2019: Top 7

Botswana – Wohlstand und Demokratie in Afrika

Die aktuelle Afrikaberichterstattung ist gemäß den Nachrichtenfaktoren weithin von negativen Meldungen bestimmt. Positive Entwicklungen, etwa in Ostafrika (innere Entwicklung Äthiopiens, Friedensregelung mit Eritrea) oder auch in Westafrika (wiederholte friedliche Machtwechsel nach Wahlen in Ghana) finden dagegen kaum Beachtung. Ein besonderes Beispiel für eine langjährige positive Entwicklung ist Botswana. Trotz der langjährigen Frontsituation während des Anti-Apartheid-Kampfes sowie einer der höchsten HIV-Raten der Welt (zwischenzeitlich 25% in der Altersgruppe 15-49) ist es Botswana gelungen, Demokratie und Rechtsstaat zu erhalten und größere gewalttätige Auseinandersetzungen zu vermeiden und Menschen- und Bürgerrechte besser zu schützen als fast alle anderen Länder Afrikas. Der Rohstoffreichtum (hier vor allem Diamanten), in anderen Staaten Quelle von Korruption und Gewalt, wurde hier überwiegend für sinnvolle Entwicklung eingesetzt, wozu allerdings die vergleichsweise geringe Bevölkerung von derzeit nur gut zwei Millionen beigetragen hat.

 

Sachverhalt & Richtigkeit:

Unter den Ländern südlich der Sahara steht Botswana heute an der Spitze der Entwicklung. Doch wie schaffte das Land den Aufstieg eines Stück unfruchtbaren Landes zu einer wirtschaftlich stabilen Demokratie? Ein Jahr nach der Unabhängigkeit 1966, entdeckte man im braunen Kalaharisand die ersten Diamanten. Damit begann der Aufstieg eines der ärmsten Länder Afrikas.

Botswana ist nicht das einzige Land Afrikas mit umfangreichen Bodenschätzen. Gerade in vielen besonders mit hochwertigen Bodenschätzen ausgestatteten Staaten Afrikas haben diese Ressourcen jedoch nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung geführt, sodern im Gegenteil zu Korruption, Diktaturen und Bürgerkriegen (etwa Äquatorial-Guinea, Angola, Gabun, DR Kongo und VR Kongo, Nigeria). Botswana ist es gelungen, solche Entwicklungen zu vermeiden.

„Botswana wird oft das Musterland Afrikas genannt,“ erklärt Dr. Martin Adelmann, Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg. „Was Botswana über die letzten Jahrzehnte geschafft hat, ist der Frieden. Und die Ressourcen des Landes für das Land einzusetzen.“ Botswana hat heute eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen Afrikas. Im Korruptionsindex von Transparency International ist Botswana seit Jahren das führende, also am wenigsten als korrupt wahrgenommene, Land Afrikas, auch heute noch sogar vor vielen EU-Staaten platziert, darunter auch so bedeutenden wie Italien, Spanien und Polen, die als korrupter wahrgenommen werden.

Die gute Regierungsführung (Good Governance), die hier zum Ausdruck kommt, ist nicht ohne Lücken. Ian Khama, der älteste Sohn des ersten Präsidenten, wurde 2008 Regierungschef der Republik. Mit Ian Khama erfuhr das Land einen neuen Regierungsstil. Er ist im Gegensatz zu seinen Vorgängern deutlich autoritärer. Dies äußert sich vor allem darin, dass er weniger auf die Opposition eingeht. Journalisten werden mundtot gemacht. Im Zusammenhang damit, dass es seit der Unabhängigkeit keinen Machtwechsel gab, bilden sich 2010 die Partei „Botswana Movement for Democracy“. Helmut Fischer und Stefan Vogt von der Friedrich-Ebert-Stiftung bezeichnen die Gründung der BMD als eine „signifikante Stärkung der schwachen Opposition im Land“. Die neue Partei strebt eine Verjüngung in den politischen Strukturen an. Die Jugend ist, laut Fischer und Vogt, „bestrebt mehr Demokratie zu wagen.“

Auch wird Ian Khama für seine Position gegenüber den Ureinwohnern des Landes, den Buschleuten, kritisiert. „Es geht dabei um die Bodenschätze,“ berichtet Dr. Martin Adelmann. „Die Buschleute werden umgesiedelt.“ Jedoch seien bei diesem Fall beide Seiten in Betracht zu ziehen. „Botswana lebt von Bodenschätzen. Man muss sich fragen, inwieweit man eine kleine Bevölkerungsgruppe gegen das Interesse der Allgemeinheit stellen kann.“

