2018: Top 4

Prekäre Arbeitsbedingungen auf Containerschiffen

Die prekären Arbeitsbedingungen auf Containerschiffen lassen sich am ehesten mit Überstunden, Lohndumping und Unterbezahlung beschreiben. Etwa 90 Prozent unserer Konsumgüter werden täglich von den Produktionsorten mit Containerschiffen nach Deutschland befördert. Der Transport mithilfe von Containerschiffen befindet sich relativ am Anfang der Logistikkette und stellt somit eine hohe Relevanz dar. Die damit verbundenen schlechten Arbeitsbedingungen werden jedoch in den Medien immer noch kaum thematisiert.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Die Arbeitsbedingungen Containerschiffen sind als prekär zu beschreiben – diese Aussage mag zunächst kaum eine Assoziation auslösen, denn die Thematik wird so gut wie überhaupt nicht medial angesprochen. Als am ehesten in den Medien thematisiert, fallen einem dann doch eher die Kreuzfahrtschiffe ein. Es stellt sich die Frage wie prekär aber gerade die Arbeitsbedingungen auf den Frachtschiffen sind. Peter Geitmann sagt, dass häufig über die Billigbeflaggungen dieser Schiffe gesprochen wird. So haben Liberia und Panama die günstigsten Konditionen. Das Seearbeitsübereinkommen MLC, welches auch von Deutschland ratifiziert wurde, sollte eigentlich dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen auch nationalstaatsunabhängig verbessert und angeglichen werden, allerdings fehlen hier oft kontinuierlich agierende Kontrollinstanzen, schreiben Burkhard Ilschner und Klaus Meyer in ihrem Artikel „das System Billigflagge“.

Die Billigbeflagung spiegelt allerdings nur einen Teil der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen wieder.

Je mehr Ladung auf ein Schiff passt, desto besser und gleichzeitig soll möglichst mit der geringsten Arbeiteranzahl, die nötig ist, gearbeitet werden. Die Devise lautet also, so viele Kosten wie möglich zu sparen, sodass die Mitarbeiter auch in den Häfen selbst noch für Ladungssicherung und ähnliche Dinge verantwortlich seien und es dadurch auch vermehrt zu Unfällen komme. Neben der Ladungssicherung müssen die Schiffsarbeiter ständige Arbeiten an Deck sowie Wartungs- und Reparaturarbeiten im Maschinenraum erledigen. Des Weiteren sind sie dafür verantwortlich Protokoll über die Temperaturen zu führen, da sie für deren Einhaltung (je nach Ladung) ebenfalls die Verantwortung tragen, schildert Peter Geitmann.

Außerdem kommt die überwiegende Crewanzahl von den Philippinen und die monatlichen Arbeitsstunden belaufen sich auf etwa 300 Stunden. Dies ist knapp doppelt so viel, wie eine gewöhnliche Arbeitswoche von 40 Stunden. Tarifverträge verbieten Zusatzarbeit eigentlich, jedoch stellt sich die Durchsetzung als schwierig dar, so die Ausführungen des Journalisten Birger.

Hinzu kommt außerdem, dass in der heutigen Transportdynastie das Tempo immer mehr angezogen wird. Wir sind es gewohnt, dass ein Amazon Päckchen aus den USA innerhalb kürzester Zeit vor unsere Haustür geliefert wird. Das wiederum heißt dann, für Containerschiffmitarbeiter eine maximale Umlade zeit von beispielsweise 1000 Containern ab beziehungsweise aufzuladen und das innerhalb von sechs Stunden, führt Peter Geitmann an. Dies ist ein Beispiel (die kurze Verweilzeit der der Schiffe in den Häfen) der extrem langen und belastenden Arbeitszeiten der Crewmitglieder, die oft dazu genötigt werden die Arbeit der Hafenmitarbeiter mitzutragen, da insgesamt immer weniger Stellen finanziert werden beziehungsweise wegrationalisiert werden.

Relevanz:

Containerschiffe beziehungsweise die Frachtschifffahrt sind Bereiche, die zunächst

für einige, weit entfernt vom alltäglichen Leben wirken. Tatsächlich werden jedoch knapp 90 Prozent unserer Güter, die wir täglich verwenden, nicht in Deutschland produziert und müssen so über die Containerschiffe nach Deutschland verschifft werden. Dazu zählen unter anderem Lebensmittel, Kleidung und Möbel. Die Thematik betrifft somit uns alle, wenn auch nur indirekt, da wir vom Transportweg nicht direkt etwas mitbekommen, vielmehr den Gütern nicht ansehen, was für eine lange Reise diese bereits hinter sich haben. Neben der Fremdbeflaggung der Schiffe, über die schon einiges berichtet wurde, sind es aber auch die schwierigen Arbeitsbedingungen auf Containerschiffen, mit denen sich auseinandergesetzt werden sollte. In der Crew arbeiten oftmals Menschen aus Drittstaaten, wie zum Beispiel den Philippinen und das über mehrere Monate ohne kontinuierlichen Internet- und Telefonzugang. Außerdem ist die Arbeit auch körperlich gefährlich, wenn es beispielsweise um das Sichern und Befestigen der Container an Bord geht. Durch den Film „Freightened der wahre Preis der Frachtschifffahrt“ wurden wir auf diesen Themenbereich aufmerksam.

Vernachlässigung:

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Berichterstattung sich eher auf die Billigbeflaggung im Allgemeinen konzentriert. Die Arbeitsbedingungen werden zwar in einigen Artikeln erwähnt, jedoch liegt das Hauptaugenmerk auf dem bereits genannten Bereich. Peter Geitmann berichtet, dass in der Öffentlichkeit meist die schillernde Kreuzschifffahrt auftaucht. Doch über die Arbeitsbedingungen, beispielsweise, dass viele Besatzungsmitglieder gerade einmal den Mindestlohn erhalten, wird so gut wie gar nicht berichtet. Insgesamt tauchen Containerschiffe und andere Frachter in der öffentlichen Berichterstattung vergleichbar wenig auf, dabei sind Containerschiffe beziehungsweise Frachter ein Indikator für das Funktionieren der Weltwirtschaft, denn wie bereits erwähnt werden 90 Prozent der Güter auf dem Wasserweg transportiert.

 

Quellen:

E-Mail Schriftverkehr mit Peter Geitmann, nationaler Schifffahrtssekretär bei der Gewerkschaft Verdi, 10.12.2017-10.01.2018

 

E-Mail Schriftverkehr mit Burkhard Ilschner, maritimer Redakteur und ehrenamtlich bei Waterkant e.v. tätig, 10.12.2017-16.01.2018

 

Telefonat mit Nicolai Birger, Journalist bei der Zeitung WELT, 16.12.2017

 

Birger, Nicolai (05.09.2017): Artikel in WELT „ An Bord verrohen die Sitten“, abrufbar unter:  https://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_wirtschaft/article168310461/An-Bord-verrohen-die-Sitten.html

 

Dpa (02.05.2016): Artikel in der Osnabrücker Zeitung „Container verändern die Welt- nicht nur zu ihrem Vorteil“, abrufbar unter: https://www.noz.de/deutschland-welt/wirtschaft/artikel/707239/container-verandern-die-welt-nicht-nur-zu-ihrem-vorteil

 

Ilschner, Burkhard/ Meyer, Klaus: Artikel „Das „System Billigflagge“ und die Schifffahrtspolitik (nicht nur) Deutschlands“, S. 7-15, in der Broschüre „Fair-übers-Meer!“, abrufbar als PDF-Datei unter: http://www.waterkant.info/wp-content/uploads/2017/09/kampagnen-hintergrund_01.pdf

 

Delestrac, Denis (2016): Film „Freightened der wahre Preis der Frachtschifffahrt“, Informationen zum Film abrufbar unter: https://www.freightened.com/

 

 

 

Kommentar:

Peter Geitmann: (nationaler Schifffahrtssekretär; Gewerkschaft Verdi)

 

„Ich habe von Seeleuten schon gehört, dass sie den Einsatz

an Bord ein Stück weit mit einem „Gefängnis“ vergleichen. Man arbeitet und lebt im Wesentlichen nur noch an Bord und kommt kaum noch an Land. Dabei spielt dann natürlich die Einsatzzeit auch noch eine bedeutende Rolle. Während die bei deutschen Seeleuten so zwischen 3-4 Monaten beträgt, ist die aber bei Drittstaatenausländern oft bedeutend länger.“

 

„In der Öffentlichkeit taucht zumeist die Kreuzschifffahrt mit tollen weißen, oft bunt bemalten Schiffen auf. Viele Besatzungsmitglieder erhalten da aber mal gerade den Mindestlohn und haben keine Chance auf Privatsphäre, da die Unterbringung in Zwei – Vier- Personenkabinen erfolgt. Containerschiffe und andere Frachter tauchen in der öffentlichen Berichtserstattung vergleichbar wenig auf, es sei dann es wird über eine Havarie berichtet.“