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Verkaufte Links: Wie Medien ihre Glaubwürdigkeit untergraben

Mehrere hundert Euro für einen Link auf der Internetseite einer Zeitung: Solche Linkverkäufe hat es nach Recherchen der INA bei zahlreichen Verlagen gegeben. Es handelt sich dabei um bezahlte Werbung, die im redaktionellen Teil versteckt wird – also um eine moderne Form von Schleichwerbung. Der Werbeeffekt für den Kunden geht dabei über den einfachen Link weit hinaus. Denn wenn Medien mit einer großen Reichweite auf eine bestimmte Internetseite verweisen, steigt diese Internetseite im Ranking der Suchmaschinen: Sie wird in den Trefferlisten weiter oben angezeigt. Die Leser werden bei diesem Geschäft getäuscht. Die Linkverkäufe sind in Fachkreisen bekannt, werden aber in der Presse aus naheliegenden Gründen nicht thematisiert.

Sachverhalt & Richtigkeit:

Linkverkauf kann eine haarige Angelegenheit sein: Das Online-Nachrichtenportal news.de berichtete zum Beispiel in der Kategorie „Reisen und Leben“ in einem Artikel über den Starfriseur Udo Walz, der dort Tipps für gesundes Haar geben soll. Im Text lässt sich ein Link finden, der direkt zur Amazon-Seite führt, auf der das Buch „Hairaffair“ von Udo Walz gekauft werden kann. Kauft der Kunde über diesen Link das Buch vom Star-Friseur, bekommt news.de von Amazon Geld dafür. Das System hinter dieser Regelung nennt sich AmazonPartnerNet. Der Leser von news.de weiß in der Regel nicht, dass der Link in dem Artikel letztlich Werbung ist.

Viele große deutsche Qualitätsmedien verkaufen online Linkplatzierungen in ihren redaktionellen Beiträgen an Werbetreibende, die nicht als Anzeige oder Werbung gekennzeichnet sind. Denn explizite Werbelinks haben im Internet nahezu keine Chance, angeklickt zu werden. Links in redaktionellen Beiträgen profitieren dagegen massiv vom Glaubwürdigskeitsbonus des Journalismus. Denn der Leser kann nicht erkennen, ob es sich bei dem Link um eine unabhängige Information handelt oder um Werbung. Informanten aus der Online-Marketing-Branche bestätigen der INA, dass Links in Regionalmedien ab 700 Euro pro Link zu haben seien und in überregionalen und nationalen Medien für 1500 Euro. In führenden Medien seien mit dem Linkverkauf bis zu 3000 € zu erzielen. Ein Vermittler, z.B. ein Mitarbeiter einer SEO-Agentur, stellt den Kontakt zwischen Werbetreibenden und den Medien her. Er verkauft den Linkplatz im Artikel des Onlineangebots einer Tageszeitung an den Werbetreibenden.

Das Online-Nachrichtenportal news.de ist kein Einzelfall. In der Vergangenheit sind mehrere deutsche Qualitätsmedien mit illegalen Linkverkäufen auffällig geworden. Bastian Grimm, verantwortlich für die Suchmaschinenoptimierung bei der Firma Peakace, schreibt auf dem Firmenblog im März 2014, dass einige regionale Tageszeitungen im Google PageRank deutlich abgefallen sind. Er vermutet, dass dies etwas mit Linkverkäufen, Linkkäufen oder Linktausch zu tun haben könnte. Internetlinks sind für Google die wichtigste Währung: Denn die Zahl der Verlinkungen auf eine Website führt zu einem höheren Platz in der Suchergebnisliste der Suchmaschine. Werbelinks müssen darum im html-Code jeder Website mit „nofollow“ gekennzeichnet werden. Ansonsten könnte man sich eine höhere Platzierung im Google-Ranking schlichtweg kaufen. Illegal verkaufte Links im redaktionellen Teil von journalistischen Onlineartikeln sind aber regelmäßig nicht mit „nofollow“ gekennzeichnet, denn sonst wären sie ja als Werbung identifizierbar. Dies verstößt eindeutig gegen die Google-Regeln, weswegen die Suchmaschinenfirma auffällige Webseiten im Ranking herabstuft oder in schweren Fällen auch für einige Zeit ganz aus den Suchergebnissen herausnimmt.

Eine dieser Zeitungen, die im Google-Ranking drastisch abgestiegen sind, war die Aachener Zeitung. Auf Nachfrage beim Geschäftsführer und Online-Redaktionsleiter Ulrich Kutsch räumte dieser ein, dass der Abfall des PageRanks etwas mit Linktausch, Linkkauf oder Linkverkauf zu tun haben könnte. Nähere Informationen wollte er nicht geben. Auch die Ruhrnachrichten sollen von Google im Ranking deutlich abgewertet worden sein. Die INA-Anfrage beim Bereich Online Sales der Ruhrnachrichten ergab, dass Linkverkäufe nicht mehr angeboten werden, weil es früher deswegen Probleme mit Google gegeben habe. Auch die Ruhrnachrichten waren also am Linkgeschäft beteiligt. Der Verdacht von Bastian Grimm, dass der Abfall des PageRanks von Regionalzeitungen im Jahr 2014 einen Zusammenhang mit Linkverkauf, Linktausch oder Linkkauf hat, erhärtet sich.

