2015: Top 2

Undurchsichtige Finanzen bei politischen Stiftungen

Die parteinahen Stiftungen in Deutschland bekommen für ihre politische Bildungsarbeit jährlich umfangreiche staatliche Zuwendungen: insgesamt fast eine halbe Milliarde Euro. Die konkreten Ein- und Ausgaben der Stiftungen sind allerdings für die Öffentlichkeit nur unzureichend transparent, ihre Rechenschaftspflichten sind nicht einheitlich geregelt. Da es um öffentliche Mittel handelt, ist das Thema für alle Steuerzahler relevant. Es steht zudem der Verdacht im Raum, dass es sich teilweise um illegale Parteienfinanzierung handeln könnte. Über Ungereimtheiten wird in den Medien vereinzelt berichtet. Die generell undurchsichtige Finanzstruktur und die Frage der Rechenschaftspflicht der politischen Stiftungen werden aber von den Medien bisher nicht beleuchtet. Journalistinnen und Journalisten bieten sich hier vielfältige Recherchefelder im In- und Ausland.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Das Wildbad Kreuth liegt idyllisch in den bayrischen Alpen. Bekannt ist es vor allem durch Klausurtagungen verschiedener CSU-Gremien. Kein Wunder, denn der Hotelbetrieb gehört zur CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Und er ist hochdefizitär, viele Millionen Euro stehen in den roten Zahlen. Doch das bringt weder die Stiftung noch die CSU in große Bedrängnis, denn die Schulden wurden einfach aus Steuermitteln getilgt.

Auf Bundesebene gibt es sechs große Stiftungen: Die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Die Linke). Der breiten Öffentlichkeit sind die politischen Stiftungen vor allem durch ihre Studienförderung in Form von Stipendien bekannt. Zu den weiteren Aufgaben dieser Stiftungen gehören politische Bildungsarbeit, wissenschaftliche Forschung und internationale Arbeit. Wer glaubt, die finanzielle Unterstützung von Studierenden sei dabei der größte Posten im Finanzplan von Friedrich-Ebert-Stiftung & Co., der irrt: Sie machen zum Beispiel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung einen Anteil von 20 Prozent aus, bei manchen Stiftungen ist dieser Anteil auch noch niedriger. Dabei sind die Stiftungen gar nicht wirklich Stiftungen, sondern von ihrer Rechtsform her private Vereine. Bei Stiftungen geht man generell davon aus, dass eine Stiftungssumme hinterlegt ist und aus deren Verzinsung der Stiftungsbetrieb finanziert wird. Die „Stiftungen“ der bundesdeutschen politischen Parteien dagegen finanzieren sich fast ausschließlich aus Steuermitteln.

Die Einnahmen und Ausgaben der Stiftungen sind insgesamt schwierig nachzuvollziehen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Finanziert werden die Stiftungen zu großen Teilen – etwa zu 90 Prozent ­– durch die öffentlichen Haushalte. Im Bundeshaushalt gibt es aber keine Gesamtsumme, die sich auf einen Blick erfassen ließe. Das Bundesministerium des Inneren (BMI), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (bmbf), das Auswärtige Amt oder das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellen Mittel für die parteinahen Stiftungen: vier Bundesressorts, die nach je eigenen Kriterien zwei- bis dreistellige Millionenbeträge für die Stiftungen lockermachen. Im Jahr 2013 betrug der Gesamthaushalt der Stiftungen etwa eine halbe Milliarde Euro.

Höhe und Verteilung der Fördermittel werden jedes Jahr neu bestimmt. Ein Teil der Finanzierung besteht aus sogenannten Globalmitteln. Das sind Zuweisungen, die die Stiftung frei verwenden kann – ohne, dass vor ihrer Zuweisung die Finanzierungsziele bekannt sein müssen. Daneben gibt es aber auch projektbezogene Sachmittel. Welche Summen der Staat und damit der Steuerzahler wofür genau den politischen Stiftungen zur Verfügung stellt, ist kaum nachzuvollziehen.

Der Landesrechnungshof (LRH) Schleswig-Holstein prüfte im Jahr 2010 die Vergabepraxis bei Mitteln für die Friedrich-Naumann-Stiftung. Es wurde festgestellt, dass das Verfahren intransparent sei und dringend angepasst werden müsse. Der LRH beanstandete vor allem die fehlenden Förderrichtlinien. Zudem müsse geprüft werden, ob die Stiftungen „die gebotene Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren“, heißt es in dem Bericht weiter. Auch der bayrische Landtagsabgeordnete Ulrich Gensch (Grüne) hält die Verteilung von Fördermitteln für politische Stiftungen für potentiell ungerecht. Er beanstandet vor allem die Zusammensetzung des Vergabe-Gremiums. Für das Gremium werden aus dem jeweiligem Landtag des Stiftungssitzes fünf Personen entsendet. Dadurch würden die Interessen der Parteien mit den meisten Sitzen in den Landtagen automatisch bevorzugt, so Gensch.

Für die finanzielle Struktur ist auch die Rechtsform der parteinahen Stiftungen von Bedeutung. So heißen sie zwar Stiftungen, es handelt sich aber, wie schon erwähnt, eigentlich um eingetragene Vereine (e.V.). Die einzige Ausnahme bildet die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, da diese in ihrer Rechtsform eine Stiftung privaten Rechts darstellt und somit der in allen Landesgesetzen vorgeschriebenen Stiftungsaufsicht unterliegt. Die als eingetragene Vereine geführten Stiftungen unterliegen nicht der staatlichen Auskunftspflicht wie beispielsweise die Parteien. Als gemeinnützige Vereine dürfen die Stiftungen außerdem keine Kapitalanlagen erwirtschaften, wie Prof. Dr. Olaf Werner, Stiftungsrechtler an der Universität Jena, erklärt. Es gilt das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, das heißt, die Stiftungen sind gezwungen, ihre Einnahmen innerhalb der nächsten zwei Folgejahre zweckgebunden auszugeben. Daher sind Geld-/Kapitalanlagen zur reinen Gewinnerhöhung nicht rechtens. Beim Blick in die Jahresberichte der einzelnen Stiftungen fallen in dieser Hinsicht einige Ungereimtheiten auf:

In der Bilanz der Friedrich-Ebert-Stiftung 2012 tauchen Posten wie „Kassenbestand, Bundesbankguthaben oder Guthaben bei Kreditinstituten“ von knapp 10 Millionen Euro auf. Darüber hinaus findet sich dort auch der Posten „Wertpapiere“, bei dem enorme Schwankungen auffallen: 2011 waren es noch 5,5 Millionen Euro, 2012 bleiben davon lediglich etwa 600.000 Euro übrig. Auch Finanzanlagen tauchen immer wieder auf: Zum Beispiel bei der Konrad-Adenauer-Stiftung im Jahr 2012 knapp 13,3 Millionen Euro und bei der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Beginn des Jahres 2012 knapp 20 Millionen Euro, am Ende des Jahres dagegen über 31 Millionen Euro. Im behördlichen Vereinsregister gibt die Friedrich-Ebert-Stiftung, die auch im Impressum als e.V. auftritt, als Kapital dagegen 0,00 Euro an, wie ein der INA vorliegender Auszug aus dem Vereinsregister zeigt.

Aus dem Jahresbericht der Rosa-Luxemburg-Stiftung 2013 ist außerdem zu entnehmen, dass 2012 über 900.000€ als „Globalmittel an Dritte“ verwendet wurden. Ein genauerer Nutzen wird hier nicht genannt. Diese Art von Ausgaben müsste laut Prof. Werner eigentlich zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen oder sie zumindest auf den Prüfstand stellen.

