2015: Top 8

Facebook erforscht Künstliche Intelligenz

Das Unternehmen Facebook arbeitet kontinuierlich daran, die Daten seiner Nutzer immer umfassender zu analysieren. Eine neue Qualität erreicht diese Analyse, wenn Techniken der Künstlichen Intelligenz eingesetzt werden. Facebook betreibt dazu ein eigenes Forschungsprogramm. Es geht um Technologien wie „Deep Learning“. Dabei sollen Computer in ähnlicher Weise lernen wie ein menschliches Gehirn. Nötig dazu sind große Datenmengen: Auch ein Baby muss sehr viel beobachten, um zu lernen. Verfahren der Künstlichen Intelligenz simulieren das – und scheinen deshalb für Unternehmen sehr attraktiv, die über besonders große Datenmengen verfügen. Über den (fehlenden) Datenschutz bei Facebook & Co. wird viel in den Medien berichtet – nicht aber über die technischen Entwicklungen, die dieses Problem noch verschärfen könnten.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Facebook beschäftigt eine Gruppe renommierter Forscher, darunter den Experten für Künstliche Intelligenz Marc’Aurelio Ranzato und Yaniv Taigman, den Mitbegründer einer Gesichtserkennungsfirma. Die Gruppe arbeitet aktuell an der Entwicklung einer neuartigen Software. Diese Software soll Nutzerdaten mit Hilfe der sogenannten Deep-Learning-Technologie analysieren.

Deep Learning ist ein Verfahren aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Die Idee dahinter ist, dass die Software ähnlich wie ein menschliches Gehirn aus künstlichen Neuronen aufgebaut ist, und das in verschiedenen Ebenen. Jede Ebene kann mehr Informationen aufnehmen als die vorherige. Zum Beispiel erkennt die erste Ebene einen Punkt, die zweite einen Strich und die dritte unterscheidet bereits zwischen vertikalen und horizontalen Linien. Mit Hilfe dieser Neuronennetze können Programme große Datenmengen eigenständig und somit genauer, schneller und effizienter analysieren als klassische Big-Data-Analyseverfahren.

Facebook könnte solche Verfahren zum Beispiel nutzen, um bestimmte Dinge in Bildern zu erkennen oder Rückschlüsse auf die Emotionen der Nutzer zu ziehen. Neben der Software arbeitet Facebook auch an der entsprechenden Hardware, die die Firma zum Betreiben des Programms benötigt.

Im Bereich Deep Learning wird bereits seit 30 Jahren geforscht, das bisher größte Netzwerk ist das so genannte Google Brain mit einer Millionen simulierter Neuronen. Google nutzt die Technologie zum Beispiel in der Sprachsteuerung, andere Konzerne wie Microsoft in Übersetzungsprogrammen. Diese Programme sind derzeit noch nicht ganz ausgereift, für die Zukunft rechnen Forscher aber mit einem Durchbruch in der Deep-Learning-Forschung. Damit ist die Problematik nicht nur auf Facebook begrenzt, soll hier aber an diesem Beispiel beschrieben werden.

Facebook begründet die Notwendigkeit des Einsatzes von Deep Learning mit den wachsenden Datenmengen seiner Nutzer. Nur durch ein solches Programm könnte der Konzern den Anforderungen der Nutzer gerecht werden und z.B. die persönliche Startseite besser zu gestalten. Einzelheiten zu dem Forschungsprogramm gibt das Unternehmen nicht heraus. Über Mitarbeiter sind jedoch Informationen an die Öffentlichkeit gelangt.

Generell bieten Deep-Learning-Programme viele Chancen, zum Beispiel zur Verbesserung von Bildbearbeitungsprogrammen und Sprachsteuerung. Im Zusammenhang mit der Analyse von Nutzerdaten ergeben sich aber auch neue, datenschutzrechtliche Probleme. Nutzer können ihre Daten nur schwer schützen, weil sie gar nicht wissen können, welche Daten konkret in Analyse-Verfahren verwendet werden. Außerdem umgeht Facebook das deutsche Bundesdatenschutzgesetz, indem es seine europäische Zentrale, in der es einen Teil der Nutzerdaten verarbeiten lässt, nach Irland gelegt hat. Damit gilt für die Verarbeitung das irische Datenschutzgesetz, auch wenn die Daten ursprünglich aus Deutschland kommen. Irland hat die EU-Datenschutzrichtlinie aber wesentlich liberaler umgesetzt als Deutschland, deswegen bricht Facebook mit diesem Vorgehen kein europäisches Gesetz. Der andere Teil der Daten wird in den USA analysiert, hier gilt das amerikanische Gesetz, und auch das schützt die Daten von Facebook-Nutzern nicht. Die Nutzer können sich also nicht auf Gesetze verlassen, sondern müssen selbst entscheiden, welche Informationen sie im Internet preisgeben.

Relevanz:

Facebook ist für viele Menschen ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Verbesserte Analysemethode können den Komfort erhöhen, bedeuten aber auch einen stärkeren Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer. Information darüber wäre deshalb wichtig. Viele Nutzer wissen, dass ihre Daten analysiert und verkauft werden, aber die Tragweite dessen ist ihnen nicht bewusst.