Viele deutsche Qualitätsmedien müssen sich also zumindest in der Vergangenheit am Linkgeschäft beteiligt und davon profitiert haben. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier liefert weitere Beispiele dafür: 2008 gab es auf sueddeutsche.de unter anderem im Ressort Fitness ein Unterressort „Alles über Erkältung“. Hinter diesem Link verbarg sich ein Angebot der Firma BayerHealthCare. Weder die Seite selbst noch der Artikel waren als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet. Im Jahr 2009 führte das Register „Interaktiv“ in der Navigationsleiste der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung nach dem Klick auf die Seite der Partneragentur Parship. Auch in diesem Fall konnte der Leser vorab nicht erkennen, dass es sich dort um ein Werbeangebot handelt.

Daniel Höly, Online-Journalist und Blogger, liefert ein aktuelleres Beispiel aus dem Jahr 2012. Auf seinem Blogazine „Juiced“ bekam er damals wöchentlich Anfragen zu möglichen „Partnerschaften“ mit Juiced. In einem Anschreiben heißt es: “Als Gegenleistung können wir Sie in einem Artikel über Internet-Startups auf den Seiten der Financial Times (ftd.de) verlinken.” Diese Anfrage kam zwar nicht von Financial Times Deutschland selbst, sondern von einem Online-Marketingportal, zeigt aber, wie einfach es, zumindest in der jüngeren Vergangenheit, offenbar war, sich auf seriösen Nachrichtenseiten Links zu erschleichen.

Elvis Benkovic, zuständig für das Online-Marketing bei Benkovic Marketing & Media, berichtet, dass er selbst auch noch heute solche Links verkauft. Die Preisangaben der INA-Informanten könnten sogar noch übertroffen werden. Zwei „Linkverkäufer“ haben auf INA-Nachfrage unabhängig voneinander bestätigt, dass es das Linkgeschäft bei Qualitätsmedien auch noch heute gibt.

In der taz war der Hinweis zu lesen, „dass bezahlte Backlinks bei den meisten Zeitungsseiten gängige Praxis sind, bei Spiegel Online sowieso“. Der in dem Beitrag namentlich erwähnte Spiegel Online-Redakteur Frank Patalong indes äußert gegenüber der INA: „SPIEGEL ONLINE verkauft keine Links oder Backlinks und hat das auch nie getan. (…) Ich schätze, dass ich in 15 Jahren SPIEGEL ONLINE vielleicht Zehntausend Links gesetzt habe und kann Ihnen versichern, dass für keinen einzigen dieser Links in irgendeiner Weise Geld oder Geldwertes geflossen ist. Alles andere wäre unseriös und markenschädlich“.

Julian Dziki, Geschäftsführer bei „Seokratie“, schrieb in der Vergangenheit häufiger über das Problem mit dem Linkgeschäft. Auch er liefert einen Hinweis auf große deutsche Tageszeitungen und nennt Preise ab 500 €. Er geht davon aus, dass große Zeitungen bereits von dem Geschäft Abstand genommen hätten.  Damit bestätigt er, dass es in der Vergangenheit Linkverkäufe bei großen Tageszeitungen gegeben hat.

Auch beim Deutschen Presserat ist das Problem mit den illegalen Linkverkäufen in journalistischen Onlinemedien bekannt. Gerade Verstöße gegen Art. 7 des deutschen Pressekodex (Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt) sei laut Oliver Schlappat, Referent des Deutschen Presserates, ein Dauerthema. Auch bei der nächsten Sitzung des Presserates sollen Linkverkäufe wieder auf der Tagesordnung stehen. Das Problem scheint also nach wie vor aktuell zu sein.

Relevanz:

Der Leser kann nicht unterscheiden, ob es sich bei dem vorliegenden Link um eine Empfehlung der Redaktion oder um eine Werbeanzeige handelt. Dies verstößt gegen die Schwarze Klausel Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG. Dort heißt es: „Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind…der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung)“. Entsprechende Werbung durch gekaufte Links ist wettbewerbswidrig und somit unzulässig. Zudem verstößt die Redaktion gegen § 4 Nr. 3 UWG, in der es heißt: „Unlauter handelt insbesondere, wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert“. Die Werbung in Form von Links wird hier als redaktionelle Information getarnt. Dem Leser soll glaubhaft gemacht werden, dass es sich hier um unabhängige Informationen handelt. Für Telemedien, also auch das Internet, gilt außerdem das Trennungsgebot nach § 6 Absatz 1 Nr. 1 des Telemediengesetzes bzw. gemäß § 58 Absatz 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrags.

In § 6 Nr. 1 TMG heißt es: „Diensteanbieter haben bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens die folgenden Voraussetzungen zu beachten: Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein.“

Unter „Kommerzieller Kommunikation“ ist insbesondere die Werbung zu verstehen. Diese muss als solche, nämlich als Werbung, stets erkennbar sein. In § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 des Rundfunkstaatsvertrags heißt es: „Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.“ Das Trennungsgebot muss also auch im Internet beachtet werden. Gegen diese Gesetze und Gebote wurde im vorliegenden Fall verstoßen.

Im Rahmen der Suchmaschinenoptimierung, kurz: SEO (von engl. search engine optimization), ist es für den Webseiten-Betreiber sinnvoll, Linkaufbau bzw. Linkbuilding zu betreiben. Man baut hier nicht nur Links innerhalb seiner eigenen Seite auf, sondern versucht einen Link bei einer fremden Seite einzuspeisen, der dann beim Klick auf die eigene Webseite führt. Beim Linkaufbau ist nicht nur die Masse der Links wichtig. Es kommt auch auf den PageRank, der von Google erfunden wurde, an. Dieser Index gibt die Wichtigkeit einer Seite an. Der PageRank misst, wie viele Seiten aus dem Internet auf die eigene Seite verweisen. Je mehr Links zu einer Seite gefunden werden, umso wichtiger wird die Seite eingeschätzt, umso höher ist also der PageRank-Wert. Dabei kommt es darauf an, welchen Stellenwert oder PageRank die Seite besitzt, die auf die eigene Seite verweist und wie viele Links auf dieser Seite platziert sind.

Jegliche Manipulation im Bereich Linkbuilding verstößt gegen die Richtlinien, die Google für Webmaster aufgestellt hat. Solche Links können die Relevanz der Suchergebnisse verzerren, indem sie Ungenauigkeit oder Unausgewogenheit verursachen. Es kommt zu einem unfairen Vorteil in den Suchergebnissen von Google für Webseiten, die am meisten Geld für die Links bezahlen. Google straft diese Webseiten ab, indem der PageRank der Seite um einige Plätze herabgesetzt wird und die Seite somit nicht mehr als wichtige Seite wahrgenommen werden kann. Gegen die Richtlinien verstoßen Kauf oder Verkauf von Links, die PageRank weitergeben, Textanzeigen oder native Werbung, wo Artikel mit Links, die PageRank weitergeben, bezahlt werden oder Links mit optimiertem Ankertext in Artikeln oder Pressemitteilungen, die auf anderen Websites verteilt sind. Die Weitergabe von PageRank kann verhindert werden. Dazu muss der Webmaster z.B. das Attribut “rel=“nofollow“” zum “<a>-Tag” hinzufügen. Im vorliegenden Fall verstoßen die Qualitätsmedien also auch gegen die Google-Richtlinien.

Vernachlässigung:

Beim Presseverzeichnis Genios ist der aktuellste Presseartikel ein Bericht in der „Zeit“ von 2009. Dort wird über ein Angebot des Austausches eines Links gegen einen 20 €-Gutschein von Amazon bei einem Blogbetreiber berichtet. Auf die Verwischung der Grenze zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt wird hingewiesen. Links würden gerne in Texte eingebaut, die schon älter und somit bereits länger online sind. Es werden einige Beispiele von Medienjournalist Stefan Niggemeier geliefert. Diese sind aus den Jahren 2008 und 2009.

Bei Google News lassen sich zu den Stichwörtern „Linktausch“, „Linkverkauf“ oder „Linkkauf“ einige Berichte über die Google-Abstrafung aus dem Jahr 2014 bei eher unbedeutenden Medien finden. Große Tageszeitungen haben weder aktuell noch vor längerer Zeit über den vorliegenden Fall berichtet. Das scheint aber auch nicht in ihrem Interesse zu sein.

Quellen:

  • News.de, Online-Nachrichtenportal, http://www.news.de/
  • Stefan Niggemeier, Blog des Medienjournalisten, http://www.stefan-niggemeier.de
  • Daniel Höly, Online Journalist und Blogger bei Juiced, http://juiced.de/
  • Bastian Grimm, verantwortlich für SEO bei der Firma Peakace, http://www.peakace.de/
  • Daniel Huber, It-Recht Kanzlei München, über die Rechtslage: http://www.it-recht-kanzlei.de/reaktionelle-werbung-trennung.html
  • Google über seine eigenen Richtlinien: http://googlewebmastercentral-de.blogspot.de/2013/02/hinweis-zu-verkauften-links-die.html
  • Go SEO, SEO und Online Marketing, über Google PageRank: http://www.go-seo.de/PageRank

Zitate:

„Die Ziffer 7 des Pressekodexes (Trennung von Werbung und Redaktion) ist bei uns ein Dauerproblem.“

(Oliver Schlappat, Referent des Deutschen Presserates)

 

„Es gibt Links, die weit mehr als 3000 € kosten!“

(Elvis Benkovic, zuständig für das Online-Marketing bei Benkovic Marketing & Media)

 

„Es könnte sein, dass der Abfall unseres PageRanks 2014 etwas mit Linkverkäufen zu tun hat.“

(Ulrich Kutsch, Geschäftsführung und Redaktionsleitung Aachener Zeitung online)