Diese Kritikpunkte, zutage getreten durch die INA-Recherche, wurden bestätigt von Michael Koß, Transparency Deutschland, AG Politik, sowie dem Grünen-Abgeordneten des bayerischen Landtags Ulrich Gensch und dem Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Olaf Werner, Direktor des Abbe Instituts für Stiftungswesen. Über diese Missstände wird in den deutschen Medien jedoch nahezu nicht berichtet. Einzig die Tageszeitung Die Welt hat mehrfach über Ungereimtheiten und Intransparenzen bei den politischen Stiftungen berichtet und spricht in dem Zusammenhang von einem „Kartell der Staatsplünderer“. Hier wird auch spekuliert, ob die großzügigen Gaben aus der Staatskasse an die Stiftungen in Wahrheit eine Form der versteckten Parteienfinanzierung seien. Immerhin betragen die Gesamtzuschüsse an die Stiftungen fast eine halbe Milliarde Euro, während die Parteien selbst als staatliche Finanzspritze nur ein Drittel dieser Summe erhalten. Für die enge Verquickung von Stiftungs- und Parteiinteressen steht auch die enge personelle Verzahnung: Die wichtigen Vorstands- und Aufsichtsposten sind fast durchweg mit hohen Parteichargen besetzt. So ist Bundeskanzlerin Angela Merkel im Vorstand der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, und Kurt Beck, der ehemalige SPD-Vorsitzende, ist heute Vorstandsvorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Seit 2005 uferte die staatliche Finanzierung der Stiftungen offenbar völlig aus: Bis einschließlich 2014 stiegen die Stiftungseinnahmen um fast 50 Prozent, während der Bundeshaushalt selbst nur um 14 Prozent gestiegen ist. Und das, obwohl bereits Anfang der 1990er Jahre eine vom damaligen Bundespräsidenten Richard v. Weizsäcker eingesetzte Expertenkommission gefordert hatte: „Die Zuwachsrate des gesamten Bundeshaushalts sollte grundsätzlich nicht überschritten werden“.

Die Pressestellen der Stiftungen selbst sehen keinen Anlass zu mehr Transparenz im Bezug auf die Finanzierung. Sie berufen sich auf die Jahresberichte, die vor dem Bundesrechnungshof geprüft würden.

Relevanz:

Das Thema ist relevant, da die Finanzierung der parteinahen Stiftungen fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln vorgenommen wird, also der Steuerzahler die Arbeit der Stiftungen bezahlt. Deshalb sollten die Ausgaben der Stiftungen auch für jedermann nachvollziehbar sein.  Wenn über die Strukturen und die Finanzierung der Stiftungen öffentlich berichtet würde, könnte die Aufmerksamkeit der Bürger erhöht werden. Hinzu kommt, dass es bei der gesamten Problematik der politischen verschleierten Finanzierung um die Glaubwürdigkeit der Politik und der Rechtsordnung geht.

Vernachlässigung:

Man kann das Thema als vernachlässigt bezeichnen, da die Stiftungen in den Medien zwar in Form von Kommentaren, Hintergrundinformationen und Einschätzungen auftauchen,  jedoch nicht über ihre Finanzierung oder ihre Strukturen berichtet wird. Über die Finanzierung der parteinahen Stiftungen lassen sich nur Beiträge auf einem Blog finden, dessen Betreiber und Quellen bei Überprüfung an vielen Stellen jedoch nicht glaubwürdig scheinen. Eine Berichterstattung über das Transparenzdefizit der politischen Stiftungen in den breiten Massenmedien fehlt fast völlig. In den letzten Jahren hat lediglich die Tageszeitung Die Welt mehrfach und die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem Fall berichtet. Das hat sich aus der Recherche in der Pressedatenbank Genios ergeben. Lediglich durch das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag haben einige journalistische Beiträge dieses Thema in Bezug auf die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung angeschnitten. Die Organisation Transparency Deutschland weist in ihrer aktuellen Hauspublikation „Scheinwerfer“ (H.66, Februar 2015) auf die intransparente Finanzierung der Stiftung hin. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass diese Publikation von weiten Teilen der Bevölkerung nicht rezipiert wird. 