Auch das Musterland Afrikas war von der Weltwirtschaftskrise 2009 betroffen. Die Nachfrage an Diamanten ging in der Euro-Krise deutliche zurück. Neben Protesten von Arbeiten sorgte die drastische Ausbreitung von HIV für Probleme. Die Regierung gewann Unternehmen des Landes und internationale Stiftungen für Programme gegen AIDS. Dr. Martin Adelmann erklärt, dass HIV bis heute ein großes Problem des Landes sei: „Jedoch sind viele Programme gestartet. Es gibt eine flächendeckende medizinische Versorgung und die Preise für Medikamente sind runtergegangen.“

Die britische Organisationen Avert hat 2017 eine HIV Infektionsrate von 21,9% erfasst. Damit hat Botswana die drittgrößte Infektionsrate der Welt. Die Organisation stellt jedoch heraus, dass Botswana das einzige Land in dieser Region ist, welches kostenlos hochaktive antiretrovirale Therapie für Infizierte anbietet. Vom Jahr 2005 auf 2017 ist die Zahl der Erkrankten um 3,5% gesunken.

Im Oktober 2019 stehen in Botswana die neuen Parlamentswahlen an. Ian Khama ist nach 10 Jahren an der Spitze der Regierung zurückgetreten. Der Vizepräsident Mokgweetsi Masisi rückte nun gemäß der Verfassung automatisch nach. Der neue Staatschef betonte in seiner Rede zur Amtseinsetzung, dass er der Korruption in Afrika ein Ende setzten will. Die Wirtschaft, welche sich auf die endlichen Ressourcen des Landes und den Tourismus aufbaut, soll gestärkt werden.

 

Relevanz:

Auch im Kontext der Flüchtlingskrise ist die innere Entwicklung der afrikanischen Staaten von großer Bedeutung. Das „Fluchtursachen bekämpfen“ der Entwicklungspolitiker ist eine Illusion, denn eine auch nur minimale Verbesserung von „Good Governance“ in Afrika wird unendlich viel mehr bewirken als alles, was an Entwicklungszusammenarbeit denkbar ist, während umgekehrt eine Verschlechterung hier nicht aufgewogen werden kann. Botswana kann hier als Positivbeispiel dienen, in dem gute Regierungsführung trotz mancher Defizite im Großen und Ganzen gelungen ist.

 

Vernachlässigung:

Die Berichterstattung über Afrika folgt den Nachrichtenfaktoren. Dies bedingt eine Dominanz des Negativen (Unglücksfälle, Naturkatastrophen, vor allem aber gewalttätige Konflikte). Sich positiv entwickelnde Strukturen finden hier wenig Niederschlag. Dass ein Land im südlichen Afrika eine Trendumkehr bei den HIV-Erkrankungen erreicht hat oder in der Korruptionswahrnehmung deutlich besser dasteht als viele Länder der Europäischen Union, bleibt in der Berichterstattung so unterbelichtet, dass dieses Vorurteile in Zweifel ziehende Beispiel dem deutschen Medienpublikum notgedrungen fast völlig unbekannt ist.

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Quellen:

 

Helmut Elischer, Stefan Becker, Die Qual der Wahl: bedroht Wählerapathie Botswanas Demokratie?, Friedrich-Ebert-Stiftung, https://library.fes.de/pdf-files/iez/06502.pdf, Kurzbericht aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

Heribert Schmidt, Botswana: allgemeine Informationen, Geschichte, Politik, Das Länder-Informations-Portal, https://www.liportal.de/botswana/geschichte-staat/#c4158

 

Gespräch: Dr. Martin Adelmann, Fachbereichsleiter an der Universität Freiburg, Fachgebiet: Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft, Geschäftsführer des Arnold-Berstässer-Instituts (E-Mail bekannt), 23.01.2019

 

 

Kommentar:

„Was Botswana über die letzten Jahrzehnte geschafft hat ist der Frieden. Und die Ressourcen des Landes für das Land einzusetzen.“

(Dr. Martin Adelmann, Fachbereichsleiter an der Universität Freiburg, Fachgebiet: Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft, Geschäftsführer des Arnold-Berstässer-Instituts)

 

„Botswana lebt von Bodenschätzen. Man muss sich fragen, inwieweit man eine kleine Bevölkerungsgruppe gegen das Interesse der Allgemeinheit stellen kann.“

(Dr. Martin Adelmann, Fachbereichsleiter an der Universität Freiburg, Fachgebiet: Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft, Geschäftsführer des Arnold-Berstässer-Instituts)