2020: Top 7

Unsichtbare internationale Ausbeutung von Hauspersonal

International gibt es viele Arbeitskräfte, die in Privathaushalten angestellt sind und über kein offizielles Arbeitsverhältnis verfügen. Häufig sind sie zudem auch nicht offiziell als Arbeitskräfte in dem jeweiligen Land gemeldet und verfügen damit über noch weniger Rechte. Diese Menschen stehen in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Arbeitgebern – haben jedoch keine Lobby. Das führt dazu, dass diese Menschen besonders gefährdet sind, dass ihre Abhängigkeit ausgenutzt wird. Der Jury liegt als Beispiel eine Recherche über philippinische Hausangestellte in Hongkong vor. Über die globalen Waren- und Arbeitskräfteströme sind auch Haushalte in Deutschland betroffen, berichtet wird hierüber aber viel zu wenig.

 

Sachverhalt & Relevanz:

Auf den Philippinen herrscht eine ungleiche Einkommensverteilung und eine hohe Armutsquote, was Folgen für den sozialen Zusammenhalt eines Landes haben kann. Um der Armut zu entfliehen und ihre Familie weiter ernähren zu können, nehmen viele philippinische Frauen einen Job als Kindermädchen in Südostasiatischen Ländern an. Das dort verdiente Geld schicken sie zu ihren Familien in ihre Heimat.

Gegenwärtig gibt es weltweit mindestens 67 Millionen Hausangestellte. Nach jüngsten Schätzungen der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO) sind 11,5 Millionen von Ihnen Kindermädchen und Haushaltshilfen. Davon sind 45% Frauen. Laut ILO sind 21 Millionen Hausangestellte überwiegend in Asien und im Pazifik beschäftigt, jedoch gehören Kindermädchen gerade in Hong Kong und Singapur zum Alltag dazu. Philippinische Haushaltshelferinnen sind bei reichen Asiaten und sogenannten ,,Expats’’, also  Führungskräften, die vorübergehend an eine ausländische Geschäftsstelle entsandt werden, sehr beliebt. Sie gelten als fleißig und treu und gehören in Hong Kong in vielen Haushalten dazu. Die Haushaltshilfen ermöglichen Erwerbstätigen aufgrund der Betreuung der Kinder ein höheres Familieneinkommen. Selbst erhalten Sie weniger als den vorgeschriebenen Mindestlohn, welcher 28 Hongkong- Dollar pro Stunde, umgerechnet etwa 2,44 Euro beträgt. Hausangestellte machen einen erheblichen Teil der informellen Beschäftigung aus und gehören zu den am stärksten gefährdeten Arbeitnehmergruppen. Sie arbeiten für private Haushalte, oft ohne klare Beschäftigungsbedingungen und sind vom Anwendungsbereich der Arbeitsgesetzgebung ausgeschlossen.

Lesslie Torres ist eine heute 34-jährige Haushälterin von den Philippinen, die in Südkorea lange Zeit bei einer amerikanischen Familie gearbeitet hat. Die Familie lebt in Asien. Sie verdiente weniger als den umgerechneten Mindestlohn und schickte das wenige Geld, welches sie verdient hat, in ihre Heimat, um ihren Mann und ihre Kinder zu versorgen. Da ihr Mann mit Rückenbeschwerden zu kämpfen hatte, fiel es ihm schwer eine neue Arbeit zu finden. Lesslie konnte kostenlos bei der Gast-Familie essen und in ihrem kleinen Zimmer schlafen. Einen kleinen Anteil ihres Lohns sparte Lesslie für einen Flug in die Heimat, um ihre Familie zu besuchen. Aufgrund des niedrigen Gehalts ließ sich der Heimatbesuch maximal alle ein bis zwei Jahre realisieren.

Die philippinischen Haushaltsmädchen oder Kindermädchen, welche in Südostasien leben, leiden darunter die meiste Zeit von ihren Kindern getrennt zu sein. Es sind meistens Frauen, die über Vermittlungsagenturen oder Mund zu Mund Propaganda vermittelt werden. Ihre Arbeit kann Aufgaben wie das Putzen des Hauses, Kochen, Waschen und Bügeln von Kleidung, die Betreuung von Kindern oder älteren oder kranken Familienmitgliedern, Gartenarbeit, die Bewachung des Hauses, Fahrtdienste für die Familie und sogar die Pflege von Haustieren umfassen. Dies geschieht meistens zu übermäßig langen Arbeitszeiten. Diese Informationen beruhen auf einem Befund, der 2013 von der ILO veröffentlicht wurde. Die Vermittlungsagenturen vermarkten die Philippinerinnen wegen ihrer Erziehung als ‚,treu und weniger anspruchsvoll als Chinesen’’. Hinter der Fassade versteckt sich jedoch nicht selten eine Geschichte von Ausbeutung und Missbrauch. Zwischen Aufgaben im Haushalt wie putzen, kochen und waschen, sowie der ganztägigen Kinderbetreuung, bleibt den jungen Frauen keine Zeit für sich selbst. Eltern gehen auf Geschäftsreise und lassen ihre Kinder mehrere Tage in Obhut der sogenannten ,,Helferinnen’’. Die Rückzugsorte der Angestellten in Südostasien sind lediglich ca. 4qm groß. Es herrscht eine völlige Ausnutzung des Arbeitsverhältnisses. Erschreckend ist, dass fast jede einzelne Wohnung in Südostasien diese ,,Abstellkammern’’ beinhaltet, welche extra für die Angestellten vorgesehen sind. Diese Bereiche sind oft nicht mehr als kleine Kämmerchen mit wenig Tageslicht, die in Deutschland lediglich als Speisekammer genutzt werden würden. Einige Helferinnen müssen in einem Raum mit den Haustieren der Arbeitgeber schlafen und werden kaum mit mehr als einer täglichen Schüssel Reis mit etwas Gemüse versorgt.

Der Mindestlohn und das Mindestgehalt für ausländische Hilfspersonen in Hongkong wird von der Regierung Hongkongs reguliert und liegt derzeit bei 4.630 HK$ pro Monat, was nach aktuellem Kurs 534,02 € beträgt. Diese Beträge werden jährlich angepasst. Mit der steigenden Nachfrage nach Helferinnen und Helfern und den wachsenden Lebenshaltungskosten, haben einige Arbeitgeber begonnen, höhere Gehälter und andere Vergünstigungen anzubieten, um ihre Haushaltshilfe zu behalten und diese langfristig an die Familie binden zu können. Diese Vergünstigungen können die Bereitstellung von Verpflegungszuschüssen, Jahresabschlussboni, zusätzlichen freien Tagen, längerem Jahresurlaub und zusätzlichen Heimreisen umfassen. Nicht alle Arbeitgeber halten sich an diese Gesetze, weil sie sich den Helferinnen überlegen fühlen und das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer voll ausreizen. Das Jemand abgeworben wird passiert sehr selten. Die Helferinnen, die zumeist schlecht über ihre Rechte informiert sind und sich nur selten zur Vertretung eigener Interessen organisieren, werden nicht als Arbeitnehmerinnen wahrgenommen – und entsprechend auch nicht wie Arbeitnehmerinnen geschützt. Dabei sind Sie häufig auf die Erwerbstätigkeit angewiesen, so dass Sie niemals riskieren würden, durch Forderungen ihren Job in Gefahr zu bringen oder gar gänzlich zu verlieren.

Lesslies Schilderungen zeigen einen schockierenden Arbeitsalltag: Die Haustiere erhalten ab fünf Uhr morgens jede Art von Pflege und Fürsorge. Nach dem frühen Spaziergang mit den Hunden muss das Frühstück vorbereitet werden. Im Anschluss wird das Haus geputzt, die Wäsche gewaschen, das Mittagessen zubereitet, eingekauft, die Kleidung zum Trocknen aufgehängt und gebügelt, sowie das Abendessen gekocht. Im Anschluss an das Abendessen und einem vermeintlichen Ende des Arbeitstages ist die Arbeit noch nicht getan. Es gilt noch mit den Kindern Schulaufgaben zu machen, es wird gespielt und anschließend werden die Kinder bettfertig gemacht. Wenn die Kinder einmal versorgt sind, müssen die Helferinnen sich um die Arbeitgeber kümmern. Es werden Drinks vorbereitet, Fernbedienungen angereicht und Abendspaziergänge mit den Tieren durchgeführt.

Abgesehen von den Schwierigkeiten des Arbeitsrechts, mit denen die philippinischen Frauen zu kämpfen haben, gibt es noch ganz andere Beispiele für die Schwierigkeiten, die der Job als Haushaltshilfe in Hong Kong mit sich bringen kann. So zum Beispiel der Fall von Myla Macalalad Castillo. Die Ende dreißigjährige Frau wohnt bei einer reichen Chinesin in einem Hong Konger Penthouse. Ihre Arbeitgeberin ist manchmal wochenlang verreist und lässt sie in der Wohnung alleine. Das mag nach außen hin aussehen wie ein Paradies, hat sich jedoch für Myla schnell als Albtraum entpuppt. So simpel es erscheint, dass Frauen aus armen Regionen in reichen Ländern Kinder und ältere Menschen betreuen um mehr Geld zu verdienen, so schwierig hingegen gestaltet sich das tägliche Leben – sind die Frauen erst einmal in die Länder eingereist und haben ihre Arbeitsstelle angetreten.

