2019: Top 1

JEFTA: Das größte Freihandelsabkommen der Welt

Das Handelsabkommen zwischen Japan und der EU (JEFTA: Japan-EU Free Trade Agreement) stand lange Zeit völlig im Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung, obwohl es weitgehend zeitgleich mit den Abkommen TTIP und CETA verhandelt wurde und obwohl sich hier zwei der größten Wirtschaftsräume der Welt zu einer Freihandelszone vereinen. Da Freihandelsabkommen aber das Potential haben, die Souveränität der beteiligten Nationalstaaten einzuschränken, sowie der Vorwurf im Raum steht, dass sie Demokratien unterminieren, sollten solche Abkommen transparent gestaltet sein – und öffentlich diskutiert werden.

 

Sachverhalt & Richtigkeit:

Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan ist beschlossene Sache. Es soll zukünftig die Handelsbeziehungen der Vertragspartner regeln und ist am 01.02.2019 in Kraft getreten. Nur die Öffentlichkeit hat davon nahezu nichts mitbekommen – obwohl sich hier zwei der größten und potentesten Wirtschaftsräume der Welt zu einer gigantischen Freihandelszone vereinen. Die EU machte ihre Textvorschläge für das JEFTA-Abkommen erst öffentlich, als das Abkommen weitgehend ausgehandelt war und einzelne Dokumente bereits durch Leaks bekannt waren. JEFTA ist ein sogenanntes „EU only“-Abkommen. Anders als zum Beispiel beim EU-Kanada-Abkommen (CETA) müssen die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten nicht zustimmen.

Die Befürworter des JEFTA-Abkommens in der EU behaupten, durch den Freihandel mit Japan würden japanische Produkte in Europa billiger und gleichzeitig würden die Exporte nach Japan angeregt. Eine Gruppe von Nicht-Regierungsorganisationen, zu denen unter anderem Greenpeace, LobbyControl und das Netzwerk Gerechter Welthandel gehören, streitet dies allerdings ab. Der Wegfall von Zöllen in Höhe von 16 Milliarden Euro müsse schließlich erst einmal kompensiert werden, und das ist nicht zwangsläufig der Fall. Die EU-Kommission ist der Meinung, dass durch das JEFTA-bedingte Wirtschaftswachstum die Zahl der Arbeitsplätze in der EU signifikant erhöht würde, was die Einnahmeverluste auffangen würde. Jedoch bestätigt selbst der Internationale Währungsfonds (IWF), dass in jenen Branchen, die für den internationalen Handel geöffnet und damit dem Kostenwettbewerb ausgesetzt würden, Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Zusätzlich zeigen kommissionseigene Analysen bezogen auf ein mögliches Wirtschaftswachstum durch die JEFTA-Verhandlungsergebnisse nur minimale Wachstums-Effekte. Für alle EU-Mitgliedsstaaten wird lediglich ein Wachstumseffekt von 0,14 % bis zum Jahr 2035 erwartet. „Eine kaum nachweisbare Veränderung“, meinen die NGO’s. Für Besorgnis sorgt bei Kritikern des Freihandelsabkommens außerdem, dass immer, wenn die ökonomische Agenda mit ökologischen und sozialen Anliegen in Konflikt gerät, den ökonomischen Belangen Vorrang gegeben wird.Gesteigerte europäische Milchexporte nach Japan könnten zum Beispiel unter Umständen erhebliche negative Auswirkungen auf Natur und Landwirtschaft haben.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker erklärte zwar, „mit diesem Abkommen bekennen sich die EU und Japan zu ihren gemeinsamen Werten“. Jedoch konnten die beiden Wirtschaftsräume sich ausgerechnet auf gemeinsame Werte der Nachhaltigkeit insofern nicht einigen, als dass das Nachhaltigkeitskapitel in JEFTA nicht durchsetzungsfähig war und aus dem Staat-zu-Staat-Streitschlichtungsmechanismus ausgenommen worden ist.

Weitere kritische Punkte des Abkommens der EU mit Japan sind der Klimaschutz, der Waldschutz, das Vorsorgeprinzip, die Landwirtschaft, die radioaktive Belastung von Lebensmitteln, die öffentliche Daseinsvorsorge oder die Korruptionsbekämpfung. Eine lange Liste von Themen mithin, die in der Öffentlichkeit nahezu nicht zur Kenntnis genommen wurden und entsprechend im öffentlichen Diskurs keine Rolle spielten.

 

Relevanz:

Das JEFTA-Freihandelsabkommen ist zurzeit das größte Handelsvolumen weltweit. Japanische Produkte gehören in Deutschland und der EU zu den beliebtesten Konsumgütern. Gleichzeitig gehen die ökonomischen und ökologischen Aspekte des JEFTA-Freihandelsabkommens einen Großteil der Bevölkerung an.

 

Vernachlässigung:

Die Berichterstattung in den Medien entsprach nicht der eigentlichen Relevanz des Themas, es wurde über das “dass“, aber nicht annähernd ausreichend über das “was“ berichtet. Eine angemessene öffentliche Diskussion über dieses hochpräsente Thema fand nicht statt.

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Kommentar:

„Aus den Verhandlungen zu JEFTA drangen jedoch noch weitaus weniger Informationen an die Öffentlichkeit als bei CETA und TTIP“.

Aus der NGO-Broschüre „Jefta entzaubert“

 

„JEFTA ist ein ‚Ermächtigungsabkommen‘ für Konzerne, das den Einfluss von uns WählerInnen weiter aushöhlt und unsere Demokratie gravierend beschädigt! JEFTA enthält zahllose Rechtsbrüche in vielen wichtigen Bereichen (Grundgesetz, EU-Recht, Völkerrecht), deshalb ist es verfassungswidrig und völkerrechtswidrig“

Marianne Grimmenstein (über Change.org), Hauptklägerin gegen JEFTA und CETA vor dem BVerfG