einfach im konkreten Fall darauf an was, wo, wie passiert sei.
Den höchsten Frauenanteil haben die Grünen mit 41%. Die Landesvorsitzende der Grünen in NRW, Mona Neubaur, betont, dass Sexismus kein Tabu Thema sein dürfe. Es sei wichtig darüber zu sprechen, dass die meisten Strukturen in der Politik immer noch männlich dominiert sind und es in gewissen Kreisen völlig normal sei „Frauen gering zu schätzen, weil sie eben keine Männer sind“. Für viele, vor allem junge Frauen, die sich politisch engagieren, sei dies trauriger Alltag. Es sei wichtig, diese Strukturen zu benennen, um den Sexismus dann bekämpfen zu können. Sexismus sei auch bei den Grünen ein Problem, werde aber nicht geduldet.
Auch in der CDU, die ja nach den Aussagen der Betroffenen besonders mit sexistischen Strukturen zu kämpfen haben, nehme man das Problem ernst, so der Pressesprecher der NRW CDU; Thomas Breuer. Es gäbe keine Toleranz gegenüber Straftätern und Opfer bekämen einen besonderen Schutz. Die Rechercheergebnisse zeigten jedoch, dass in der CDU gegen die wenigsten Fälle konkret vorgegangen wird. Die Verantwortung hierfür gibt die CDU an die gewählten Mitgliederbeauftragten ab. Dass es sich bei diesen häufig auch um Männer handelt und nicht selten um die potenziellen Täter, wird dabei nicht bedacht. Betroffene geben an, sich nicht gemeldet zu haben da anschließend ihr “Ruf ruiniert gewesen wäre”. Über Anschuldigungen von Frauen werde gelacht, diese offen zu präsentieren könne also zu einem höheren Schaden führen, als sie einfach für sich zu behalten. Das ist ein Grund, warum die meisten Straftaten nicht gemeldet werden. Trotzdem gibt es immer wieder Frauen wie Selina Schorr, die offen ansprechen was ihnen und ihren Bekannten widerfahren ist. Hierbei gilt es nicht nur sexuelle Übergriffe zu thematisieren, sondern auch auf Sexismus in Form von Geschlechterdiskriminierungen aufmerksam zu machen.

Insgesamt zeigt sich ein deutliches Schema. Viele junge Frauen beklagen sich über den vorherrschenden Sexismus in den Parteien. Die Parteien gestehen sich dieses Problem zwar ein und geben an, dagegen vorzugehen. Doch wenn man die Betroffenen befragt, geben alle an, dass in diesem Bereich deutlich mehr Luft nach oben besteht. Auf einer Skala von eins bis zehn werde in der Integrationsfähigkeit in professionell durchgeführten Umfragen selten eine Note im oberen Drittel bescheinigt – eine Ausnahme ist nur die Partei Die Grünen. Sehr viel häufiger bekämen die Parteien bei dieser Frage ein Zeugnis im unteren Drittel der Skala ausgestellt, so eine Studie der Europäischen Akademie für Frauen in der Politik.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Kommunalebene als Grundpfeiler der Demokratie gelegt werden. Die Kommunalpolitik ist der Startschuss für alle Frauen, die hauptberuflich die Politik mitgestalten wollen. Wenn auf Kommunalebene nicht gegen Sexismus in den Parteien vorgegangen wird, wird es für die Parität auf Bundes- oder Landesebene schwer.

Relevanz:

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Für viele ist die mangelnde Repräsentation von Frauen in politischen Ämtern schon eine Form von Sexismus, nämlich die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Doch ein ebenso wichtiges Thema sind die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Politik. Hilfe aus den eigenen Parteireihen zu bekommen ist schwer. Der 19. deutsche Bundestag wurde von nur 31% weiblichen Abgeordneten repräsentiert, aktuell beläuft sich der Anteil der Frauen in der Bundesregierung auf immerhin 34,9%. Im Landtag NRW liegt der Frauenanteil bei 27,6%. Auch wenn es kaum statistische Daten über den Anteil von Frauen auf Kommunalebene gibt, so zeigen Erfahrungsberichte und Statistiken doch deutlich, dass der Einstieg in die Politik, auch auf ehrenamtlicher Ebene, für Frauen deutlich schwerer ist als für Männer. Kommunen gelten als Startplatz für politische Karrieren, weswegen ihnen in diesem Zusammenhang eine besondere Aufmerksamkeit zuteil kommen muss. Das Thema Sexismus in der Politik ist nicht erst seit gestern problematisch. Trotzdem findet erst seit kurzem eine Aufarbeitung des Problems statt und es gibt hierbei noch viele zu bewältigende Aufgaben.

Vernachlässigung:

„Sexismus in der Politik? Joa solls geben“ auf diese Weise begann ein Telefonat während der Recherche. Dabei denken die wenigsten darüber nach, wenn sie im Fernsehen fast nur männliche Abgeordnete sehen können. Die ersten Stimmen wurden erst laut, nachdem die EAF ihre Studie veröffentlicht hatte. Dazu gehört die Tagesschau mit dem Artikel „Neue Studie- Vier von zehn Politikerinnen mit Sexismus Erfahrungen“ vom 4.11.21 oder „Große Sexismus Studie- Wieso es Frauen in der Politik immer noch schwer haben“ von der BR KulturBühne ebenfalls vom 04.11.2021. Dazu kommen Beiträge wie „Die CDU-Politikerin Jenna Behrends hat ihrer Partei und Frank Henkel Sexismus vorgeworfen. Wie sieht es in anderen Parteien aus?“ aus der taz von 2016 in der sich mit dem strukturellen Sexismus in der Politik auseinandergesetzt wird oder wie „t“ vom 06.07.2021 in der sich 21 Politikerinnen über Dickpics, Morddrohungen und Beleidigungen beschweren. Zwar sind sich die Journalisten und Politiker in jedem Fall einig, dass das Problem existiert, aber es hat nie den „Aufschrei“ gegeben, der angemessen wäre. Das Thema wurde in den letzten Jahren immer wieder angesprochen, aber wirklich verändert hat sich dadurch nichts. Stark vernachlässigt wurde die Situation auf kommunaler Ebene. Hier erschweren mehrere Mechanismen das weibliche Engagement, das für die politische Landschaft so wichtig ist.

Kommentare:

 Selina Schorr, stellvertretende Bundesvorsitzende der Schüler Union:
„Bei einer normalen CSU-Veranstaltung ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendeine sexuelle Belästigung kommt, fast höher, als das keine kommt.“

Anna Görder, Beisitzerin und Geschäftsführerin in der CDU:
„Dir wird besonders als Frau gerne mal die Kompetenz abgesprochen“

Marcel Atoui, Pressesprecher der SPD:
„Es ist meistens so, dass die Vorwürfe nicht justiziabel sind und dann Aussage gegen Aussage steht“

Johanna Lohaus, Pressesprecherin der Europäischen Akademie für Frauen in der Politik:
„Die Studie, die wir dazu gemacht haben, war das erste Mal, dass es dazu überhaupt eine Studie gab, wir sind da wirklich noch am Anfang“