Die Frauen reisen meist mit einem Urlaubsvisum ein, das nach wenigen Wochen abläuft. Im Anschluss bleiben sie dann einfach im Land, in der Hoffnung, nicht aufzufliegen. Myla hat eigentlich auf den Philippinen in einer Grundschule gearbeitet und unterrichtete Englisch für knapp 20 Euro im Monat. Weil das nicht ausgereicht hat, um sich ihren Traum vom Promovieren zu ermöglichen, zog sie nach Hong Kong, um dort als Putzfrau oder Haushaltshilfe, wie Lesslie es auch tat, zu arbeiten. Da Mylas Visum schon lange abgelaufen ist, ist sie weder renten-, noch krankenversichert, und kann dementsprechend auch nicht zum Arzt gehen. Die ständige Angst, als illegaler Einwanderer aufzufliegen belastet die Betroffenen stark. Myla traut sich aufgrund der ständigen Abwesenheit ihrer Arbeitgeberin kaum noch auf die Straße. Eine Abmachung zwischen Myla und ihrer Arbeitgeberin beinhaltet eine Falschaussage zu Gunsten von Myla, in welcher sie eine Freundin ihrer Arbeitgeberin ist, jedoch keine Angestellte, sollten Behörden oder Nachbarn aufmerksam werden. Die Suche nach einer neuen Arbeit gestaltet sich auf offiziellem Wege mit einem abgelaufenen Visum ebenfalls schwierig. Die Kindermädchenindustrie ist ein riesiges Netzwerk, bei dem den Arbeitnehmerinnen jegliches Mitspracherecht verwehrt bleibt, insbesondere dann, sollte man sich bereits illegal im Land befinden.

Einmal in der Woche haben die philippinischen Arbeiterinnen einen gesetzlich vorgeschriebenen freien Tag. In den meisten Fällen fällt dieser freie Tag auf einen Sonntag. An diesem Tag haben die Arbeitgeber ihren eigenen freien Tag und sind dazu in der Lage, die Arbeiten, die sonst von den Angestellten zu erledigen wären, selbst zu erledigen. Sie gehen in Parks oder verbringen ihren freien Tag in Shopping Malls, in denen es Internetzugang und klimatisierte Räume gibt. Um die Überfüllung der Einkaufszentren an diesem Tag zu stoppen, hat die Regierung in Hong Kong sogar jegliche Sitzmöglichkeiten in den Malls entfernt.

 

Relevanz:

Wanderarbeiter, vor allem Hausangestellte, gibt es aus vielen Ländern. In Südostasien und im Nahen Osten kommen die Wanderarbeiter oft von den Philippinen, in Deutschland übernehmen diese Aufgaben beispielsweise oft Osteuropäische Arbeiter. Das Problem ist also eine weltweite Problematik von Arbeitsmigration und Rechtsschutz.

Eine Organisation wie die ILO gibt es selten in Asien und somit setzt sich niemand wirklich für die Frauen ein. Helpers for domestic workers (HDH) ist eine NGO, die ausländische Hausangestellte in Hongkong rechtlich berät und betreut. Im Laufe der Jahre hat HDH Tausenden von Hausangestellten in Not geholfen und dazu beigetragen, Millionen von Dollar an Entschädigung durch die Gerichte oder direkte Interventionen einzufordern. Sie bietet mit Hilfe von engagierten Freiwilligen und Anwälten ein hohes Maß an Service. Des weiteren haben die Philippinen verschiedene multi- und bilaterale Abkommen zur Arbeitsmigration abgeschloßen, beispielsweise die UN Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer sowie die Konventionen 97 (Migration for Employment), 143 (Migrant Workers) und 189 (Domestic Workers) der ILO. In der Theorie existieren also viele Abkommen, in der Praxis sieht es dafür oft düster aus.

Dennoch sind viele Helferinnen illegal im Land oder haben zu viel Angst sich der HDH anzuvertrauen. Zudem fehlt, durch die langen Arbeitstage und die hohe Belastung die Zeit dazu, sich in Lobbies zu organisieren. Aus diesem Grund ist es wichtig ihnen diese Angst zu nehmen, selbst wenn sie sich ohne ein Visum im Land befinden. Aufgrund der fehlenden Kenntnisnahme gibt es in Europa wenig Befunde über Hausangestellte in Asien. 

 

Quellen:

Anthony Bourdain, Kulinarische Abenteuer, 24.04.2016, Dokumentation, Abenteuer: festliche Straßen der Philippinen

E-Mail Verkehr mit Lesslie Torres, Helferin einer amerikanischen Familie in Südostasien, 09.01.20.

E-Mail Verkehr mit Myla Macalalad Castillo, Helferin einer wohlhabenden asiatischen Familie in Südostasien, 10.01.20.

Gespräch mit Shila Escarda, Erzählungen von den Umständen als Helferin, 15.01.20.

Studie von ILO , Global estimates on migrant workers, Results and Methodology, 2013, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—dgreports/—dcomm/documents/publication/wcms_436330.pdf mit dem speziellen Fokus auf zugewanderte Hausangestellte.

POEA, Verarbeitung und Einsatz von Haushalt- oder Haushaltsbediensteten, http://www.poea.gov.ph

Helperchoice, Auf der Suche nach einer Haushaltshelferin, https://www.helperchoice.com/find-domestic-helpers/results?c=hong-kong 18.01.20

ILO, http://www.ilo.org/domesticworkers, https://www.ilo.org/global/topics/domestic-workers/WCMS_452490/lang–en/index.htm, domestic work according to region, country or theme. 20.01.20

Umweltdialog, https://www.umweltdialog.de/de/politik/weltweit/archiv/2011-05-09_Erstmals_gesetzlicher_Mindestlohn_in_Hongkong.php, Mindestlohn In Hong Kong, 22.01.20