Quellen:

Friedrich Ebert Stiftung: Jahresbericht 2012, http://library.fes.de/pdf-files/fes/03208/jb-2012.pdf, enthält auch einen Ausblick auf 2013, zuletzt abgerufen am 17.06.2014;

Konrad-Adenauer-Stiftung, Jahresbericht 2013, http://www.kas.de/wf/de/33.37170/, zuletzt abgerufen am 17.06.2014;

Heinrich-Böll-Stiftung, Jahresbericht 2013,  http://www.boell.de/sites/default/files/boell-jahresbericht-2013_kl.pdf, zuletzt abgerufen am 17.06.2014;

Rosa-Luxemburg-Stiftung, Jahresbericht 2013, http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/stiftung/Jahresbericht_2013.pdf, zuletzt abgerufen am 17.06.201

Hanns-Seidel-Stiftung, Jahresbericht 2013, http://www.hss.de/uploads/tx_ddceventsbrowser/Jahresbericht_2013_Webfassung.pdf, zuletzt abgerufen am 17.06.2014;

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Jahresbericht 2013, https://shop.freiheit.org/webshop/download?DOCID=30124&ID=P2@419, zuletzt abgerufen am 17.06.2014;

Udo Vorholt, „Institutionen politischer Bildung in Deutschland“, Peter Lang Verlag. Frankfurt am Main, 2003;

Hans Herbert von Arnim: „Politische Parteien im Wandel. Ihre Entwicklung zu wettbewerbsbeschränkenden Staatsparteien – und was daraus folgt“, Duncker & Humboldt. Berlin 2011;

Peter Stützle: „Nicht belehren, sondern vormachen.“ In: Das Parlament, Themenausgabe, Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), Nr. 34-36, 19.08.2013,http://www.das-parlament.de/2013/34-36/Themenausgabe/46371107.html, zuletzt abgerufen am 17.06.2014;

Bundeszentrale für politische Bildung: „politische Stiftungen“, http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/40359/politische-stiftungen?p=all, zuletzt abgerufen am 17.06.2014;

Landesrechnungshof Schleswig-Holstein: „Ministerium für Justiz, Kultur und Europa. Politische Bildungsarbeit parteinaher Stiftung wird ohne Kriterien gefördert“, 2013, http://www.landesrechnungshof-sh.de/file/bemerkungen2013_tz9.pdf, zuletzt abgerufen am 17.06.2014

Martin Lutz und Uwe Müller: „Das Kartell der Staatsplünderer“. In: Die Welt vom 10.10.2014, http://www.welt.de/politik/deutschland/article133107766/Das-Kartell-der-Staatspluenderer.html

Zitate:

                                                                                                                                                                                                                                                                                              „Ich finde es nicht schlecht, dass es die Stiftungen gibt. Klar ist aber auch: es gibt sie nur, weil sie den Parteien ursprünglich als Reptilienfonds dienten. Das Verfassungsgericht hat nämlich 1958 den Parteien die Annahme von staatlichen Mitteln verboten. Einzige Ausnahme: politische Bildung. Prompt wurden die Stiftungen gegründet. Mit Verschleierung kennt man sich dort allerdings aus. Auch dass dort heute eine Nebenaußenpolitik geführt wird, ist vielleicht zu rechtfertigen, aber transparent sollte es schon zugehen. Die Stipendien sind ja noch der unanstößigste Topf. Bei den Globalmitteln sind wir dann endgültig im Bereich der Spekulation angekommen, denn was genau damit veranstaltet wird, ist nicht nachzuvollziehen, zumindest nicht ohne Mühen.“ (Michael Koß, Transparency Deutschland, AG Politik)

 

„Sie sprechen mit Ihrer Problematik ein Thema an, das unbedingt der Beobachtung wert ist, denn hier scheint doch eine Selbstbedienung der Parteien über Umwege zu erfolgen, insbesondere aber sind diese „Stiftungen“ nicht der Kontrolle unterzogen.“ (Prof. Dr. Olaf Werner, Universität Jena, geschäftsführender Direktor des Abbe Instituts für Stiftungswesen)

 

„Ein gutes und unterrepräsentiertes Thema. Das liegt sicher auch daran, dass die Journalisten insbesondere die Arbeit und die Ausgaben der Stiftungen in unterschiedlichen Ländern im Ausland recherchieren müssten. Das ist extrem aufwändige Recherchearbeit.“ (Kim Otto, WDR, Monitor Redaktion)