Vernachlässigung:

In Deutschland wurde über das Forschungsprojekt und über Deep Learning allgemein hauptsächlich auf fachspezifischen Internetseiten berichtet. In großen Zeitungen wurde das Thema nicht erwähnt. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender berichteten zwar über die Digitalisierung und über den Einfluss großer Konzerne, allerdings nicht unter dem Aspekt der Künstliche-Intelligenz-Forschung. Eine Ausnahme bildet ein Bericht des Deutschlandfunks in der Fachsendung „Computer und Kommunikation“ vom Dezember 2013. Ein Grund für die offenkundige Vernachlässigung des Themas durch die Medien ist mit Sicherheit die Komplexität der technischen Hintergründe.

Quellen:

Anrevious Shaw, James F. Tracy, “Facebooks Artificial Intelligence Research Program”, 10.3.2014, project censored, http://www.projectcensored.org/facebooks-artificial-intelligence-research-program, zuletzt abgerufen am 8.6.2014;

N.N., “Facebook Has Set Up a New Arteficial Intelligence Group”, 23.9.2013, infosecurity magazine, http://www.infosecurity-magazine.com/view/34651/facebook-has-set-up-a-new-artificial-intelligence-group/, zuletzt abgerufen am 8.6.2014;

Tom Simonite,”Facebook Launches Advanced AI Effort to Find Meaning in Your Posts”, 20.9.2013, technology review, http://www.technologyreview.com/news/519411/facebook-launches-advanced-ai-effort-to-find-meaning-in-your-posts/, zuletzt abgerufen am 8.6.2014;

N.N., “Facebook wants to use artificial intelligence to better understand what you post, predict online actions”, 21.9.2014, End the Lie, http://endthelie.com/2013/09/21/facebook-wants-to-use-artificial-intelligence-to-better-understand-what-you-post-predict-online-actions/, zuletzt abgerufen am 8.6.2014;

Nicola Jones, “Wie Maschinen lernen lernen”, 14.1.2014, Nature 505,  http://www.spektrum.de/alias/deep-learning/wie-maschinen-lernen-lernen/1220451, zuletzt abgerufen am 8.6.2014;

Manfred Kloiber, Peter Welchering, „Künstliche Intelligenz: Facebook will das Verhalten seiner Mitglieder berechnen“, 14.12.2013, Deutschlandfunk, http://www.deutschlandfunk.de/kuenstliche-intelligenz-facebook-will-das-verhalten-seiner.684.de.html?dram:article_id=272071, zuletzt abgerufen am 8.6.2014;

Dr. Eugen Ehrmann, „Datenschutzaufsicht in Deutschland für Facebook nicht zuständig!“, 19.11.2013, Datenschutzpraxis, http://www.datenschutz-praxis.de/fachwissen/fachartikel/datenschutzaufsicht-in-deutschland-fur-facebook-nicht-zustandig/, zuletzt abgerufen am 8.6.2014;

Prof. Dr. Peter Ludes, Professor für Massenkommunikation an der Jacobs University Bremen, E-Mail-Gespräch am 5.4.2014;

Telefoninterview am 6.6.2014 mit Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz

Zitate:

 

„Die Bedeutung von Social Media und hier insbesondere von Facebook und Google übersteigt in der Reichweite und oft auch Nutzungsdauer bei weitem alle Druck- und Rundfunkmedien. Die meist positive Bewertung durch viele Nutzer dieses profitorientierten social forums vergisst oft die Erfassung und Archivierung persönlicher Daten zu kommerziellen Zwecken. Die Überwachung und Vorhersage von Nutzer- und Konsumverhalten erreicht hier eine neue Dimension.“

(Dr. Peter Ludes, Professor für Massenkommunikation an der Jacobs University)

 

„Die Software kommt in ihrer Funktionsweise dem menschlichen Gehirn sehr nahe. Sie kann Muster erkennen und sie miteinander assoziieren. Damit kann menschliches Verhalten genau und einigermaßen schnell vorhergesagt werden. […] Generell sind Big-Data-Analysen in Ordnung, solange die verwendeten Daten anonym sind und keiner bestimmten Person zugeordnet werden können. Wenn es aber, wie bei Facebook, um personenbezogene Daten geht, wird es kritisch. […] Das Problem ist, dass das deutsche Datenschutzgesetz überaltert ist und in solchen Fällen nicht greift. Aber die Politik interessiert sich dafür nicht.“

(Peter Welchering, IT-Journalist)

 

„Da es leider keine einheitliche europäische Verordnung zum Datenschutz gibt, liegt es in der Hand des Nutzers, zu entscheiden, was er auf seiner Facebook-Seite postet. Jeder von uns sollte generell im Umgang mit Apps vorsichtiger sein. Es gibt zum Beispiel eine Taschenlampen-App, die Ihren Standort speichert! Auf solche Dinge muss man als Nutzer achten und solche Apps dementsprechend nicht verwenden.“

(Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz)